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Eine Fiesta ohne Siesta

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Halbzeit bei der Expo in Sevilla. Seit der Eröffnung im April strömten 15 Millionen Besucher auf das Gelände. 36 Millionen sollten es bis Oktober sein, damit sich die Veranstaltung für die Spanier rechnet. Die Zeichen dafür stehen derzeit gut.

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Halbzeit bei der Expo in Sevilla. Seit der Eröffnung im April strömten 15 Millionen Besucher auf das Gelände. 36 Millionen sollten es bis Oktober sein, damit sich die Veranstaltung für die Spanier rechnet. Die Zeichen dafür stehen derzeit gut.

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Selbst wer keine Vorliebe für Großveranstaltungen dieser Art hat, wird wahrscheinlich beeindruckt, wenn nicht begeistert sein. Die Expo im andalusischen Sevilla ist in der Tat ein fulminantes Ereignis, ein großartiges Spektakel und eine gigantische Leistungsschau. Eröffnet wurde sie am 20. April; sie ist die letzte universelle Weltausstellung (die höchste Kategorie in der Hierarchie internationaler Ausstellungen) in diesem Jahrhundert.

Was die Spanier allein hier geleistet haben, um das Gelände für die mehr als 100 Pavillons herzurichten, ist beachtlich.

Standort für die unter dem Motto „Zeitalter der Entdeckungen" stehende Expo ist die früher kahle Cartuja-InselimFlußGuadalquivir. Der Name der Insel stammt von dem im 15. Jahrhundert errichteten Kartäuserkloster, das jetzt - im restaurierten Zustand -eine interessante Kulisse abgibt.

Gegen die sengende Hitze im Süden Spaniens schützen jetzt 25.000 Bäume und 300.000 Büsche, sorgen riesige Baldachine, Springbrunnen, Wasserspiele, Sprühregen für Abkühlung. Jedes Land konnte sich präsentieren, wie es wollte. Eine der wenigen Auflagen war die Verwendung von möglichst viel Wasser. Daher rieselt es, sprüht es, gurgelt es von den Fassaden vieler Pavillons, plätschert es im künstliehen See Lago de Espana. Das lädt ein zu gemütlichem Wandern, ohne Schwitzen, ohne Hektik. Die teilweise kuriosen, futuristisch-exzentrischen, witzig-originellen Pavillons sind sehr gut klimatisiert und allein vom Aufbau her schon sehenswert. Selbst der Vatikan ist da. Er schickte eine Kapelle mit einer Ausstellung über die Kirche in Amerika.

Theater- und Musikdarbietungen, bunte Shows, Exotik und High-Tech ergeben insgesamt ein buntes Spektakel mit Lichtershow, Feuerwerk und ähnliches. Rund 55.000 Kulturdarbietungen sollen bis Ende der Weltausstellung über die Bühne gegangen sein.

Vörden spektakulären Pavillons wie dem von Kanada oder Großbritannien bilden sich lange Menschenschlangen. Sehr langes Warten wird hier offensichtlich problemlos in Kauf genommen. Im - zu Recht als einfallslos kritisierten - Österreich-Pavillon amüsieren sich die Gäste über einen spaßigen Klavierspieler am Bösendorfer Computer-Flügel.

Der durchschnittliche Expo-Besucher steuert rund zweieinhalbmal die Expo an, errechneten die Statistiker. Daher müssen 36 Millionen Besucher auf das Gelände strömen, damit sich's für die Veranstalter dann letztendlich auch rechnet.

Die Besucher aus Spanien dominieren. Rund ein Viertel derGäste kommt aus Sevilla und Umgebung, 50 Prozent aus dem restlichen Spanien und ein weiteres Viertel aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland, Frankreich, Italien und den skandinavischen Ländern. Damit ist der Zustrom der Ausländer bis jetzt allerdings geringer ausgefallen als gewünscht. Doch die Veranstalter sind optimistisch. Die Sommer- und damit die Reisezeit hat erst begonnen.

Man ist erschlagen von der Fülle des Gebotenen. Von neun Uhr früh bis vier Uhr morgens ist das Gelände offen. Und wenn die Dunkelheit hereinbricht, dann zeigen die Sevillaner, daß für sie die Expo auch zugleich eine einzige Fiesta ist mit Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, wie sie so typisch ist für die heißblütigen Südländer.

Vertreten sind auch internationale Konzerne, die auf eine reine Austeilung ihrer Produkte verzichtet haben. Der Siemens-Pavillon beispielsweise ist schon mit seiner futuristischen, zylinderförmigen Architektur ein Blickfang auf dem Expo-Gelände. Siemens ist zum ersten Mal auf einer Weltausstellung mit einem eigenen Pavillon vertreten (der Konzern ist auch offizieller Lieferant der Expo-Telekommunikationstechnik).

Den Pavillon umgibt ein Sonnenschutzschild mit Tausenden von Plexiglasprismen, die computergesteuert - dem Sonnenstand folgend - um das Gebäude wandern, angetrieben vom Strom aus Solarzellen auf dem Dach des Gebäudes. Die Prismen reflektieren die wärmenden Infrarotteile der direkten Sonnenstrahlen. Das Himmelslicht durchdringt den Schutzschild und sorgt so für natürliche Lichtverhältnisse im Inneren.

Wirklich sehenswert bei Siemens ist „Concierto Evolucion - The Evolution of Networks". Dieser Film, produziert von jungen europäischen Filmemachern, zeigt das Spannungsfeld Natur und Technik, dazwischen der Mensch mit seinem - je nachdem - zerstörerischen oder segensreichen Tun.

Wenn man der Expo wieder den Rücken kehrt, kommt man als Österreicher nicht umhin zu denken: Schade um die vertane Chance einer - wenn auch kleiner konzipierten - Expo in Wien.

Andalusien will jedenfalls seine Chancen nützen. Die Region, eine der ärmsten Spaniens (28 Prozent Arbeitslosigkeit) und bisher nur bekannt für seine Kulturschätze, Sonne, Strand und Meer, dazu Carmen, Flamenco, Sherry, rassige Pferde und die unvermeidlichen Stierkämpfer setzt auf Hochtechnologie. Diese soll ein weiteres, zukunftsträchtigeres Standbein werden. Die Expo ist für das Land ein großes Brett für diesen Sprung nach vorne. Dabei soll auch das weitläufige, 215 Hektar große Gelände genutzt und neu gestaltet werden. Einige Konzerne zeigen Interesse für die Nutzung als Technologiepark.

Die moderne Infrastruktur ist groß-teils jetzt ja vorhanden. So verbinden eine neue Autobahn und ein Hochleistungszug Sevilla mit der Hauptstadt Madrid, ein neues Flughafengebäude und ein neuer Bahnhof gehören ebenfalls dazu. Ob die Investoren wirklich anbeißen, wird sich erst zeigen.

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