Als der jetzige Präsident des Tschad Hissene Habrė seinen Kontrahenten Goukouni Qued- dey Anfang 1982 in die Flucht geschlagen und außerLandes gejagt hatte, trieb sich letzterer mit nicht mehr Habe in der Hand wie einem Koffer in Kongo-Brazzaville und Algier herum. Auch von hier wurde der Sohn des letzten Tubu- Häuptlings als unerwünschter Ausländer hinauskomplimentiert — um unter Oberst Gaddafis Fittichen zu landen.
Bei einer Pressekonferenz anläßlich des ersten geplatzten Afrika-Gipfels in Tripolis wurde Goukouni dann von den Libyern als „unser Mann im Tschad“ präsentiert. Daraufhin scheiterte nicht nur die August-, sondern auch die Novemberkonferenz der OAU (Organisation Afrikanischer Einheit) im vergangenen Jahr: 38 von 50 Afrikastaaten legitimierten Habrė.
Unterdessen wurde von den Libyern in aller Stille die Goukou- ni-Armee aufgebaut. In Ausbildungslagern von Gaddafis „Islamischer Legion“ fanden sich zusammen mit den Tschad-Kriegern Arbeitslose aus Niger, Nigeria, Mali, „umgekehrte“ tunesische, sudanesische und ägyptische Gastarbeiter ein, die sich als Gegner ihrer heimatlichen Regime „eingekauft“ hatten oder zwangsrekrutiert worden waren.
Bald merkten die libyschen Ausbildner, daß sie diesen dürftigen Menschenhaufen zunächst drillen müßten, bevor sie ihn als Kanonenfutter einsetzten. Im Mai dieses Jahres war es soweit. Gaddafis „Islamische Legionäre“ und Goukounis Kämpfer mußten aber dennoch libysch aufgestockt, ausgerichtet und logistisch abgesichert werden, als sie im Tschad vorrückten und die Habrė-Armee aus Faya Largeau vertrieben.
Zögernd besann sich Frankreich seines Bündnisvertrages mit dem Tschad aus dem Jahr 1976. Damals standen Goukouni und Habrė in den „Forces Armėes du Nord“ (FAN) noch Seite an Seite. Heute bekämpfen sie sich im ärmsten Land der Welt auf Leben und Tod; ironischerweise meistens mit denselben Waffen „Made in France“.
Bis Mitte August stießen die Goukouni-Gaddafi-Heerscharen — in jeder Beziehung überlegen — etwa bis zur „grünen Linie“ Bilti- ne-Moussoro-Mao vor. Hier stehen ihnen nicht nur Habrės Truppen, sondern auch ein wahr scheinlich 3000 Mann starkes französisches Kontingent gegenüber. Oberst Gaddafi kann sich jetzt ausrechnen, was seiner Heerschar blüht, sollte er die seit Wochen anhaltende Waffenruhe brechen.
Kritiker des französischen Präsidenten meinen: Hätte der Elysėe-Palast sein Expeditionskorps um vier Wochen früher eingesetzt, wäre der Feldzug der Libyer wahrscheinlich unterblieben, und Hunderte arme Teufel hätten nicht im Sand verbluten müssen.
Aber das Zögern Mitterrands hatte auch handfeste wirtschaftliche Gründe: Während der siebziger Jahre war Frankreich der dritte Handelspartner Libyens und nach der Sowjetunion der zweitstärkste .Waffenlieferant — und das will nach dem Zehn-Mil- liarden-Dollar-Geschäft zwischen Moskau und Tripolis von 1975 etwas heißen.
150 Mirage-Düsenjäger verschiedener Typen, 12 Fouga-Ma- gister-Kampf bomber, 40 Helikopter aller Art, 10 Raketen-Schnell- boote, 200 AMX-Panzer, Anti- tank- und Luft-Luft-Raketen scheinen in Ermittlungen des Londoner Institutes für Strategische Studien auf. Angesichts dieser Zahlen lächeln die Experten: „Da ist noch viel mehr drin als das, was in den Akten steht.“ Sollte sich Gaddafis Tschad- Operation — ebenso wie frühere derartige Unternehmungen — als ein Schlag ins Wasser erweisen, sind möglicherweise ernsthafte Rückwirkungen in seinem Land zu erwarten. Dieser Eindruck herrschte auch während der Pressekonferenz der Obersten in Mo- nastir (Tunesien) vor, als Gaddafi alle „peinlichen“ Fragen zur Sache unter den Tisch fallen ließ.