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Digital In Arbeit

Eine fatale Verquickung

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ln der Demokratie darf und soll jeder Bürger an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen. Diesen Anspruch realisiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur scheinbar.

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ln der Demokratie darf und soll jeder Bürger an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen. Diesen Anspruch realisiert der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur scheinbar.

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Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren hat es deutlich gemacht: Das Instrument der direkten Demokratie in Österreich ist nur für Großorganisationen geeignet. Sie haben nicht nur den nötigen Organisationsgrad — sie haben nötigenfalls auch den ORF hinter sich.

Die Gemeinschaft der Interessen ist völlig klar: Die politischen

Parteien glauben, ein Monopol auf „Politik” zu haben. Alles, was sich außerhalb der Parteien abspielt, wird als unpolitisch oder radikal-politisch denunziert.

Die „alteingesessenen Parteien” halten denn auch eisern zusammen, wenn es gilt, gegen neue Gruppierungen aufzutreten statt nachzudenken, ob das Entstehen neuer Organisationen nicht einem Defizit im eigenen Bereich entspringt.

Dieses von den politischen Parteien aufgestellte „Monopol auf Politik” wird vom ORF noch verstärkt. Rundfunk und Fernsehen attestieren den Parteien ihre politische Monopolstellung. Kritik an den Auswüchsen der Parteiendemokratie sind daher ebenso selten wie politische Äußerungen, die nicht von politischen Parteien abgegeben werden.

Dafür erwartet der ORF von den Parteien, daß sie ihm die Monopolstellung auf elektronische Medien garantieren. Diese fatale Verquickung führt zu einem Monopol-Monopol. Eine Konzentrationsregierung nach Schweizer Muster würde die Übertragung des Modell ORF auf den Staat bedeuten; die Regierung würde quasi eine ORF-Filiale.

Der Anspruch der politischen Demokratie, daß nämlich jeder an politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehnissen und Prozessen teilnehmen darf und soll, wird im Fernsehen nur scheinbar „realisiert”. Vom Anspruch der Demokratie ergeben sich jedoch berechtigte Fragen nach der gesellschaftlichen Kontrolle bzw. nach der Zugänglichkeit des Mediums selbst.

Aber wer die Medien beherrscht, beherrscht noch lange nicht das Bewußtsein. Auch das Uberangebot an Information ist keine Gefahr, weil sie ohnehin an die Grenzen der Rezeptionsfähigkeit stößt. Eine bleibende Gefahr jedoch besteht im Informationsentzug und in der Vorenthaltung von Information.

Die Frage, an der sich der Streit beim ORF-Monopol immer wieder entzündet, ist daher die: Wer darf senden und wie frei in der Programmerstellung ist der, der die Konzession und den Auftrag, zu senden, übernommen hat?

Obwohl es selbstverständlich ist, daß Zeitungen und Bücher unbeschränkt gedruckt werden dürfen (unabhänig von inhaltlichen

Kriterien bzw. Beschränkungen in der Werbung), obwohl es selbstverständlich ist, daß jeder Verein in Österreich ein Vereinsblatt drucken und versenden kann, ist es eigenartigerweise nicht selbstverständlich, daß jeder dieser Vereine einen Rundfunksender betreiben könnte.

Nun wird oft argumentiert, daß daß das technische Medium Fernsehen so teuer ist, daß ein oder zwei Programmstationen für ein Land der Größe Österreichs genügen sollte. Theoretisch kann man durchaus zu diesem Schluß kommen, der sich eben aus der Natur der Fernsehkommunikation und aus dem Charakter ihrer besonderen Technik zwingend ergibt, daß der Staat die Aussendung von Fernsehprogrammen monopolisiert und die einzig konzessionierte Anstalt auf eine öffentlich-rechtliche Grundlage stellt.

Es erscheint aber fraglich, ob der Staat auf dem Unterhaltungsund Bildungssektor ein Niveau bestimmen kann und soll, von dem er zusätzlich behauptet, daß nur er es gewährleistet.

Die politischen Motive, die ein Abgehen vom ORF-Monopol wünschenswert erscheinen ließen, wurden bereits angedeutet. Der ORF erfüllt nicht die Funktion der kritischen Information oder gar jene der „vierten Gewalt”, das heißt, der Kontrolle des politischen Systems durch die Öffentlichkeit, sondern er ist Teil jenes Systems, das er kontrollieren (kritisieren) sollte.

Neben dem Argument, daß privates Fernsehen für ein kleines Land zu teuer käme, wird auch der Bildungsauftrag des ORF für seine Monopolstellung immer wieder ins Treffen geführt. Hier ist nun ein Exkurs über österreichische Fernsehgewohnheiten notwendig.

In vielen Regionen verfügen die Menschen über eine hohe Pro-giammauswahl und sind darüber sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit mit einer großen Programmvielfalt bedeutet aber nicht, daß deshalb ein aktives oder selektives Konsumverhalten eintreten würde.

Man kann zwar statt zwei gleich sieben Programmknöpfe durchschalten und schauen, wo was los ist, und dort hängenbleiben, wo es einem am besten gefällt. Die Erwartung jedoch, die Leute würden deshalb auch mehr fernsehen, ist nicht eingetreten. Die Zeit, die man für das Fernsehen verwendet, bleibt ungefähr gleich.

Die Fernsehgewohnheiten sind außerdem schichtenspezifisch,

„Der ORF ist ein Teil jenes Systems, das er kontrollieren sollte.” berufs- und bildungsspezifisch sowie altersspezifisch determiniert und nicht von der Quantität des Programmangebots — und auch nicht von der Qualität bestimmt.

Das heißt, daß eingefleischte Fernseher, die immer — gleich bei welchem Programm — fernsehen, sich auch im Vorabendprogramm wissenschaftliche Dokumentationen oder Diskussionen über Kulturpolitik ansehen werden und beim „Muäikantenstadl”, wenn er erst im Nachtprogramm gesendet wird, schlafen gehen.

Das Argument gegen privates Fernsehen, das seine Programmkosten einspielen muß, lautet stets, daß privates Fernsehen populäre Massensendungen mit seichtem Inhalt ausstrahlen würde, „Volksverdummung” wäre die Folge.

Diese Ansicht geht schon deshalb ins Leere, weil sich die öffentlich-rechtliche Anstalt ORF, die soviel auf ihren Bildungsauftrag hält, genauso verhält, als ob sie in einem ungeheuren Konkurrenzkampf um Einschaltziffern stehen würde.

Vielleicht beginnt die große Zeit für den ORF erst, wenn er die teure Versorgung'des breiten Publikums mit billiger Unterhaltungsware den Privatsendern überlassen kann. Der ORF selbst könnte dann qualitativ besser werden und neue Formen einer offenen Kommunikation der Gesellschaft mit sich selbst und ihren Lebensverhältnissen und Traditionen eröffnen.

Der ORF könnte zu einem öffentlich zugänglichen und wirklichen Medium der Partizipation und Kommunikation werden, anstatt — so wie heute — zurechtgemachte Öffentlichkeit zu transportieren. Der ORF könnte selbst Öffentlichkeit herstellen und nicht nur das Publikum mit Programm versorgen. Der ORF könnte Dinge, die uns bewegen, zur Sprache/Anschauung bringen.

Der Autor ist OVP-Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien.

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