6946516-1983_47_04.jpg
Digital In Arbeit

Eine Einbahn in die Katastrophe ?

Werbung
Werbung
Werbung

Februar 1934 - führte vor 50 Jahren eine „Einbahnstraße“' in die Katastrophe? War der Bürgerkrieg die logische, unabwendbare Folge der vorausgegangenen 15 Jahre? Welche Weichenstellung hätte erfolgen müssen, um das Unheil abzuwehren?

Der bevorstehende 50. Jahrestag der Februarereignisse 1934 aktualisiert die Frage nach dem „Was wäre gewesen, wenn... ?“, auch wenn sie nicht beantwortet werden kann.

Immerhin liegen noch zahlreiche Dokumente aus dieser Zeit, ngehoben in den Archiven und könnten Einzelaspekte deutlicher ausleuchten, die heute noch „von der Parteien Haß und Gunst verzerrt“ erscheinen — das zeigte nicht zuletzt die Tagung zum Thema „1934 - Mahnung an Gegenwart und Zukunft“, die jüngst vom Friedrich Funder-Institut und dem Karl von Vogelsang-Institut in Wien veranstaltet wurde.

Die Geschichte der Ersten Republik war zunächst von der Gegnerschaft der beiden Großparteien geprägt: „Ersatzkirchen“, die dem Wunsch ihrer Anhänger nach „Beheimatung“ entsprachen, aber trotzdem mitunter aus dieser Rolle fielen, um pragmatisch notwendige Entscheidungen gemeinsam zu treffen, so etwa die Verfassungsreform von 1929 (Univ.- Prof. Alfred Ableitunger, Graz).

War nicht sogar die Sozialde-mokratische Partei 1922 bereit, auf ihren Kulturkampf zu verzichten, um wieder eine Große Koalition einzugehen? Die Kulturprotokolle der Christlichsozialen hierzu sind noch nicht ediert, um diese Frage eindeutig zu beantworten (Univ.— Prof. Maximilian Liebmann, Graz).

Die letzte Gelegenheit, der Katastrophe auszuweichen, war wohl das Koalitionsangebot, das Bundeskanzler Ignaz Seipel im Juni 1931 an die Sozialdemokratie richtete. Otto Bauer, Dogmatiker seiner Partei, glaubte auch da noch, die Zeit arbeite für die Sozialdemokratie, der Kapitalismus stehe vor dem Zusammenbruch und könne nur durch den Sozialismus beerbt werden.

Die Ablehnung des Angebotes war aber nicht nur damit begründet, führte nun Univ.- Prof. Norbert Leser, Wien, aus. Seipel wollte Bauer in die Regierung nehmen, nicht Renner. Die Partei aber wollte sich die Nominierung ihres Vertreters nicht vorschreiben lassen - und außerdem war das Mißtrauen zwischen beiden Lagern schon so tief, daß man Seipel eine ehrliche Absicht einfach nicht mehr zutraute.

In diesen Jahren war der „kalte Bürgerkrieg“ (Univ Doz. Man- fried Rauchensteiner, Wien) latent immer intensiver geworden. Der Erste Weltkrieg endete in Kriegsmüdigkeit, nicht aber im Antimilitarismus. Die junge Republik konnte sich ihr Machtmonopol nicht sichern.

Die „Antiposition“ der Linken gegen die alte Armee einerseits, die der Bürgerlichen gegen die Drohung einer Räteherrschaft wie in Ungarn und Bayern andererseits, führte zur Militarisierung.

1927 konzipierte der Bundesheer-General Wiesinger generalstabsmäßig den Einsatz des Heeres gegen revoltierende Arbeiter, und 1931 spielte der Schutzbund ebenso am Sandkasten Aufstand und Straßenkampf.

Für die Kirche war in den Zwanzigerjahren die enge Verbindung mit der Christlichsozialen Partei der Schutz gegen den Antiklerikalismus der Linken. 1933 wollte Engelbert Dollfuß im Zug der Konkordatsverhandlungen verhindern, daß - wie es das Reichskonkordat vorsah — die Priester aus der Parteipolitik herausgezogen werden sollten.

Die Bischöfe verfügten den Rückzug aus eigener Initiative - und Kardinal Innitzer kritisierte nach den Februarereignissen die Regierung, daß ihr Vorgehen in der Enzyklika „Quadragesimo anno“ - auf die sich Dollfuß beim Konzept seines Ständestaates berufen hatte - keine Deckung finde (Liebmann).

„Ausnahmsweise haben wir einmal aus der Geschichte gelernt“, faßte Funder-Institutslei- ter Karl Pisa zusammen:

• Die Kirche ist aus dem Parteienstreit ausgeschieden,

• das staatliche Machtmonopol ist unumstritten,

• das Mißtrauen zwischen den Lagern ist weitestgehend abgebaut,

• man hat gelernt, auch Grenzsituationen zu bewältigen.

Abgesehen davon hat das Bürgertum, das 1918 seiner neuen Rolle als staatstragende Schicht völlig unvorbereitet gegenüberstand (Univ.- Ass. Dieter Stiefel, Graz), diese Rolle inzwischen gelernt und steht die Existenzberechtigung und Existenzfähigkeit der Republik Österreich nicht mehr in Zweifel; auch ist die außenpolitische Lage heute eine völlig andere.

Alles das sollte mithelfen, auch das Trauma „1934“ zu bewältigen

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung