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Eine heitere und lebensfrohe Natur

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Ohne Pathos nahmen die Südtiroler Katholiken die Amtsübergabe von Bischof Joseph Gargitter an den jungen Theologieprofessor P. Wilhelm Emil Egger auf.

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Ohne Pathos nahmen die Südtiroler Katholiken die Amtsübergabe von Bischof Joseph Gargitter an den jungen Theologieprofessor P. Wilhelm Emil Egger auf.

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Punkt 12 Uhr am 29. Juli 1986 ging ein Abschnitt in der Südtiroler Kirchengeschichte zu Ende: die überraschten Südtiroler hörten — nachdem die Sperrfrist vom Vatikan aufgehoben worden war — im Sender Bozen der RAI die Nachricht, daß sie einen neuen Diözesanbischof erhalten hatten. Bischof Joseph Gargitter war nach 34j ähriger Amtszeit aus Gesundheitsgründen zurückgetreten, Kapuzinerpater Wilhelm Egger zu seinem Nachfolger ernannt.

Die Überraschung galt weniger dem Rücktritt als solchem, sondem mehr dem Zeitpunkt und dem Nachfolger. Allgemein war das Ausscheiden Gargitters für den Herbst erwartet worden. Doch dann kam alles anders als erwartet — und doch eigentlich ganz im Stil des bisherigen Bischofs: eine konsequente Folgerung aus seinem angegriffenen Gesundheitszustand; eine rasche, zeitlich perfekt abgestimmte Amtsübergabe ohne Wenn und Aber; kein Pathos, doch viel menschliche Wärme. So kannten die Südtiroler ihren Bischof, der ein Kapitel Südtiroler Zeitgeschichte geschrieben hat — nicht nur im kirchlichen Bereich.

Mit Bischof Gargitter ist eine der beiden bestimmenden Südtiroler Persönlichkeiten aus dem aktiven öffentlichen Leben ausgeschieden; bei Landeshauptmann Silvius Magnago wird es — wenn überhaupt - in zwei Jahren der Fall sein.

Bischof Gargitter hat kraft seiner unbestrittenen Autorität Kirchengeschichte in Südtirol geschrieben, nicht zuletzt durch seinen größten konkreten Erfolg 1964. Damals wurde der Traum der Südtiroler Katholiken Wirklichkeit, als aus den zwei getrennten Diözesen Brixen und Trient eine einzige Südtiroler Diözese Bozen-Brixen geschaffen wurde — übrigens parallel zur Ziehung der neuen Diözesangrenzen in Nordtirol und im Burgenland. In die Zeit dieses seines größten Erfolges fiel auch das Zweite Vatikanische Konzil, das für Bischof Gargitter nach eigenen Aussagen zu einem Schlüsselerlebnis wurde: in der Tat wurde aus einem zuweilen harten, wenn nicht gar autoritären, ein verständnisvoller, ein achtunggebietender, ein weiser Bischof.

Mit dem jugendlichen Heißsporn, der er im Jahr seiner Weihe 1952 als jüngster katholischer Bischof noch war, war es vorbei. Er hatte sich Ansehen in allen drei Sprachgruppen - und nicht nur bei den Gläubigen - erworben: sein Name bürgte für Solidarität und Menschlichkeit, für Toleranz und Offenheit in gleichem Maß wie für Standfestigkeit und Konsequenz, für die Mündigkeit der Laien, für die Schärfung des sozialen Gewissens. Randgruppen bescherten ihm — vor allem aus dem nationalistischen Lager -immer wieder „manche Stürme und ungute Auseinandersetzungen“, wie er sich einmal ausdrückte, doch seinen überragenden Stellenwert in der Südtiroler Gesellschaft konnten sie nie ernsthaft in Frage stellen.

Und“ nun der neue Bischof, im Schatten seines Vorgängers und mit dessen schwerem Erbe. Gemeinsam ist beiden Kirchenmännern eigentlich nur, daß beide Theologieprofessoren waren, als sie ins Bischofsamt berufen wurden. Sonst aber gibt es auf den ersten Blick zumindest wenig Gemeinsamkeiten. Pater Wilhelm Egger, geboren 1940 in Innsbruck als Sohn einer soeben im Zug der Option ausgewanderten Angestelltenfamilie; beide Eltern - den Vater 1944 in Finnland — früh verloren; bei Kriegsende nach Südtirol zurückgekehrt und von einer Großtante beziehungsweise in einer Kapuzinerschule zusammen mit seinem Zwillingsbruderheute ebenfalls Kapuzinerpater -großgezogen.

Gezielte Nutzung der ihm gebotenen Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten: so steht heute der 46jährige als ein Priester da, der ein auch international anerkannter Bibelwissenschaftler ist und in Rom, Fribourg und Jerusalem ausgebildet wurde, der Deutsch, Italienisch, Englisch und Französisch - neben den biblischen Sprachen — beherrscht, der auf ein reiches schriftstellerisches Schaffen blicken kann und sich als Professor an der philosophisch-theologischen Hochschule in Brixen und als Dozent an der Universität in Innsbruck einen guten Namen gemacht hat.

Alle diese Referenzen hätten aber Pater Wilhelm Egger nur im engsten kirchlichen Führungskreis zu einem „episeopabile“ gemacht; umso größer war in der Öffentlichkeit die Überraschung bei der Bekanntgabe seiner Ernennung - und auch die Freude, als sich auf seiner ersten Pressekonferenz der neue Bischof nicht nur als der strenge, sachliche Wis- . senschaftler vorstellte, sondern auch als eine gelassene, lebensfrohe Natur, an der sein Ordensvater Franziskus seine helle Freude haben wird.

Und wenn schon nicht über seine Herkunft, seine Ausbildung, seinen Charakter, so schlug der neue zum alten Bischof eine Brük-ke auf eine andere, eine eindringliche Weise: er fühle sich der kirchenpolitischen Linie seines Vorgängers verpflichtet, meinte Bischof Egger, er wolle auch der Bischof aller hier lebenden Menschen sein und sich keine volks-tumspolitische oder progressive oder konservative Etikette aufdrängen lassen.

Die Amtsübergabe erfolgte in einer sichtlich gelösten Stimmung; ein kleines Wunder, wenn man sich an die vorausgehenden besorgten Diskussionen über die Nachfolge Gargitters zurückerinnert. Das kleine Wunder hat ein junger, gebildeter, menschlicher und von der Bevölkerung sofort akzeptierter Kapuzinerpater möglich gemacht.

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