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Eine gewisse Trendumkehr

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Bei den Aufgaben der Umweltpolitik handelt es sich um langfristige Strukturprobleme, die bis zu einem gewissen Grad unabhängig von der Konjunkturentwicklung einer Lösung zugeführt werden müssen. Die Verbesserung des Umweltschutzes ist, so gesehen, eine gesellschaftspolitisch relevante Daueraufgabe.

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Bei den Aufgaben der Umweltpolitik handelt es sich um langfristige Strukturprobleme, die bis zu einem gewissen Grad unabhängig von der Konjunkturentwicklung einer Lösung zugeführt werden müssen. Die Verbesserung des Umweltschutzes ist, so gesehen, eine gesellschaftspolitisch relevante Daueraufgabe.

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Ob es sich nun um Maßnahmen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden im Umweltschutz handelt — es steht außer Zweifel, daß die Fortführung wichtiger Projekte zur Verbesserung des Umweltschutzes für das weitere wirtschaftliche Wachstum ebenso unerläßlich ist wie für die Sicherung und Erhaltung einer ausreichenden Lebensqualität. Gerade die vielfältigen Aufgaben der Gemeinden in der Umweltpolitik lassen sich kaum mit der Konjunkturentwicklung abstimmen. Ob es sich um Probleme der Abwässerfoe-seitiigung, der Müllabfuhr und der Straßenreinigung handelt, oder aber um die langfristigen Aufgaben, die die Gemeinde als Umweltplanungsbehörde vornimmt, es ist gerade die Langfristigkeit dieser Projekte, die eine Berücksichtigung konjunktureller Gegebenheiten nur bis zu einem gewissen Grad möglich macht. Es Es mag richtig sein, daß in Zeiten der Hochkonjunktur die Einnahmenentwicklung der Gebietskörperschaften günstiger ist und dies an sich für vermehrte Anstrengungen auch zur Beseitigung und Reduktion der Umweltbeeinträchtigungen spricht. Dennoch gibt es auch Argumente, die für vermehrte Anstrengungen in der Umweltpolitik gerade in Zeiten der Konjunkturverflachung sprechen: Gilt es dann doch, durch vermehrte öffentliche Investitionen die Konjunkturentwicklung entsprechend zu beleben.

Die gegenwärtige Phase der Konjunkturentwicklung ist wohl durch eine gewisse Abschwäehung gekennzeichnet, es ist aber noch nicht abzusehen, ob es sich dabei um eine länger andauernde Rezession handelt. Dennoch hat mit dem Konjuniktur-belebungsprogramm der Bundesregierung eine gewisse Trendumkehr in der Konjunkturpolitik eingesetzt: Die Phase eines gewissen — in der Praxis nicht immer konsequent ver-

folgten — Vorranges der Stabilitätspolitik seit 1972 ist zweifellos damit beendet. Nunmehr treten Maßnahmen der Konjunkturbelebung und der Absicherung vor weiteren Konjunktureinbrüchen in den Vordergrund. Dies spricht dafür, daß nicht nur Bund und Länder, sondern auch die in der Umweltpolitik so stark engagierten Gemeinden vermehrte Anstrengungen zur Beseitigung von Umiweltschäden durch vermehrte einschlägiga Investitionen leisten sollen.

Schon im Rahmen ihrer Flächenwidmung haben die Gemeinden die Möglichkeit, zukünftigen Umweltschädigungen vorzubeugen. Eine sinnvolle Abstimmung der für die Wirtschaft und das Wohnen gewidmeten Flächen — nicht unbedingt eine völlige Trennung — kann Emissionsschäden der Wohngebiete ebenso vermeiden helfen wie wechselseitige Beeinträchtigungen durch die in ihrer Art sehr verschiedenen Unternehmungen. Für die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend ist die Erarbeitung entsprechender Grenz- und Schwellenwerte für die noch zulässige Umweltbeeinträchtigung. Gerade vor Investitionen müssen sich die Unternehmensleitungen im klaren darüber sein, mit welchen Belastungen sia durch die Schutzmaßnähmen der Umweltpolitik rechnen müssen. Schon das Gemeinderecht kennt heute im Bereich fast aller Groß- und Mittelstädte ortspolizeiliche Gesundheitsschutzverordnungen. Darüber hinaus wird am Aufbau eines weit gestreuten Meßstellenapparates zur Registrierung der Luftqualität gearbeitet, woraus sich weitere Grundlagen für eine einheitiche Messung der Luftverunreinigungen im ganzen Bundesgebiet ergeben. Die Sicherung einer ausreichenden Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft verlangt eine mög-

lichst weitgehende internationale Abstimmung im Umweltschutz.

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung muß gesagt sein, daß die Unternehmer an einem sinnvoll konzipierten Umweltschutz interessiert sind. Selbstverständlich gilt dies nur insoweit, als durch entsprechende internationale Absicherung und eine langfristige Konzeption der Finanzierung des Umweltschutzes Wettbewerbsbeeinträchtigungen untragbarer Art vermieden werden. Letztlich leiden heute auch zahlreiche Unternehmungen unter den Schäden der Umweltbeeinträchtigung. Was die Finanzierung des Umweltschutzes anbelangt, so geht es zunächst um den Grundsatz, daß die Verursacher der Umweltschäden auch für deren Beseitigung oder Eindämmung Sorge zu tragen halben. Dieses an sich selbstverständliche Verursacherprinzip erfährt freilich in der Praxis weitgehende Einschränkungen. Schon die Zuordnung ist eine überaus schwierige Sache. So wird es kaum möglich sein, in einer Gemeinde mit starkem Individual-verkehr und intensiver wirtschaftlicher Tätigkeit etwa die Anteile des Kraftfahrverkehrs, der Heizung und der betrieblichen Emittenten von Schadstoffen entsprechend auseinanderzuhalten. Man wird daher allmählich gewisse Erfahrungswerte ermitteln müssen. Überdies dürfte feststehen, daß ein Teil der Umweltschäden nur über öffentliche Finanzierung beseitigt werden kann. Es geht um die Erarbeitung langfristiger Finanzierungskonzepte, aber auch um institutionelle Vorkehrungen. Die große Bedeutung, die bereits vorhandene Finanzierungsträger, wie der Wasserwirtschaftsfonds, für die Verbesserung der umweltrelevanten wirtschaftlichen Infrastruktur haben, muß durch neue Finanzierungsträger ergänzt werden. So spricht gerade das Interesse der kleineren und mittleren Gemeinden dafür, über einen Umweltschutzfonds Finanzierungshilfen, sei es durch öffentliche Kredite oder durch Annuitäten- und Zinsenzuschüsse, zu erhalten, um ihre einschlägigen umweltrelevanten Projekte realisieren zu können. Die Mehrheit der österreichischen Gemeinden ist schon auf Grund ihrer Größe und Finanzie-

rungskraft nicht in der Lage, auch nur die wichtigsten Investitionen dieser Art aus eigener Kraft durchzuführen. So übersteigen die Kosten für noch durchzuführende Kanalisationen bei vielen Gemeinden die Ausgabesummen in den Gemeindebudgets für einige Jahrzehnte. Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß die Umweltpolitik für die kleineren Gemeiden deshalb von geringerer Bedeutung sei, weil sich diese mehr in ländlichen Gebieten befinden. Gerade viele mehr ländlich strukturierte Gemeinden haben durch eine allzu sorglose Baupolitik die Entstehung und Weiterentwicklung einer breit gestreuten Siedlungsweise gefördert. Dadurch sind gewaltige zukünftige Finanzierungsaufgaben auf diese Gemeinden deshalb von geringerer Bereich der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung als auch der Müllabfuhr. Immer mehr Gemeinden gehen daran, diese Aufgaben zum

Teil über private Firmen durchführen zu lassen. Anderseits steht außer Zweifel, daß die größeren Gemeinden in der Regel schon heute mehr Umweltbeeinträchtigungen aufweisen und daß daher gezielte Maßnahmen zur Eindämmung und Beseitigung der Schadensquellen von vordringlicher Bedeutung sind. Gerade beim Städtebau besteht eine besondere Chance für umweltbewußte Maßnahmen, soweit es um eine Umgestaltung des überkommenen Stadtbildes geht, wie etwa bei der Sanierung der Kemgebiete, aber auch bei der Planung neuer Siedlungen und Entwicklungsachsen.

Die Wirtschaft ist in besonderer Weise daran interessiert, daß die Aufgaben des Umweltschutzes auch auf der Ebene des Bundes wirksamer

als bisher wahrgenommen werden. Mit der Errichtung eines eigenen Bundesministeriums ist es da nicht getan. Es geht um eine wirksame Koordinierung der zahlreichen Stellen, die heute auf Bundes-, Landesund Gemeindeebene und bei verschiedenen Wirtschaftsorganisationen umweltpolitische Fragen behandeln, weiters um die Erarbeitung der schon erwähnten langfristigen Finanzierungskonzepte, schließlich aber auch um die Sicherstellung jener technischen und technologischen Vorbedingungen für einen umfassenden Umweltschutz, die zu einer objektiven Meßbarkeit von Umwelt-schäden ebenso erforderlich sind wie zu einer Abschätzung der einschlägigen Kosten bei zukünftigen Investitionen.

Umweltpolitik ist eine weit über die Wirtschaft hinausreichende Aufgabe der gesamten Gesellschaftspo-

litik geworden. Dabei zeigt sich, daß Raumordnung und Umweltschutz immer mehr als gemeinsame Aufgabe gesehen werden müssen. Mit der zunehmenden Bevölkerung wird der Raum an sich knapper. In Österreich als einem relativ dünn bevölkerten Land mag dieser Gesichtspunkt noch nicht diese entscheidende Rolle spielen; dennoch ist es notwendig, gerade die Umweltaufgaben in einer sehr langfristigen Konzeption zu sehen. So gesehen, geht es um die Gestaltung einer Raumordnung auf allen Ebenen, von der Gemeinde bis zum Bund, die zu einer möglichst umweltschonenden weiteren Entwicklung der Wirtschaft führt, nicht nur im Bereich des Bauens, sondern um eine umweltbewußte Gestaltung des Wirtschaftsraumes schlechthin.

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