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Eine Gefahr für die Kirche?

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Steckt hinter der römischen Skepsis gegenüber der Theologie der Befreiung Angst um die eigene Autorität? Diese provokante Frage sei hier zur Diskussion gestellt.

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Steckt hinter der römischen Skepsis gegenüber der Theologie der Befreiung Angst um die eigene Autorität? Diese provokante Frage sei hier zur Diskussion gestellt.

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„Kann man überhaupt Theologie betreiben in der Welt des Elends und der Unterdrückung?" fragte vor zwei Jahren in einem Zeitungsartikel („O Säo Paulo" vom 19. August 1982) der peruanische Theologe Gustavo Gutierrez. Deutlicher: Können wir über einen „lebendigen" Gott reflektieren, während die Armen weiterhin „vorzeitig sterben", wie der große Apostel Lateinamerikas Bartolomeo de las Casas einst formulierte?

Schon diese zwei Sätze zeigen, daß wir uns der Theologie der Befreiung nicht im Schuhwerk der guten alten . europäischen Aufsatz- und Vorlesungs-Theologie nähern können.

Alle Vergleichs- und Kategori-sierungsversuche scheitern an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die vom Klassenkampf geprägt ist, ohne daß es dazu irgendwelcher von Marx beeinflußter Theologen bedürfte. Der Klassenkampf in Lateiriamerika ist ein Faktum, wer einmal drüben war, weiß es. Der Belege gibt es leider Legion. Wenn nun Leonardo Boff davon spricht, daß die organisierende Achse einer Gesellschaft in ihrer spezifischen Produktionsweise besteht, meint er damit lediglich, daß auch die Kirche — no-lens volens — wie Boff betont, durch diesen, vom Klassenkampf geprägten, gesellschaftlichen Kontext „bedingt, eingegrenzt und bestimmt" wird.

Da sich nun einmal sowohl die Diktatoren, Militärs und Großgrundbesitzer, als auch die von ihnen unterdrückten Campesinos als Kirchenmitglieder, ja fromme Christen verstehen, andersherum: Kirche nicht im luftleeren Raum schwebt, sondern, speziell in Lateinamerika, in eine vom Klassenkampf geprägte Gesellschaff eingebettet ist, bleibt es unvermeidlich, daß die Konflikte zwischen den Klassen auch die Kirche zerreißen.

Es ist ein Irrtum, wenn man wie Kardinal Höffner aus Köln meint, die maßgeblichen Theologen der lateinamerikanischen Befreiungstheologie verkürzten das Evangelium zu einer rein innerweltlichen Heilslehre. In Wirklichkeit benützen sie den marxistischen Klassenkampf-Begriff lediglich als Verständnishilfe zur Erklärung konkreter gesellschaftlicher Zustände und sonst nichts. Sie sind in ihrer Spiritualität eher als konservativ zu bezeichnen, um es mit diesem problematischen Begriff zu beschreiben.

Nur: Wie der demokratische Marxist (Es gibt kaum einen sten (und nicht nur des Klerus oder des von diesem Klerus geduldeten möglichst unkritischen Laien) in aller Breite auch innerhalb der Kirche zum Durchbruch gelangen, kommt das hierarchische Prinzip in der Kirche ins Wanken. Beide Vorgänge rütteln an der jahrhundertelang geltenden Machtverteilung in der Kirche.

Dazu Boff: „Die Basisgemeinden bilden dieses Volk, das sich auf dem Weg weiß. Ihre Existenz bedeutet eine Herausforderung für die Hierarchie, die alle religiöse Macht monopolartig an sich gezogen hat. Die Hierarchie hat sich ... wieder als Dienst zu verstehen und nicht mehr als Macht, die man eben aufgrund von Macht ausübt." In bürgerlich-feudal-

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