6959032-1984_41_10.jpg
Digital In Arbeit

Eine Kirche im Uberlebenskampf

19451960198020002020

Vor fast genau einem Jahr, am 7. Oktober 1983, trat Sebastian Kräuter sein Amt als Leiter (ohne Bischofsweihe) der Diözese Temeschwar an. Wie geht es Rumäniens Katholiken?

19451960198020002020

Vor fast genau einem Jahr, am 7. Oktober 1983, trat Sebastian Kräuter sein Amt als Leiter (ohne Bischofsweihe) der Diözese Temeschwar an. Wie geht es Rumäniens Katholiken?

Werbung
Werbung
Werbung

Die rumänische Staatsführung versteht es, Erfolge zu feiern. Diesen Sommer eröffnete man den als Jahrhundertbauwerk gepriesenen Donau-Schwarzmeer-Kanal von Cernavoda nach Constan-ta. Bukarest hatte zu allgemeinem Jubel aufgerufen. Niemand erwähnte die schreckliche Vorgeschichte dieses Kanals: Sein Bau forderte das Leben Tausender politischer Gefangener. Unter den Zwangsarbeitern waren viele Geistliche wie der römisch-katholische Bischof Augustin Pacha, ein Banater Schwabe aus Temeschwar (Timisoara).

Man hatte ihn wie alle römischkatholischen Bischöfe im Dezember 1948 verhaftet. Kurz zuvor waren die 1,8 Millionen Griechisch-Katholischen, die mit Rom Unier-ten des byzantinischen Ritus, der orthodoxen Kirche Rumäniens zwangseinverleibt worden. Diese spielt in der Praxis die Rolle einer Staatskirche; 88 Prozent der Bevölkerung gehören ihr an.

Noch bevor Pacha inhaftiert worden war, weihte er den jungen Diakon Sebastian Kräuter, den heutigen Ordinarius von Temeschwar, zum Priester. Als Sohn eines donauschwäbischen Bauern 1922 in Nitzkydorf im Banat geboren, kam Sebastian Kräuter 1946 als Kaplan nach Jahrmarkt (Gi-armata). Der junge Geistliche hatte ein schweres Amt angetreten: Sein Volk war entrechtet und gedemütigt. Es stand vor dem wirtschaftlichen Ruin.

Auf Betreiben Moskaus begann 1947 eine breite Kampagne gegen die katholische Kirche. Der damalige KP-Generalsekretär Gheorg-he Gheorghiu-Dej erklärte: „Die katholische Kirche ist das einzige organisierte Hindernis auf dem Wege zur endgültigen Einführung der Volksdemokratie in Rumänien." Dieses Hindernis auszuräumen, blieb bis in die sechziger Jahre ein vorrangiges Ziel der Partei.

Nach der Verstaatlichung der Schulen 1948 wurde der Religionsunterricht in den Schulen abgeschafft, später sogar in den Kirchen mit allen Mitteln bekämpft. Kaplan Kräuter in Jahrmarkt ließ sich nicht einschüchtern; er berief sich auf die Verfassung, die jedem Bürger das Recht auf freie Religionsausübung zusichert. Ende der sechziger Jahre mäßigte die Partei unter der Führung Ni-colae Ceausescus ihre Anstrengungen gegen die katholische Kirche.

Beim Requiem für Konrad Kernweiß, den 1981 verstorbenen Ordinarius von Temeschwar, konnte Sebastian Kräuter in der Würdigung des „Geistlichen Vaters" melden, daß der Katechismus für die 170 Gemeinden der Diözese Temeschwar im Druck erschienen sei. Die Veröffentlichung hatte Kernweiß Kräuter anvertraut. Sie war die letzte Sorge des Verstorbenen gewesen.

Um die rechtliche Stellung der katholischen Kirche in Rumänien zu klären, haben die katholischen Bistümer schon vor Jahren ein „Statut" ausgearbeitet und der Regierung vorgelegt. Diese hat den Entwurf bislang aber nicht behandelt. Sie will keine Probleme mit der starken orthodoxen Kirche, die das Statut ablehnt. Verständlich, wenn man Rumäniens Wirtschaftsschwierigkeiten und seine Differenzen mit den Sowjets ins Kalkül zieht. Die Orthodoxen würden empfindlich reagieren, weil sie befürchten, durch eine Stärkung der katholischen Kirche könnten sich die 1948 eingegliederten Griechisch-Katholi-schen wieder von ihnen lossagen.

Ohne „Statut" verbleibt die katholische Kirche in Rumänien aber in einem staatskirchenrecht-lich ungeklärten Zustand. Dies bedeutet, daß der rumänische Staat nur zwei der sechs katholischen Bistümer anerkennt: die Erzdiözese Bukarest und die Diözese Alba Julia (Karlsburg), die vom derzeit einzigen geweihten Bischof Rumäniens, Antal Jakob, geleitet wird.

In der Praxis duldet der Staat aber die Existenz der von ihm nicht anerkannten katholischen Bistümer bis zu einem gewissen Grade, doch nicht deren Besetzung mit Bischöfen. So ließ die Regierung zu, daß der Papst etwa vor einem Jahr in der verwaisten Diözese Temeschwar den Banater Schwaben Sebastian Kräuter als Ordinarius substitutus, als Leiter ohne Bischofsweihe, einsetzte.

Für Kräuter wie für seine fünf Amtskollegen zählt die Förderung des Priesternachwuchses zu den wichtigsten Aufgaben. In Temeschwar sinkt die Zahl der Berufungen stetig. Denn die große Mehrheit der Katholiken dieses Bistums stellen rund 200.000 Donauschwaben, von denen viele in die Bundesrepublik Deutschland emigrieren.

Fast keine Jung-Priester kommen in diesen Jahren aus dem Völkergemisch der Erzdiözese Bukarest. Als Bistumsverwalter amtiert dort Iori Robu, der von den 30 Priestern seiner Diözese zum Administrator dioecesanus gewählt wurde. Im Bistum Großwardein (Oradea), dem der Rumäne Stefan Dascal als Ordinarius vorsteht, stagniert das religiöse Leben unter der ungarischen Mehrheit.

Mehr Berufungen gibt es in der Diözese Alba Julia in Siebenbürgen. Im Bistum Iasi, wo etwa eine Viertelmillion rumänischer Katholiken wohnt, und in der Diözese Sathmar (Satu Mare), wo die Katholiken vorwiegend madjari-sierte Deutsche sind, können die Ordinarien Petru Gherghel und Ferenc Sipos nicht über mangelnden Priesternachwuchs klagen, dort sind auch alle Pfarreien besetzt.

Die Ausbildung der Priester erfolgt in Rumänien in den zwei Seminaren in Alba Julia und Iasi. Neuerdings beschränkt ein vom Staat vorgeschriebener Numerus clausus die Neuaufnahmen in den Priesterausbildungsstätten aller Konfessionen. An den beiden katholischen Seminaren dürfen zusammen jährlich nicht mehr als 30 Studenten aufgenommen werden.

Durch ein privates Abkommen zwischen den zwei Seminaren fällt der Großteil dieses Kontingents Alba Julia zu. Deshalb müßte Iasi verhältnismäßig viele Bewerber zurückweisen, wenn sich nicht gerade bei diesem Seminar die Partei etwas großzügiger als gewöhnlich zeigte: Die Regierung drückt hier bei Uberschreitungen der vorgeschriebenen Zahlen die Augen zu.

Diesen bescheidenen Erfolgen der katholischen Kirche, diesen kleinen Zugeständnissen Bukarests steht der langsame Auflösungsprozeß der donauschwäbischen Minderheit gegenüber.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung