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Eine Art Kulturkampf

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Kirche in Afrika - das bedeutet nicht selten Konflikt mit dem Staat, aber gleichzeitig oft Ansehen und Vertrauen bei der Bevölkerung. Burundi ist ein Beispiel.

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Kirche in Afrika - das bedeutet nicht selten Konflikt mit dem Staat, aber gleichzeitig oft Ansehen und Vertrauen bei der Bevölkerung. Burundi ist ein Beispiel.

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Die Kirche Burundis Versteht sich wie die Kirchen anderer afrikanischer Staaten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil als eine geistige Gemeinschaft, die am menschlichen Fortschritt der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft beteiligt ist. Sie fordert vom Staat, ihre Institutionen und ihre Tätigkeiten zu respektieren.

Diese Position der Kirche schafft eine gespannte Situation zwischen dem Klerus und den Politikern. Mit seiner Machtergreifung am 1. November 1976 hat Oberst Jean Baptiste Bagaza die staatliche Kontrolle über das Schul-, das Gesundheitswesen und den sozialen Bereich, die fast ein Monopol der Kirche waren, verschärft. In einer seiner ersten Amtshandlungen verlangte er die Steuerpflicht des Klerus für alle

jene Tätigkeiten, die einen handelsmäßigen Charakter haben. Zu weiteren Miß stimmigkeiten kam es, als er einen einheitlichen Lehrplan für das Bildungswesen schuf und die Privatschulen nationalisierte. Da konnte auch die Beibehaltung des Religionsunterrichts nicht mehr viel retten.

Nachdem der „Oberst Präsident“ seine Partei umstrukturiert hatte, begann er, die Landbevölkerung mittels spezieller Bildungsprogramme und Agitation zu mobilisieren. Diese Bestrebungen des Staates fielen mit der Gründung der „Sahwanya“,kirch-licher Basisgruppen, zusammen. Die Gläubigen trafen sich während der Woche in den Bergen, die Landkommunen aber blieben leer. In der Folge verfügte die Regierung das Verbot der Versammlungen und gestattete Meßfeiern nur mehr an Sonn- und Feiertagen.

Unter den belgischen Katholiken wurde Kritik laut: die Regierung Bagazäs sei „kommunistisch“,'und Oberst Bagaza unterstehe einem anderen Oberst namens Muammar Gadhafi. In Bu-jumbura empfand man diese Kritik als eine Beleidigung und antwortete mit der Ausweisung von Missionaren. Am 12. Juni 1979 mußten 52 Missionare und Nonnen — Belgier, Franzosen, Italiener und Polen - das Land verlassen. Man warf ihnen vor, Gerüchte verbreitet und ihre primäre Aufgabe, die Mission, vernachlässigt zu haben. Sie hätten Unstimmigkeit und Spaltung in die Bevölkerung hineingetragen.

Doch das ist paradox! Schließlich sind in Burundi 63 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner Katholiken, und diese Religion war ein wesentliches Element der nationalen Einigung und Integration. Ihr gelang es, die beiden großen Volksgruppen des Landes, die Hutu und die Tutsi, die bis in die siebziger Jahre heftige Stammeskämpfe austrugen, einander näherzubringen. Innerhalb der christlichen Gemeinde Burundis glaubt man, daß die Ausweisung der Missionare eine Reaktion auf die Anprangerung der Menschenrechtsverletzungen ist. Aber nicht nur die Menschenrechtsverletzungen, sondern auch das Verbot der synodischen Versammlungen hatten die Missionare kritisiert. Das heftige Vorgehen der Regierung stört das friedliche Zusam-

menleben der Hutu mit den Tutsi empfindlich.

In den letzten Jahren gab es innerhalb der Kirche eine Restauration der Frömmigkeit und der Mystik, eine neue Hinwendung zur Marienverehrung und eine Welle charismatischer Entwicklungen. Dieses neu erblühte religiöse Leben hat die burundischen Völker wieder gefestigt. Und die 107 Pfarreien können mit ihren integrierten, selbstverwalteten Landwirtschaftszentren, ihren Schulen, Krankenstationen, mit ihrer moralischen Ausstrahlung und ihren finanziellen Mitteln aus europäischen Spendengeldern Sozialförderer sein.

Als Gegenpol zu diesen Pfarreien gründete der Staat 70 Kommunen. Doch die Mitarbeiter der Pfarreien sind kompetenter, die Lehrer ihrer Aufgabe ergebener als die Angestellten örtlicher staatlicher Einrichtungen.

Am 18. September 1986 gab es einen Erlaß des Staates betreffend die Integration der kleinen und mittleren Seminare in das staatliche Bildungswesen. Dieser Erlaß rief heftige Proteste der sieben Bischöfe des Landes hervor. Am 28. September ließen sie ein Manifest in allen Kirchen des Landes verlesen. In diesem Manifest wandten sie sich nicht nur gegen die Entscheidung des Staates, sondern widerlegten auch die Behauptung, sie würden die Glaubwürdigkeit des Staates im In- wie im Ausland angreifen.

Die Botschaft der Kirchenfürsten empfanden wiederum die Politiker als Herausforderung: Am 5. Oktober veranlaßte das Innenministerium die Schließung aller Katechismusschulen und verbot alle katholischen Bewegungen. Für den Fall eines Zuwiderhandelns wurden weitere Sanktionen angekündigt.

Was steckt hinter diesen Repressionen? Eigentlich müßten Präsident Bagaza und seine Re-

gierung die Leistung der Kirche für die nationale Einheit und den sozialen Frieden anerkennen. Sollte es sein, daß diese Regierung Ziele verfolgt, die der Einheit Burundis nicht dienlich sind? Will sie ein gespaltenes Volk, um es besser beherrschen zu können? Wird die Kirche zum Sündenbock gestempelt, um die Inkompetenz anderer zu verdecken?

Diese Fragen bleiben offen. Die Konflikte und die Widersprüche in Burundi erinnern auf gewisse Art und Weise an den Kulturkampf im Deutschland des 19. Jahrhunderts.

Ungeachtet dieser Lage glauben die burundischen Staatsmänner, daß sie die Kultfreiheit und die Freiheit der religiösen Bildung nicht in Frage gestellt haben, weil sie ja den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen nicht abgeschafft haben. Bei der Lösung der anstehenden Probleme will der Staat „nicht nachgeben, sich nicht erpressen lassen und vor den religiösen Oberhäuptern verneigen“. Und letztlich müssen die Bischöfe die „Falschinformationen“, die im Ausland gegen Burundi laut geworden sind, dementieren. Welch eine Farce — sind etwa die Bischöfe an diesen „Falschinformationen“ schuld?

Vielleicht hat der Botschafter Burundis in Paris recht, wenn er meint: „Es gibt keinen grundsätzlichen Konflikt zwischen Kirche und Staat, aber es gibt Kompetenzfragen.“ Der Botschafter hat diese Kompetenzfragen nicht näher bestimmt. Die Regierung versucht mit ihrer pseudo-sozialisti-schen Ausrichtung die mächtige und einflußreiche Organisation der Kirche loszuwerden, zu der das Volk Burundis mehr Vertrauen hat als zur Politik.

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