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Eine Art von Sondersteuer

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Als vor einigen Jahren die schwedische Regierung ihren Beschluß bekanntgab, die Tagespresse durch direkte finanzielle Zuwendungen zu unterstützen, bedeutete das nahezu eine Sensation und erregte dementsprechendes internationales Aufsehen. Die Unterstützungssätze von damals sind seither mehrmals erhöht worden, sie wurden auch ergänzt durch eine Reihe von anderen Hilfsmaßnahmen und durch Zuwendungen an die politischen Parteien, von denen der Großteil — wie erwartet — ebenfalls an notleidende Zeitungen ging. Das Resultat? Nach zehn Jahren Presseunterstützung erhält die Tagespresse etwa zehnmal soviel an öffentlichen Mitteln als 1964, und ihre Situation ist, trotz aller „Gesundschrumpfung“, ebenso prekär wie vorher!

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Als vor einigen Jahren die schwedische Regierung ihren Beschluß bekanntgab, die Tagespresse durch direkte finanzielle Zuwendungen zu unterstützen, bedeutete das nahezu eine Sensation und erregte dementsprechendes internationales Aufsehen. Die Unterstützungssätze von damals sind seither mehrmals erhöht worden, sie wurden auch ergänzt durch eine Reihe von anderen Hilfsmaßnahmen und durch Zuwendungen an die politischen Parteien, von denen der Großteil — wie erwartet — ebenfalls an notleidende Zeitungen ging. Das Resultat? Nach zehn Jahren Presseunterstützung erhält die Tagespresse etwa zehnmal soviel an öffentlichen Mitteln als 1964, und ihre Situation ist, trotz aller „Gesundschrumpfung“, ebenso prekär wie vorher!

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Als zu Beginn der sechziger Jahre das Fernsehen in Schweden seinen Durchbruch erlebte, befürchteten davon viele Fachleute der Presse die Zerstörung der Existenzgrundlage der Tageszeitungen. ,, itote, , kann man feststellen, daß in nicßt wenigen Fällen geraide das Fernsehen der Presse neue Leser brachte. Was auf den Bildschirmen in konzentriertester Form vorbeiflimmert, weckt das Interesse vieler Menschen, die sich sonst um das Geschehen draußen in der weiten Welt wenig kümmerten, und läßt sie dann zu jenen Publikationen greifen, die das alles aiusführUcher und gründlicher behandeln können. Untersuchungen zeigten einwandfrei, daß jene Zeitungen vermehrt gekauft und genauer gelesen werden, die solche Themen und Ereignisse behandeln, die das Fernsehen in sein Programm aulgenommen hatte. Das Zeitunglesen hat in Schweden seit Beginn des Fernsehzeitalters rascher zugenommen als die Zahl der des Lesens kundigen Personen.’Die Auflagezahl der Morgen- und Abendzeitungen zusammengenommen betrug im Jahre 1958 3,782.000, im Jahre 1973 aber 4,592.000, sie erhöhte sich also um 800.000 Exemplare pro Ausgabe-

tag. Den Löwenanteil an dieser Steigerung konnte allerdings die Abendpresse buchen, die sich von 630.000 auf 1,261.000 Exemplare pro Tag erhöhte. Aber auch die Morgen- prel 1i»mlte Sich imr iast 200.000 Éxeinpîàre erhöhen.

Wenn man das Femseihen von der Schuld an den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Tagespresse freisprechen kann, so kommt man ebenso eindeutig bei der Betrachtung der Rolle der sogenannten Inseratenblätter, die kostenlos verteilt werden, zu einem gegenteiligen Resultat. Die Zahl dieser Gratisblätter nimmt in den letzten Jahren lawinenartig zu. Neunzig dieser lokalen Blätter hatten im Vorjahr eine Einnahme aus dem Inseratengeschäft von mehr als 20 Millionen Kronen, Gratisblätter anderer Art konnten auf 30 Millionen Inserateneinnahmen erhöhen. Richtete sich früher dieser Konkurrenzkampf um die Inserenten nur gegen die sogenannten Zweitzeitungen in einer Stadt, so bekommen nun auch schon die großen Erstzeitungen, wie beispielsweise die .Dagens Nyheter“, den Vormarsch dieser Art von „Zeitungen“ zu spüren. Diese Blätter schöpfen auf dem Markt ständig mehr an Inseratengeldern ab als die Regierung zusätzlich an Pressehilfen bewilligen kann. Es ist undenkbar, daß die Regierung dieser Entwicklung noch lange tatenlos zuschauen kann. Irgendeine Art von Sonderbesteuerung, deren Ertrag an die seriöse Presse zurückgeleitet wird, dürfte kaum mehr zu vermeiden sein.

Nimmt man dazu noch die außerordentlich hohen schwedischen Personalkosten, die Erhöhamg der Papierpreise und die Verteuerung des gesMnten technischen Apparates, die auch auf dem Kontinent bekannt ist, dann hat man die Ursachen jener Situation vor sich, die jetzt für so manche schwedische Zeiihng lebensbedrohend geworden ist. Was man hier so lange wie möglich vermeiden will, ist eine Verdün-

nung und Verschlechterung des Inhaltes der Zeitungen. Es muß hier erwähnt werden, wenn man der Wahrheit Genüge tun will: Die Leser der Zeitungen in allen nordischen Ländern, also nicht nur in Schweden, sondern auch in Dänemark, Norwegen und sogar in Finnland — all diese Leser stellen an ihre Zeitungen zumeist höhere Ansprüche als die Leser in anderen Ländern. Und sie erzwingen dadurch eine starke Besetzung der Redaktion, die dementsprechend viel kostet. So neigt man eher dazu, von einer Zeitung definitiv Abschied zu nehmen, als eine Qualitätsversohlechterung des. redaktionellen Teiles htozu- •»ehmen, - - ■

Die ersten 28 Millionen Kronen, die der schwedische Staat seiner Presse zur Verfügung stellte, sind längst vervielfacht worden. Im Budget dieses Jahres sind an direkten Zuwendungen an die „Zweitzeitungen“ 97 Millionen vorgesehen, dodi auch diese reichen nicht mehr aus.

Die schwedische Tagespresse, zusammen etwa 100 Zeitungen, beschäftigt 28.000 Angestellte und hatte 1973 Einnahmen in der Höhe von rund zwei Milliarden Kronen, die Hälfte davon stammte aus dem Inseratengesohäft. Seit Kriegsende sind 70 Tageszeitungen eingestellt worden. Die Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln erfolgen in den verschiedensten Formen:

• Direkte Zuweisungen in der Höhe von 97 Millionen an die Zweitzeitungen;

• Verteilungszuweisungen: 24 Millionen;

• ein Beitrag der Post bei der Zei tungsverteilung, der mit 30 Millionen berechnet wird;

• Steuerbefrediingen: 175 Millionen;

• Inseratenaufträge staatlicher und kommunaler Behörden, die eindeutigen Unterstütaungscharakter haben;

• von 10 Prozent auf 6 Prozent verminderte Inseratensteuer, von der kleinere Zeitungen vollständig befreit sind;

• Zuwendungen aus dem Investitionsfond in der Höhe von 25 Millionen jährlich.

Durch die vielfachen Unterstützungen dürfte es möglich sein, zumindest in 20 Regionen, entsprechend etwa den Provinzen, neben ‘der ersten auch eine zweite 2ieitung am Leben zu erhalten und so eine Monopolisierung zu verhindern.

Der Vormarsch der Abendblätter dürfte, wenn auch verlangsamt, weitergehen, doch dieser findet nun weniger auf Kosten der Morgenblätter, als auf Kosten der Wochenzeitungen statt. Diese sogenannten Populärzeitungen »hatoen derzeit eine Auflage von knapp vier Mülionen Exemplaren und mußten im ersten Halbjahr 1974 einen Verlust von

30.0 Abonnement hinnehmen. Von den.stark dem Sex verschriebenen Zeitungen mußten „Lektjn “ einen Verlust von 35.000 und ,De“ von

10.0 Käufern hinrlehmen. Dagegen konnten die anspruchsvollen „Damemas Värld“ 20.000 und „Hennes“ 23.000 neue Leser gewinnen. Viel beachtet wurde aucii der Erfolg des konservativen Zentralorgans „Svenska Dagbladet“, das dank großzügiger Regierungshilfe eine schwere Krise überstehen und sich von 149.000 auf 155.500 Exemplare erhöhen konnte.

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