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Eine Hilfe, die nicht demütigt

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50.000 Schilling spendeten FURCHE-Leser zur Hungerbekämpfung in einer Diözese Burkina Fasos (ehemals Obervolta). Was mit dem Geld geschah, berichten die Bischöfe im folgenden Gespräch.

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50.000 Schilling spendeten FURCHE-Leser zur Hungerbekämpfung in einer Diözese Burkina Fasos (ehemals Obervolta). Was mit dem Geld geschah, berichten die Bischöfe im folgenden Gespräch.

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FURCHE: Hat sich an der Hungersnot seit Jahresbeginn etwas geändert?

BISCHOF DENIS TAPSOBA: An der Hungersnot hat sich nichts geändert. Im Mai und im Juni wird die Lage immer schlimmer, vor dem Beginn der Regenzeit. Die nächste Ernte ist frühestens im Oktober möglich. Die Hilfe, die wir bekommen und weitergeben, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Man kann einzelnen helfen, aber an der Gesamtsituation hat sich nichts geändert*

FURCHE: Wofür wurden die Spenden der FURCHE-Leser verwendet?

BISCHOF MARIUS OUEDRAOGO: Von diesem Geld haben wir Lebensmittel gekauft und sie an die Ärmsten verteilt, an eine Randgruppe, die Bellas. Das ist ein Stamm, der als die Sklaven der Tuaregs gilt, fleißige Leute, die jede Arbeit annehmen, die sie nur finden können. Sie haben Ouahigouya förmlich überschwemmt, die Pfarre täglich „belagert”. Mit Hilfe der staatlichen Revolutionskomitees haben wir sie gezählt - es waren 600 bis 700 Personen. Die Caritasverantwortlichen jedes Stadtviertels haben die Lebensmittel an die Bellas verteilt: Uberlebenshilfe für ca. eine Woche bis zehn Tage.

FURCHE: Woher kommen die angekauften Lebensmittel?

TAPSOBA: In Ghana und an der Elfenbeinküste gab es gute

Ernten. Von dort holen die Händler die Hirse. Ihr Preis steigt von Monat zu Monat. Als ich im Februar meine Diözese verließ, kostete ein 100-Kilosack noch 13.000 CFA, inzwischen ist er auf 15.000 gestiegen. Ein Bauer kann sich das nicht kaufen, ja selbst ein Beamter kann das kaum...

FURCHE: Woher nehmen die Bauern das Saatgut?

TAPSOBA: Ja, das ist ein Problem. Die Verlockung ist sehr groß, wenn noch irgendwo Hirse ist, sie aufzuessen. Die heimischen Hirsesorten sind nicht mehr vorhanden. Die Leute nehmen daher nun Hirse von auswärts als Saatgut, ohne zu wissen, ob sie die für den Boden geeignete Sorte ist.

OUEDRAOGO: Aber sie lassen sich nicht entmutigen. Sie hoffen gegen alle Hoffnung. Sie werden säen. Oft müssen sie das drei-, viermal tun. Sie geben nicht auf, sie strengen sich unvorstellbar an, auch wenn sie von fünf Uhr früh bis spät in die Nacht auf den Feldern sein müssen.

FURCHE: Ist ein Teil der Hungerflüchtlinge zurückgekommen, um die Felder zu bestellen?

OUEDRAOGO: Nein, es kommt niemand zurück. In den letzten drei Jahren haben die, die zur Regenzeit zurückgekommen sind, immer wieder die Vergeblichkeit ihrer Mühe erlebt. Auch früher sind die Jungen nach der Regenzeit in andere Gegenden und Länder gegangen, um dort Arbeit zu finden. Sie sind aber zur Feldarbeit zurückgekommen. In den letzten Jahren hat die Arbeit nichts genützt. Jetzt kommen sie nicht mehr, sie schicken lieber den alten Eltern oder den Frauen mit vielen Kindern, die nicht wegkonnten, Geld.

FURCHE: So wird sich, selbst wenn es heuer genügend regnen sollte, die Lage nicht gleich entspannen?

TAPSOBA: Damit die Not ein Ende hat, brauchte es drei oder vier Jahre hindurch gute Ernten. Die Leute sind ja sehr verschuldet, meist bei mehreren Gläubigern. Gute Ernten würden zunächst zum Schuldenzahlen verwendet. Das Kapital von früher, die Herden, sind verdurstet. Noch vorhandene Ochsen sind so mager, daß sie um 5.000 CFA verkauft werden!

FURCHE: Wie versuchen Sie, zu helfen?

OUEDRAOGO: Wir möchten den Menschen helfen, sich zu ernähren, ohne sie zu demütigen... Wir verschenken nur an die Al-lerbedürf tigsten, die anderen zahlen im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag, der dann wieder zum Ankauf von Lebensmitteln verwendet wird. Im Oktober kostete ein Sack Hirse nur 5.000 CFA. Wir kauften damals von der günstigen Hirse so viel wir konnten, um sie den Leuten später billig weitergeben zu können — so eine Art Getreidebank.

TAPSOBA: Alles Geld, das über die Mission läuft, wird bis auf den letzten Groschen weitergegeben.

OUEDRAOGO: Die Struktur der Kirche ermöglicht das. Wir haben in jeder Pfarre Verantwortliche, die genau wissen, wer am bedürftigsten ist. Die Hilfe wird übrigens ohne Ansehen der Religion ausgegeben, an Mohammedaner genauso wie an Animi-sten und Christen. Die Menschen wenden sich lieber an die Kirche um Hilfe. Sie sagen, sie kommen lieber zu denen betteln, deren Herz Gott schon weichgemacht hat.

FURCHE: Und wie wünschen Sie sich, daß Ihnen geholfen wird ?

TAPSOBA: Auch wir wünschen uns, daß man unsere Würde achtet: Spenden, die nicht als Almosen gedacht sind, sondern als Beitrag zur größeren Gerechtigkeit den ärmeren Brüdern gegenüber, bei denen man spürt, daß diese Brüder geliebt und geachtet werden, bei solchen Spenden fällt es leichter, sie anzunehmen.

OUEDRAOGO: Die Wohlhabenden mögen sich vor Augen halten, daß betteln weh tut. Es ist schmerzlich, auf Unterstützung angewiesen zu sein. Noch dazu, wo es absolut nicht die Schuld dieser Menschen ist, daß sie arm sind.

TAPSOBA: Wir können es nicht regnen lassen. Was wir können, ist Brunnen graben, Staudämme bauen, Bäume pflanzen.

OUEDRAOGO: Es ist schön, wenn uns ohne Herablassung geholfen wird. Wenn man uns vertraut, wenn man den Verantwortlichen freie Hand läßt, wenn man glaubt, daß die, die an Ort und Stelle leben, auch wissen, wie am besten geholfen wird. Bei uns gibt es ein Sprichwort, das sagt, daß die Art zu geben wichtiger als die Gabe ist.

In FURCHE 6/85 berichtete Bischof Tapsoba über die schwere Hungerkatastrophe in Burkina Faso (ehemals Obervolta). Auf diesen Beitrag hin haben FURCHE-Leser 50.000 Schilling auf das weiterhin bestehende Konto 27 496 7 der Raiffeisenbank Innsbruck-Höt-ting überwiesen. (Kennwort „Hilfe für Bischof Marius”). Bischof Marius Ouedraogo ist seit Februar Nachfolger von Bischof Tapsoba. Mit den beiden Bischöfen sprach Christine Hofinger.

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