6962449-1985_01_03.jpg
Digital In Arbeit

Eine andere Welt

19451960198020002020

Mitbestimmung - Entwicklung - Frieden: Unter dieses Motto stellten die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Jugend. 1985 wurde also einer Generation gewidmet, deren Zukunftsaussichten alles andere denn rosig sind. Die Jugend Österreichs schwankt indes zwischen Resignation und Rebellion. Wohin geht der Weg?

19451960198020002020

Mitbestimmung - Entwicklung - Frieden: Unter dieses Motto stellten die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Jugend. 1985 wurde also einer Generation gewidmet, deren Zukunftsaussichten alles andere denn rosig sind. Die Jugend Österreichs schwankt indes zwischen Resignation und Rebellion. Wohin geht der Weg?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Eltern der jetzigen Jugendgeneration wuchsen unter ganz anderen Lebensverhältnissen auf. Die Phase des Wiederaufbaues und der Hochkonjunktur hat allen engagierten Bürgern vielfältige Möglichkeiten gegeben, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zum eigenen Wohl und zum gesellschaftlichen Nutzen anzuwenden.

Die derzeitige Jugendgeneration lebt in einer anderen Welt. Ein großer Teil der Jugend besucht höhere Schulen und genießt weiterführende Ausbildungen. Bedingt durch die wirtschaftliche Rezession wird aber die Kluft zwischen dem beruflichen Anspruchsniveau der Schulabsolventen und ihren tatsächlichen beruflichen Möglichkeiten immer größer.

Für viele junge Menschen kommt also nach Abschluß einer weiterführenden Schule die herbe Enttäuschung: Es ist nicht beson-def s.erfreulich, wenn nach all den Mühen einer schulischen Ausbildung kein der Ausbüdung entsprechender Arbeitsplatz gefunden werden kann.

Die Schule bereitet aber nicht nur für den Beruf, sondern insgesamt für den Lebensvollzug vor. Nutzen wir aber tatsächlich alle Möglichkeiten, die gut ausgebildeten jungen Menschen neben ihrem Beruf auch noch in einer anderen Weise für unsere Gesellschaft nützlich sein zu lassen?

Wir haben uns noch sehr wenig Gedanken darüber gemacht, wie wir die vielen Fähigkeiten außerberuflich für das Gemeinwesen, aber auch für den Menschen selbst nutzbar machen können.

Im Zuge der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung wurden vielerlei Organisationsformen und Freizeitangebote geschaffen, die eine möglichst unproblematische Kindheit und Jugendzeit ermöglichen sollten.

Konsumieren allein macht aber nicht glücklich. Mitgestalten wird in einer verwalteten und durchorganisierten Gesellschaft immer schwerer. Immer mehr bürokratische Vorschriften erschweren das Vereinsleben, die Organisation von Festen und die gemeinsame Gestaltung von Unterhaltungen. Jugendliche fühlen sich „in eine Maschinerie” eingepfercht.

Bis vor wenigen Jahren herrschte allgemeine Ubereinstimmung darüber, daß wirtschaftlicher Aufschwung und die Schaffung guter materieller Lebensbedingungen sehr erstrebenswert sind. Die Politik hat versucht, die Interessen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mehr oder minder gut und gerecht auszugleichen.

Seit Anfang der achtziger Jahre aber beschäftigen andere Fragen einen großen Teil der österreichischen Jugend. Natürlich ist die Erhaltung der materiellen Lebensgrundlage wichtig. Aber es kommen auch andere Werte ins Bewußtsein der jungen Menschen. Die Fragen der eigenen Zukunft.

Ein drastisches Beispiel: Die Verschuldung des Bundes, der Länder und Gemeinden macht

1,4 Billionen Schilling aus. An diesem Schuldenberg wird die nächste Generation noch beträchtlich zu beißen haben. Sie wird einen guten Teil des von ihr erarbeiteten Bruttonationalprodukts in die Tilgung der Schulden investieren müssen. Der Gestaltungsspielraum ist dadurch beträchtlich eingeschränkt.

Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Zustand unserer Umwelt und des Öko-Systems ganz beträchtlich verschlechtert.

Die jungen Menschen wissen, daß sich die politischen Parteien und ihre Vertreter bei den derzeitigen Bevölkerungs- und Interessengruppen profilieren müssen — auf Kosten der nachwachsenden Generation.

Diese nachwachsende Generation hat deshalb ihr Vertrauen in die politischen Vertreter fast restlos verloren.

1976 waren die Politiker noch eine Berufsgruppe, vor denen Österreichs Jugend den größten Respekt hatte. Schon 1981 hatten wir die negativsten Beurteilungen über Politiker und über das politische System in Österreich.

Aber wir hatten gleichzeitig auch vielfältige Belege starker politischer Anteilnahme. Weil man sich interessierte, ärgerte man sich.

1984 war auch das Interesse am politischen Geschehen beim größten Teil der Jugendlichen weitgehend verschwunden. Parteien und Politiker sind für den größten Teil der jungen Menschen in Österreich heute kein Thema mehr.

Was aber nun diese Politik am Vorabend des Jahres der Jugend mit dieser Jugend und ihren Interessen getan hat, das erregt die Gemüter, nicht nur die der Jugendlichen.

Es geht dabei nicht nur um die Frage des geplanten Kraftwerks Hainburg. Hainburg ist nur zum Tropfen geworden, der das Faß zum Uberlaufen brachte.

Wir haben in unserem demokratischen System zwar ein funktionierendes System des Interessenausgleichs zwischen bestehenden Bevölkerungsgruppen installiert. Wir haben aber keinerlei Vertretung der Interessen der nachwachsenden Generation.

Die junge Generation und ihre Interessen siijd im österreichischen Parlamentarismus nicht eingebaut. Also können die jungen Menschen auch in diesem Parlamentarismus ihre beschriebenen Interessen nicht artikulieren. Sie sind ex lege die außerparlamentarische Opposition.

Welchen Weg soll eine Jugendgeneration tatsächlich wählen, wenn sie sich von einem Parteiensystem und einer Regierung verraten fühlt?

Solange wir es nicht schaffen, auch die Interessen der zukünftigen Generationen, die heute noch nicht wählen und abstimmen können, in unserem politischen System wirksam zu vertreten, so lange wird jede Jugendgeneration mit großer Skepsis das politische Geschehen verfolgen.

Und wenn es keine staatliche Instanz gibt, die die Interessen unseres ökologischen Systems, unserer Umwelt und ihrer Erhaltung als unüberschreitbare Rahmenbedingung politischer Interessendurchsetzung festlegt, solange werden sich vor allem junge Menschen zur Wehr setzen.

Der Autor ist Geschäftsführer des Osterreichischen Instituts für Jugendkunde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung