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Eine Alma mater im Aufbruch

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Die jüngste Rektorswahl an der Universität Salzburg ließ einen Alptraum Wirklichkeit werden, der seit Einführung des neuen UOG auf Österreichs Hochschullehrern lastet: die Professoren, laut Gesetz nur noch zu einem Drittel in der Wahlversammlung vertreten, sahen sich durch die Kür des Theologen Univ.Prof. DDr. Wolfgang Beilner von Studenten und Assistenten glatt überstimmt und mußten die Niederlage ihres Wunschkandidaten hinnehmen.

Der akademische Unter- und Mittelbau hatte freilich keinen revolutionären Neuling auf den Schild gehoben, sondern nur die Wiederwahl des bisherigen Rektors bewirkt.

„Offenbar war man an der Universität mehrheitlich mit meinem Konzept zufrieden", kommentiert Beilner seine Ernennung gegen die Intentionen dei meisten Professorenkollegen. Nicht ohne Stolz verweist der gebürtige Wiener", der seit 1966 die Lehrkanzel für neutestamentliche Bibelwissenschaft innehat, auf die Tatsache, daß noch nie soviele Sachprobleme der Salzburger Hochschule ihrer Lösung nähergebracht worden seien wie während seiner bisherigen Amtszeit.

Tatsächlich fiel sie mit einem Wendepunkt und Aufbruch in der neueren Universitätsgeschichte zusammen. Denn nach gut anderthalb Jahrzehnten der Auseinandersetzungen über die endgültige Situierung der gegenwärtig auf siebzehn Standorte verstreuten Hochschule hat man sich endlich zur sogenannten Altstadtuniversität entschieden: das bedeutet, daß die gesamte Juridische Fakultät und etliche geisteswissenschaftliche Institute sich zu den schon jetzt im Stadtkern untergebrachten Geisteswissenschaftlern und den vollzählig dort beheimateten Theologen gesellen werden.

Die hiefür benötigten Räumlichkeiten konnten durch die geplante Umwidmung des Toskana-Traktes der Residenz (jetzt Bundespolizeidirektion) zur künftigen Heimstatt der Rechtswissenschaften und durch die Umwandlung der gegenwärtigen Finanzämter in den ehemaligen Kapitalhäusern zur Universität sowie durch den bevorstehenden Auszug der Höheren Technischen Lehranstalt (HTBL) aus ihrem bisherigen Quartier sichergestellt werden.

Unabhängig davon soll die Naturwissenschaftliche Fakultät auf den „Freisaalgründen" - einem ursprünglich für alle Universitätsneubauten vorgesehenen und 1976 durch eine Bürgerinitiative großteils vor der Zerstörung bewahrten Landschaftsschutzgebiet am Südrand der Stadt - entstehen.

Alles in allem entspricht also diese Lösung gleichsam einem gemischten System, wobei den architektonischen Gegebenheiten der Salzburger Altstadt und den Erfordernissen eines modernen Hochschulbetriebes mit derzeit rund 8400 Hörern Rechnung getragen wurde. Die Planungen basieren auf der Annahme, daß sich trotz anhaltender Zuwachsraten von durchschnittlich neun Prozent bei den Neuimmatrikulationen pro Jahr die Gesamthörerzahl ab 1985 auf 10 000 einpendeln dürfte.

Freilich: um den Einzug der vorläufig außerhalb angesiedelten Institute zu ermöglichen, müssen zunächst neue Baulichkeiten für Bundespolizei, Finanzämter und die HTBL geschaffen werden, ein Vorhaben, das samt Adaptierung der Altstadtgebäude für die Universität kaum unter der Kostengrenze von zwei Milliarden Schilling realisierbar erscheint.

Abgesehen davon hat man in mittlerweile bestem Einvernehmen mit Stadt, Land und Bund folgenden Terminplan abgesteckt: Baubeginn für die neue HTBL im kommenden Sommer und damit wohl Anfang der Umbauten der jetzigen Schule für die Geisteswissenschaften im Jahre 1985; erster Spatenstich für die Naturwissenschaftliche

Fakultät im nächsten Spätherbst; Start mit der künftigen Bundespolizeidirektion wohl' um 1982 und Räumung des Toskana-Traktes voraussichtlich 1986. Nicht absehbar ist nur der Zeitraum Für den Neubau der Finanzämter, deren überhöhte Raumforderungen auf einem landschaftlich sensiblen Areal in Salzburg-Aigen vorläufig am Widerstand der Anrainer scheiterten.

Was Salzburgs Alma mater nun als feste Marschroute vorgezeichnet sieht, erschien noch vor anderthalb Jahren bestenfalls als silberner Streifen am Horizont. Heute zweifelt jedoch niemand mehr an der Verwirklichung dieses Projekts, für dessen Durchführung sich derzeit eine örtliche Bauträger- und Finanzierungsgesellschaft konstituiert.

Nähergerückt ist auch die Gründung einer Medizinischen Fakultät in der

Salzachmetropole. Gegenwärtig laufen Vorgespräche über Lehrveranstaltungen für klinische Semester, die vor Einrichtung einer regulären Fakultät wohl unter Innsbrucker Ägide stehen werden.

Demnach sind die großen Anliegen der Salzburger Hochschule - endgültige Unterbringung und Aufwertung zur Volluniversität - neuerdings in ein konkreteres Stadium gekommen. Nicht minder liegen Rektor Beilner allerdings die „kleinen, menschlichen Dinge" am Herzen. Daß etwa seit diesem Sommer verheiratete Studenten in Österreich bezüglich der Familienbeihilfe mit den ledigen Kollegen gleichgestellt sind, oder daß die beinahe schon gescheiterten Verhandlungen über ein bundesweites Assistenten-Dienstrecht doch noch unter Dach und Fach gebracht werden dürften, geht zweifellos auf sein persönliches Konto zurück.

Gleicherweise förderte er akademische Babysitting-Institutionen und bot schließlich den Frauen verständnisvolle Schützenhilfe an. Ihrer „evolutionären, nicht revolutionären Emanzipation" soll unter anderem ein ab 1981 vorgesehenes Seminar mit dem Arbeitstitel „Frauenstudium - die Geschichte einer systematischen Aussperrung" dienen.

Jedenfalls hat in Salzburg das angeblich schwache Geschlecht unter den Studienanfängern mit 55 Prozent der ,Neu-Immatrikulationen bereits die Überzahl erreicht. Demgegenüber sind Damen nur zu einem Viertel in den Assistentenrängen vertreten: und Professoren-Ehren erlangte im 117köpfigen Lehrerkollegium sage und schreibe eine einzige Frau ...

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