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Eine Endlösung?

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Knapp über ein Jahr nach der Vollendung der schon im Juni 1974 mit der türkischen Invasion im Norden der Insel eingeleiteten Zweiteilung Zyperns scheint sich nun endlich als Ergebnis der dritten Wiener Verhandlungsrunde zwischen den Volksgruppenvertretern Klerides und Denktasch eine Lösung der domigen Problem« unter zypriotischen Griechen und Türken anzubahnen: Während die bisher unter ghettoäbnli-chen Verhältnissen im von der Regierung Makarioa beherrschten Süden lebenden Muslime endlich in das türkisch verwaltete Gebiet auswandern dürfen, hat die im (sich heute Girne nennenden) Kyrenia an der Nordküste etablierte zyperntürkische Republik den hinter den Linien der anatolischen Besatzungsgruppen zurückgebliebenen Griechen ihren weiteren Aufenthalt auf dem angestammten Grund iumd Boden gestattet.

Damit ist den für eine Endlösung der Zypernfrage feststehenden Marschrouten beider Seiten in geschickter Weise doppelt Rechnung getragen worden. Die etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung stellenden Muslime türkischer Zunge — neben ihnen gilbt es auf Zypern noch kleine arabische Enklaven — beherrschen seit dem 16. August 1974 über 40 Prozent der Insel, 46 Prozent des kultivierbaren Bodens, 47 Prozent des Viehbestandes, 60 Prozent der agrarischen Exporte — die seitdem in der .ganzen islamischen Welt zu finden sind —;, 70 Prozent des gesamtzypriotischen Nationalprodufc-tes, 83 Prozenit des Außenhandels und 96 Prozent aller Fremdenver-kehrseinricbtungen.

Diese reiche Hälfte wollen sie erst dann wieder mit dem armen, gebirgigen und von einer Viertelmillion christlicher Flüchtlinge (Griechen, Armenier, Maroniten) überschwemmten Süden vereinigen, wenn alle Zyperntürken in einem einheitlichen, völkisch starken Siedlungsraum um das neue pantürkische Inselzentirum Girne versammelt sind. Nachdem bereits im Frühjahr die islamischen Flüchtlinge in den britischen Stützpunkten Dekelia und Episkopi gegen scharfen Protest der Makarios-Regierung nach dem Norden verbracht worden waren, ist jetzt mit der totalen „Heimführung“ aller Türken von den Bergen und der Südküste die Voraussetzung für eine Wiederannäherung der nun ethnisch homogenen Teile geschaffen worden.

Die Zyperngriecben haben dabei allerdings ihre Ansprüche auf den verlorenen Norden, in dem sie 83 Wö^^toi'efruniabesitzeF'iton-trollifiTuW vW voi^iel^nä türkischen Landarbeitern hatten bewirtschaften ilasseni, nicht völlig abgeschrieben. Faustpfand ihrer Forde-runig nach Rückkehr aller Flüchtlinge in eine dann von Nikosia anerkannte autonome Republik unter zyperatürkischer Führung sind die immer noch fast zehntausend Christen auf der türkisch besetzten Halbinsel Karpasia im Nordosten Zyperns. Es ist das eine wilde, seit al-tersher griechische Gegend, in der nur ein islamisierter Marktflecken mit dem seltsamen Namen „Galino-porni“. auf „deutsch. „Sanfte Dirne“ J$taa 800 Türken beherbergt. Die Separatisten von Girne haben im türkischen Mutterland und unter ihren von 1963 bis 1967 unter Makarius' Herrschaft nach Großbritannien ausgewanderten Landsleuten vergeblich um Siedler für Karpasia geworben, wo das ideale Terrain für den von zyperngriechischer Seite immer wieder angedrohten Partisanenkrieg in Palästinensermanier vorhanden gewesen wäre.

Mit der Respektierung dieser Minderheit unter türkischer Oberherrschaft scheint die Gefahr eines neuen und schlimmeren Bürgerkrieges immerhin—so- lange gebannt, bis nicht Griechenland oder die Türkei neuen Wind in die Flammen Zyperns blasen. Man kann darüber streiten, ob dieser Entspannungserfolg die bitteren Szenen wert war, die sich bei der fast gewaltsamen „Verladung“ der türkischen Familien des Südens durch Funktionäre aus dem Norden unter dem Geleitschutz österreichischer UNO-Truppen abgespielt haben.

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