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Eine Bildungspolitik in Partnerschaft und Subsidiarität

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Seit mehr als einem Jahr besteht im österreichischen Akademikerbund ein Arbeitskreis (Leitung Dr. H. Christof Günzl), der sich mit politischen Grundsatzfragen beschäftigt. Als jüngstes Konzept wurde ein Bildungsmemorandum vorgelegt, dessen wesentlichste Gedanken hier skizziert werden. Dieses Memorandum zielt auf eine Reform des Bildungswesens durch Erneuerung der Bildungsphilosophie und Formulierung neuer Bildungsziele und versteht sich zugleich als eine Kampfansage an die linke Pädagogik.

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Seit mehr als einem Jahr besteht im österreichischen Akademikerbund ein Arbeitskreis (Leitung Dr. H. Christof Günzl), der sich mit politischen Grundsatzfragen beschäftigt. Als jüngstes Konzept wurde ein Bildungsmemorandum vorgelegt, dessen wesentlichste Gedanken hier skizziert werden. Dieses Memorandum zielt auf eine Reform des Bildungswesens durch Erneuerung der Bildungsphilosophie und Formulierung neuer Bildungsziele und versteht sich zugleich als eine Kampfansage an die linke Pädagogik.

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Die heutige Pädagogik wird in wesentlichem Maße vom Gedankengut der Neuen Linken beherrscht. Die daraus resultierende Bildungspolitik steuert daher auf eine langfristige Gesellschaftsveränderung im neumarxistischen Sinn zu. Um dem zu entgehen, muß man den Marxismus als Bildungsphilosophie durch eine bessere Alternative ersetzen.

Dazu eignet sich die integrative Denkweise, die der Arbeitskreis unter dem Begriff „Das Neue Denken” seinen Überlegungen zugrundegelegt hat. Das Neue Denken ist ein ganzheitliches Denkmodell, das Fortschritt und Entwicklung nicht wie im Marxismus durch den „Kampf der Gegensätze” verursacht sieht, sondern durch die Integration unterschiedlicher, einander ergänzender Komponenten zu einem höheren Ganzen.

Die sich daraus ergebenden Bildungsziele basieren auf dem christlichen Menschenbild, dem Gesellschaftsbild nach dem Modell der Partnerschaft und dem Subsidiaritätsprinzip sowie auf einer umfassenden Sicht der Umwelt als ökologischem System. „Partnerschaft” ist nicht nur eine Methode der sozialen Zusammenarbeit, sondern auch ein Konfliktlösungsmodell als Alternative zum Klassenkampf. Die Subsidiarität ist ein gesellschaftliches Strukturprinzip, das die Gesellschaft als Stufenbau ineinandergeschachtelter Ebenen der Freiheit und Verantwortung begreift. Hierbei soll jeder Ebene soviel an Eigenverantwortung belassen werden, als sie zu leisten in der Lage ist. Darüber hinausgehende Probleme sollen auf der jeweils höheren Stufe gelöst werden.

Die Erde ist von einer Schicht lebendiger Substanz,, der „Biosphäre”, umhüllt. Immer mehr besteht aber die Gefahr, daß die Selbstregulierungsfähigkeit und das Gleichgewicht dieses Ökosystems gestört wird. Daher muß dem Menschen klargemacht werden, welche Verantwortung er gegenüber seiner natürlichen Umwelt hat.

Das Memorandum möchte im wesentlichen die geistigen Grundlagen für eine Reform der Bildungspolitik darlegen, macht aber auch konkrete Vorschläge zu Schwerpunktbereichen:

• Partnerschaft von Eltern, Lehrern und Schülern zur Verwirklichung des Bildungszieles: Unsere Bildungsziele sind nicht durch Konfliktstrategien, sondern nur durch partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Eltern, Lehrern und Schülern zu erreichen. Durch bessere Kontakte können Übelstände verhindert oder leichter beseitigt werden. Durch häufigere Elternsprechtage und Schulversammlungen ist auch eine intensivere Information der Eltern möglich, die dadurch in das Schulgeschehen besser integriert werden.

• Vermenschlichung statt Verrechtlichung: Die Erfahrungen mit dem Schulorganisationsgesetz zeigen deutlich, daß eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern nicht durch Gesetze erzwungen werden kann. Ein kreatives Arbeitsklima und ein guter menschlicher Kontakt können nur durch partnerschaftliche Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern geschaffen werden.

• Emanzipation des Lehrers: Das Ansehen des Lehrers in der Öffentlichkeit ist gesunken, was insbesondere auch die Beziehung zwischen Eltern und Lehrern belastet. Der Lehrer ist unglaubwürdig geworden, weil ihm Rechte und Entscheidungsmöglichkeiten genommen worden sind. Es muß ihm so viel Freiheit eingeräumt werden, daß er seiner Verantwortlichkeit gerecht werden kann. Die Methodenfreiheit soll auch in der Praxis garantiert sein, weil der Lehrer selbst besser als Direktoren und Minister die jeweils besonderen Voraussetzungen in seiner Klasse kennt. Direktorstellen sollen nach einem Dreiervorschlag des Lehrkörpers vergeben werden. Ebenso ist eine Entlastung der Lehrer von Verwaltungsarbeit nötig, um die Qualität des Unterrichts weiter zu gewährleisten. Dafür ist jedoch auch eine Verbesserung der LehrerausbUdung erforderlich.

• Erhöhung des Sozialprestiges für Absolventen der berufsbildenden Schulen: Da das Sozialprestige von Akademikern und Maturanten überbewertet wird, werden viele junge Menschen, die eigentlich für andere Berufe besser geeignet wären und diese auch ausüben wollten, in höhere Schulen gedrängt und finden sich dort nicht zurecht. Deshalb ist eine Verbesserung des Niveaus und folglich auch des „Images” der berufsbildenden Schulen dringend erforderlich, denn echte Chancengerechtigkeit bedeutet, daß sich jeder entsprechend seinen Fähigkeiten selbstverwirklichen kann.

• Ganzheitliche Bildungskonzeption unter Einschluß der Praxis: Da Bildung den „ganzen Menschen” umfassen soll, ist neben dem Intellekt auch der Einschluß der Emotionalität wie des praktischen Handelns nötig. Es sollte auch auf das Erkennen von Querverbindungen und übergeordneten Sinnzusammenhängen besonders Bedacht genommen werden. Eine Erziehung zum „Fachidioten” ist heutzutage verfehlt, da der dringend notwendige Sinn für das Ganze ohnedies mehr und mehr verlorengeht. Der Lehrstoff der Schulen muß daher als Ganzheit betrachtet und dementsprechend übermittelt werden.

• Lernen lernen: Hier geht es nicht nur um eine Lemtechnik, sondern darum, daß der Schüler in die Lage versetzt wird, die chaotisch scheinende Menge der auf ihn einströmenden Informationen in Kategorien und Zusammenhänge einzuordnen. Dafür ist aber eine entsprechende Denkstruktur erforderlich. Der dialektische Materialismus und seine neulinken Abkömmlinge werden vielfach als die einzige Möglichkeit eines solchen Denkmodells verstanden, ohne aber diese Aufgabe wirklich erfüllen zu können. Die Folgen sehen wir in der Praxis etwa am Verfall der Werte, an der Radikalisierung und am Niveauverlust. Was wir heute brauchen, ist eine bessere, der Realität entsprechende Denkstruktur - das „Neue Denken” bietet sich dafür an.

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