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Eine bittere Pille

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Bedürfen Erklärungen der österreichischen Bischofskonferenz bereits einer Exegese? Wer dies verneint, wurde von der Leseanleitung, die der Wiener Weihbischof Kurt Krenn in der „Wiener Kirchenzeitung“ vom 24. April der Stellungnahme der Bischöfe in der Karwoche (FURCHE 14/ 1988) nachgeschoben hat, einigermaßen überrascht.

Seine Interpretation der Bischofserklärung 1988 zur „Maria Troster Erklärung“ des Jahres 1968 geht jedenfalls weit über den Text der episkopalen Botschaft hinaus und widerspricht allen Stellungnahmen, die - wie der Grazer Diözesanbischof Johann Weber — betont haben, daß die „Maria Troster Erklärung“ dadurch „keineswegs zurückgenommen oder revidiert“ sei, sondern nur auf „kurzschlüssige Anwendungen“ hingewiesen wurde.

Ein Affront, der auf grundlegende Auffassungsunterschiede schließen läßt.

Krenns Auffassung in Fraktur: Der „Kern der katholischen Lehre bezüglich der Sittlichkeit des einzelnen ehelichen Aktes liegt in der unbedingten und unlösbaren Verknüpfung von personaler Liebe der Ehegatten und von Offenheit für Nachkommenschaft“. Und .jede vom Menschen eigenmächtig unternommene Maßnahme der Empfängnisverhütung“ ist daher „objektiv sündhaft“.

Daß der Wiener Weihbischof erst gar nicht versucht, zwischen

künstlichen und natürlichen Methoden der Empfängnisverhütung zu unterscheiden und kein einziges Wort über die verantwortete Elternschaft findet, ist dann nicht unlogisch, wenn für jede einzelne geschlechtliche Begegnung — und nicht nur für den Gesamtablauf einer Ehe — Vereinigung und Fortpflanzung unbedingt verknüpft sein müssen. Dieser Logik folgend, wäre dann eben auch die natürliche Empfängnisverhütung, die bewußt — und nicht minder eigenmächtig — den einzelnen ehelichen Liebesakt von der Offenheit für Nachkommenschaft trennt, „objektiv sündhaft“.

Eine derartige Einengung der kirchlichen Sexualmoral, die die „Sittlichkeit des einzelnen ehelichen Aktes“ an zweifache Bedingungen knüpft, bleibt selbst hinter der Ehe-Enzyklika von Pius XI. aus dem Jahr 1930 zurück. Daß die Erklärung der österreichischen Bischofskonferenz so umgedeutet wird, dafür fehlt mit Sicherheit Ubereinstimmung. Der Anspruch einer authentischen Interpretation ist vor diesem Hintergrund anfechtbar.

Durch den Verzicht auf Differenzierung hat der Wiener Weihbischof sogar das Gegenteil seiner Absicht bewirkt: Verwirrung statt Klarheit für Menschen, die Orientierung suchen. Eine bittere Pille.

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