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Eine Großaktion gegen die Spitzhacke

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Wer die Bemühungen in ganz Europa aufmerksam verfolgt, weiß, daß die historischen Kerne der meisten bedeutenden Städte längst nicht mehr so bedroht sind wie die Dörfer, Märkte und Bezirksstädte. Dies läßt sich auch in der Steiermark deutlich ablesen. In der Landeshauptstadt ist seit der Großaktion „Rettet die Grazer Altstadt” 1972(107.000 Unterschriften) nur noch ein Haus widerrechtlich der Spitzhacke zum Opfer gefallen, im ländlichen Raum erleben wir hingegen noch gar manchen Substanz verlust.

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Wer die Bemühungen in ganz Europa aufmerksam verfolgt, weiß, daß die historischen Kerne der meisten bedeutenden Städte längst nicht mehr so bedroht sind wie die Dörfer, Märkte und Bezirksstädte. Dies läßt sich auch in der Steiermark deutlich ablesen. In der Landeshauptstadt ist seit der Großaktion „Rettet die Grazer Altstadt” 1972(107.000 Unterschriften) nur noch ein Haus widerrechtlich der Spitzhacke zum Opfer gefallen, im ländlichen Raum erleben wir hingegen noch gar manchen Substanz verlust.

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Zur Ehre der Landespolitiker aller Fraktionen sei gesagt, daß sie dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz des Jahres 1974 schon 1977 ein Ortsbilderhal-tungs- und Gestaltungsgesetz für das ganze Land folgen ließen. So gibt es nicht nur drei Schutzzonen für die Grazer Altstadt, die mit rund 300 Hektar sogar ein internationales Vorbild sind, auch nach dem Ortsbildgesetz wurden inzwischen zehn Schutzzonen durch die Landesregierung beschlossen, 20 weitere sind in Vorbereitung.

Es bedarf jedoch nicht nur der Gesetze, mindestens so wichtig ist die Gesinnung. Aus dieser Überlegung ist die

Idee zum „Jahr der Ortsbildpflege in der Steiermark” gewachsen. Es soll den Zeitraum vom Nationalfeiertag 1980 bis zum Nationalfeiertag 1981 umfassen und drei große Ziele anpeilen!

• Umfassende Ortsbildpflege und Ortsbildgestaltung, bei der die besten Architekten, Baumeister und Bauhandwerker des Landes mittun sollen.

• Durchgreifende Revitalisierung zahlreicher Althäuser und ihre Ausstattung mit zeitgemäßer Wohnkultur. Schätzungen haben ergeben, daß man in ganz Osterreich für die Sanierung verbesserungswürdiger Wohnungen mindestens 30 Milliarden Schilling brauchen würde.

Wollte man die gleiche Zahl Wohnungen neu bauen, wären etwa 600 Milliarden aufzubringen. Das bedeutet: Umschichtung der Wohnbaumittel zu Gunsten der Altstadt- und Althaussanierung, Förderung von Modellsanierungen, Schaffung von Wohnungseigentum in den historischen Zentren.

• Mehr Grün vor der Haustür. Damit ist nicht nur der heimische Baum gemeint, den es neuerlich zu entdecken gilt, es ist auch an die verschiedenen Sträucher und Klettergewächse (Wilder Wein, Mauerkatze usw.) gedacht.

Anläßlich der beiden Nationalfeiertage sollten aber nicht nur die Gemeindeväter aktiv werden und beispielsweise eine „Dorflinde” pflanzen, viel wichtiger ist das Pflanzen von Bäumen in den Wohnanlagen und vor den ungezählten Ein- oder Mehrfamilienhäusern. Die Vorteile von Baum und Strauch sind bekannt, sie können noch um eine weitere Dimension „anwachsen”. Landtagspräsident Hanns Koren hat wiederholt davon gesprochen, daß man Bausünden mit dem „Mantel der grünen Barmherzigkeit” recht gut zudecken könne.

Die Initiative zum „Jahr der Ortsbildpflege” ist vom „Internationalen Städteforum Graz” ausgegangen, jener Institution, die sich seit Jahren bemüht, die Erfahrungen in der Altstadtarbeit und Ortsbildpflege zu sammeln und weiterzugeben, damit nicht alle Stadt-und Gemeindeväter beim Punkt Null beginnen. Der Hauptpartner der Aktion ist die Landesbaudirektion (Landesregierung), doch arbeiten auch der österreichische Städtebund, der Steiermärkische Gemeindebund, die Handelskammer und die Landwirtschaftskammer sowie weitere wichtige Institutionen und Jugendorganisationen mit.

Die Aktion wird auch von Wissenschaftsministerium und Bautenministerium kräftig unterstützt. Die Schirmherrschaft hat der Europarat in Straßburg übernommen, der die Bemühungen um die Revitalisierung der Grazer Altstadt im Vorjahr mit der Goldmedaille auszeichnete.

Internationale Konferenzen zur Problematik des Bausubstanz-Verlustes veröffentlichten beschwörende Appelle, man möge alte Bauernhäuser, Mühlen, Scheunen, Gasthöfe, Sägewerke, Industriebauten ja nicht abreißen, sondern erhalten und - wo es geht - mit neuen Funktionen erfüllen.

Auch für die Rettung und Revitalisierung alter Schlösser gelten diese Aufrufe, und es sind bereits Aktionsgruppen im Entstehen, die darauf hinarbeiten, in erhaltungswürdigen Schlössern Volks- und Hauptschulen, Kindergärten, Bibliotheken und Kulturzentren unterzubringen. Eines der schönsten Beispiele dieser Art besitzt die Steiermark im Schloß Gleinstätten. Aus einer Ruine wurde eine Bildungsund Kulturstätte, die Aug' und Herz erfreut. Eine großartige Leistung der weststeirischen Gemeinde und der Grazer Architektengruppe „Team A”.

Weil ein Bewußtseinswandel auch der geistigen Vorbereitung bedarf, hat sich in der Steiermark ein „Probegalopp” angeboten. Raiffeisen-Bauspar-kasse, Landesbaudirektion und „Kleine Zeitung” starteten kürzlich die

Kampagne „Unsere Steiermark wird schöner”, bei der Baufachleute und Kommunalpolitiker wie bei einem „Wanderzirkus” von Region zu Region ziehen. Nach einem „Bautag” für Bürgermeister und Baufachleute im überfüllten Saal des Grazer Raiffeisen-hofes gab es im ersten Halbjahr vier Bauabende in verschiedenen Bezirken; das zweite Halbjahr wird weitere vier oder fünf Bauabende bringen. Bisher registrierte man jeweils Rekordbesuch, die Gäste sind an allen Fragen der Sanierung von Altwohnungen, aber auch an der Ortsbildpflege und einer baumreichen, gesunden Umgebung überaus interessiert.

Im Raiffeisenhof sowie bei den bisherigen Veranstaltungen in Weiz, Tro-faiach und Veitsch fand auch die einschlägige 24seitige Farbpublikation großen Anklang. Da geht es um die Unverwechselbarkeit der, Ortsbilder, um das „Gesicht der Straße” am Beispiel von Fenstern, Fassaden und Toren, um die Vorstellung mustergültiger Restaurierungen, um das Wohnen in alten Räumen, die zeitgerechte Sanierung von Bauernhäusern und die Vorstellung von Modellsanierungen wie etwa in der Grazer Schmiedgasse oder in der Raubergasse. Auch die Aktion „Steirer pflanzen Bäume” wird den Lesern nachdrücklich empfohlen.

Schließlich gibt es das „Grüne Telefon” mit einem Hinweis auf alle jene Stellen in der Steiermark, die mit Rat und Hilfe eingreifen können. Da können natürlich auch der Landeskonservator oder der Heimatschutz in der Steiermark bzw. die „Aktion Ortsidee” nicht fehlen.

Eine Doppelseite mit hübschen Details spricht die Mahnung aus, das Unverwechselbare zu pflegen und zu erhalten. Dazu wird auch die Begründung_ge-liefert: „Warum kommen jährlich abertausende Touristen, Erholungssuchende und Kunstfreunde nach Österreich? Um Betonsilos zu sehen, die es überall gibt? Wohl eher deshalb, weil wir noch in weiten Zonen über eine halbwegs intakte Landschaft verfügen und weil es bei uns eine vielfältige, ei-. genständige Kultur zu erleben gibt.”

Im Kapitel „8 Seiten Praxis” geht es um Fragen der Förderung und Finanzierung, aber auch um Ratschläge für das Bauhandwerk. In der Einleitung dieses Abschnittes heißt es: Revitalisie-ren bedeutet ein Stück Steiermark für künftige Generationen erhalten und weiter entwickeln.

Der Autor ist Redakteur der „Kleinen Zeitung”, Graz.

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