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Eine Energiewende ?

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Energiefragen sind derzeit ein Hauptgesprächsthema. Und das ist gut so. Zu lange hatte man es den Experten überlassen, allein über Energiefragen zu entscheiden. Daß dabei nicht immer die besten Lösungen verwirklicht wurden, wissen viele. Daß die Experten nicht immer mit offenen Karten gespielt haben, wurde von Umweltschützern schon lange behauptet. Es hat sich aber jetzt durch publik gewordene Äußerungen führender Vertreter der E-Wirtschaft bewahrheitet.

Im Mai 1983 hatte sich die Gesellschaft für Technologien in der E-Wirtschaft in Gmunden zu einem Seminar zusammengefunden. Was dort gesagt wurde, haben nun Vertreter des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens (etwas reißerisch als Geheimpapier bezeichnet) veröffentlicht.

Experten der E-Wirtschaft machten bei dieser Gelegenheit Feststellungen, denen sie - aus dem Munde von Umweltschützern gekommen — heftig widersprochen hätten. Einige Kostproben: „Wenn wir den im Ausbauprogramm vorhandenen Strom verkaufen wollen, brauchen wir im Wärmesektor einen Zuwachs von zehn Prozent pro Jahr..... jedes Jahr zehn Prozent Elektroheizung ...

Was passiert, wenn die Annahmen über Zuwachsraten und Umsatzsteigerung falsch sind, mit den Zinsenbelastungen auf das investierte Kapital? Mir wird immer ein wenig angst, wenn ich solche Rechnungen mit etwas anderen Zahlen zu machen versuche ...

Marketing heißt.... daß wir Strom verkaufen wollen, und ist wahrscheinlich eines der wichtigsten Dinge, die wir vor uns haben. Ob das aber gut gehen kann, wenn man sich friedlich mit allen anderen Energieträgern arrangiert?" (Prof. W. Koenne, Verbundgesellschaft)

„Es wurde übereinstimmend festgestellt, daß die direkte Werbung für mehr Stromabsatz nicht zielführend sei, sondern sie sollte durch diverse Deckmäntel laufen ..." (R. Brosch, Bewag).

„Durch die konsequente Verfolgung des koordinierten Ausbauprogramms und der Importe stehen infolge des Verbraucherrückgangs freie Energiemengen in den jeweiligen Jahresperioden zur Verfügung." (J. Wiessner, Verbund)

Umweltschützer sind über solche Äußerungen nicht überrascht

- entsprechen sie ja der Realität. Aber einer Realität, die die E-Wirtschaft bisher geleugnet hat, die sie als böswillige Verzerrung von ideologisch geblendeten Systemkritikern abgetan hat. Man müsse alles nüchtern und ohne Emotionen sehen, war eine Standardredewendung — und mehr den Experten vertrauen.

Nun, die Experten sind also zu Wort gekommen. Sie haben die ,J.llusionisten" bestätigt. Diese haben sich über die Argumentationshilfe gefreut - ich mich auch. Aber was sollen nun alle die denken, die bisher den Experten geglaubt hatten?

Zu dieser Gruppe gehörten bisher viele Politiker. Sie scheinen sich langsam von der E-Wirtschaft abzusetzen, wie etwa Justizminister Harald Ofner in der Fernsehpressestunde. Er sei immer schon gegen Hainburg gewesen, erklärte er. Nur fand seine Haltung in der Regierungserklärung leider keinen Niederschlag.

Auch Vizekanzler Norbert Steger setzte sich bei der Präsentation des Energiekonzepts der Bundesregierung von der E-Wirtschaft ab. Man habe schlechte Erfahrungen mit ihr bei den Vorarbeiten gemacht: Nur nach Drohungen seien Daten zu haben gewesen. Und: Seit Jahren prognostiziere sie zu hohe Verbrauchszuwächse.

Daher habe man sich im Bericht auf eigene Prognosen stützen müssen — und die liegen weitaus niedriger (zwischen 1,7 und 2,1 Prozent jährlicher Zuwachs beim Strom statt rund 3,5 Prozent).

Im überfüllten Presseclub Con-cordia verkündete Steger den Anbruch eir.sr neuen Ära der Energiepolitik: Energiesparen, Umweltschutz, Nutzung erneuerbarer Energiequellen sind die neuen Schwerpunkte; Kohle und Holz anstelle von Erdöl; Wärmekraftwerke zur Stromerzeugung nur mehr, wenn auch die Wärme genutzt wird; daher kleine Blockheizkraftwerke anstelle riesiger kalorischer. Primärenergie soll wirksamer genutzt, das Stromversorgungssystem besser gesteuert und dadurch der Bau neuer Kraftwerke vermieden werden. Für Zwecke der Raumheizung sei Strom möglichst nicht einzusetzen (hör's E-Wirtschaft).

Das alles klingt sehr gut. Hoffentlich bleibt es nicht auf dem Papier. Dem erfahrenen Österreicher seien aber Zweifel erlaubt. Sie werden dadurch genährt, daß alles doch sehr vage bleibt. So soll ein „wirksames Preissystem die Erreichung der langfristigen energiepolitischeiyZiele" sichern. Warum nicht deutlicher?

Und die heißen Eisen? Zwen-tendorf, Hainburg, Dorfertal? In jedem Fall verklausulierte Zustimmung. Das Kernkraftwerk sei „kostenmäßig vorteilhaft", aber entscheiden müsse der Nationalrat. Ob das ein guter Einstand für eine Wende ist?

Hoffentlich ist auf die Politiker mehr Verlaß als auf die E-Wirt-schafts-Experten. Aber wer wagt das heute noch in der Ära der Vertrauenskrisen zu hoffen?

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