6941572-1983_29_05.jpg
Digital In Arbeit

Eine Grenze geht durch Österreich

19451960198020002020

Diese Grenze scheint in keiner Landkarte auf, nur in der Statistik: In Österreich ist eine regionale Zweiteilung im Gang. Dagegen muß mit Maßnahmen angekämpft werden.

19451960198020002020

Diese Grenze scheint in keiner Landkarte auf, nur in der Statistik: In Österreich ist eine regionale Zweiteilung im Gang. Dagegen muß mit Maßnahmen angekämpft werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Die regionale Zweiteilung Österreichs ist im Gang. Die West-Ost-Schere klafft schon heute weit auseinander.

Das Ausmaß dieser regionalen Zweiteilung wird aus den statistischen Arbeitsmarkt-, Einkommens- und Wirtschaftsdaten klar ersichtlich.

Die Zahl der Arbeitslosen pro offener Stelle ist etwa in Ost- und

Südösterreich signifikant höher als in Westösterreich.

In einzelnen Problembezirken nimmt die Arbeitslosigkeit dramatische Formen an: Die Zahl der Arbeitslosen je offene Stelle beträgt in Zwettl (Niederösterreich)

34.2, in Stegersbach (Burgenland)

30.3, in Voitsberg (Steiermark) 33,8 und in Wolfsberg (Kärnten) 23,1. Die prozentuellen Steigerungsraten innerhalb von zwei Jahren liegen teilweise zwischen 600 und 800 Prozent.

Für die Jugend sind die beruflichen Startchancen in Ostösterreich besonders schlecht: Jeder dritte Arbeitslose in Niederösterreich, in der Steiermark, in Kärnten und in Oberösterreich ist unter 25 Jahre alt.

In manchen Agrar- und alten Industriegebieten werden — mangels Beschäftigungschancen — regionale Verfallsprozesse ausgelöst, weil Arbeitskräfte gezwungen sind, abzuwandern oder auszupendeln.

Die Industrie hat zwischen 1979 und 1982 rund 36.000 Arbeitsplätze verloren, davon etwa 90 Prozent im Osten Österreichs.

Ein Kaufkraft- und Einkom mensvergleich zeigt erhebliche Unterschiede zwischen städtischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum: 1970 betrug der Unterschied zwischen dem regional höchsten (Wien) und dem niedrigsten Bruttomonatsverdienst (Burgenland) 44 Prozent, im Jahr 1982 hingegen schon 53,2 Prozent.

Auch in der Statistik der Betriebsgründungen bzw. Betriebsschließungen zeigt sich dieses deutliche Gefälle: Während in Tirol, Vorarlberg, Salzburg und Kärnten die durch Betriebsgründungen neu gewonnenen Arbeitsplätze überwiegen, lag im Osten (Wien, Niederösterreich, Steiermark, Burgenland) die Zahl der durch Betriebsschließungen verlorenen Arbeitsplätze um über 42 Prozent höher als der Gewinn an Arbeitsplätzen durch Neugründungen.

Wird der wirtschaftspolitische Kurs der letzten Jahre weiter fortgesetzt, ist eine Verschärfung dieser Entwicklung zu befürchten. Das Ausmaß der Staatsverschuldung hat den Spielraum für regional wirksame Maßnahmen spürbar eingeschränkt. Und das herbstliche Steuerpaket der Regierung wird die ohnehin wirtschaftlich schwachen Regionen — durch Abschöpfung weiterer Kaufkraft—mit voller Härte treffen, während sich die Vergabe von Subventionen und Förderungen nach wie vor auf die Ballungszentren konzentriert.

Worauf also noch warten?

Die Volkspartei hat daher ein Konzept gegen diese regionale Zweiteilung ausgearbeitet. Dabei soll als erster Schritt zur regionalen Entspannung eine Mittelstandsoffensive eingeleitet werden.

Warum Mittelstand? Weil die Möglichkeiten der Klein- und Mittelbetriebe die ideale Voraussetzung für eine Verbesserung der regionalen Wirtschafts-, Einkommens- und Arbeitsmarktsituation darstellen.

Deshalb soll durch die

• Schwerpunktverlagerung von der direkten zur indirekten Wirtschaftförderung,

• Verstärkung regionaler

Schwerpunkte (weniger, aber gut dotierte Aktionen) im Rahmen des direkten Förderungssystems und

• Schaffung einer bundesweiten Neugründungsaktion für Klein- und Mittelbetriebe mit regionaler Staffelung des Förderungssatzes eine Welle von Betriebsgründungen bewirkt werden.

Das allein wird nicht genügen. Daher sollten auch strukturpolitische Maßnahmen ins Auge gefaßt werden, um die industrielle Dynamik in den ländlichen Regionen und alten Industriegebieten wiederherzustellen. Dazu müßte aber auch die Innovationsund Anpassungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft spürbar verbessert werden. Die Vorschläge reichen hier vom Aufbau regionaler Betriebsansiedlungsgesell- schaften über die Anhebung des Innovationsfreibetrages von fünf auf 20 Prozent für Unternehmen in strukturschwachen Industrie gebieten bis zur verstärkten Förderung von Betriebskooperationen.

Daß das alles nicht nur- graue Theorie ist, kann die Praxis in Niederösterreich, das aufgrund seiner geographischen Situation eine Sonderstellung einnimmt, zeigen. In der Wirtschaftsförderung hat das Land beispielsweise auf mehreren Ebenen neue Wege eingeschlagen.

Das neue Raumordnungsprogramm für Gewerbe und Industrie unterteilt nicht nur das Land in vier Förderungszonen, auch die Förderungsschlüssel sind differenziert.

Einmalig in Österreich ist auch Landeshaftung für innovative Betriebe: Damit werden Investitionen für Sachanlagen, Entwicklungen, Forschungen, Fertigungsüberleitungen und die Markterschließung gefördert.

Ein anderer Bereich, der in Zukunft aus mehreren Gründen bedeutsamer werden dürfte und müßte, ist die Dorferneuerung.

Die sogenannte „Stadterneuerungsmilliarde“ wurde nur zu einem Drittel ausgenutzt. Mit einem Teil des nicht ausgeschöpften Restes von 700 Millionen Schilling wäre eine entscheidende Hilfe für die Klein- und Mittelbetriebe im ländlichen Raum möglich.

Auch in Verkehrsverbundsy- stemen liegt eine Chance, gegen die Zweiteilung Österreichs anzukämpfen. Daher ist die Einigung über den Verkehrsverbund Ost eine zukunftsorientierte Entscheidung: Sie bringt bis zu 20 Prozent Kostenersparnis und eine qualitative Verbesserung für die Benützer öffentlicher Verkehrsmittel.

Selbstverständlich müssen den Leistungen der Länder — hier ansatzweise am Beispiel Niederösterreichs aufgezeigt — entsprechende Ėinnahmen gegenüberstehen. Zu diesen gehört beispielsweise der Finanzausgleich, dessen Mittel aber gerechter als bisher verteilt werden müssen: im Interesse einer gezielten Regionalpolitik.

Der Autor ist Landeshauptmann-Stellvertreter von Niederösterreich und regionalpolitischer Sprecher der OVP.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung