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Eine konservative Internationale

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Als Sammlungsbewegung der bürgerlichen Welt versteht sich die Europäische Demokratische Union. Gibt es heute Chancen für eine konservative Internationale in einem bedrohten Europa?

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Als Sammlungsbewegung der bürgerlichen Welt versteht sich die Europäische Demokratische Union. Gibt es heute Chancen für eine konservative Internationale in einem bedrohten Europa?

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Die europäische Einigungsbewegung, die in der Nachkriegszeit zunächst zur Schaffung des Gemeinsamen Marktes und schließlich zur umfassenderen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft führte, blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Parteien, die das christliche und bürgerliche Lager repräsentieren. Es gab zwar schon eine Europäische Union Christlicher Demokratien (EUCD), dennoch kam es zur Gründung der Europäischen Volkspartei (EVP), die seither an den Wahlen zum Europaparlament teilnimmt.

Das Problem der Zusammenarbeit dieser christlich-demokratisehen Organisationen und Parteien mit den konservativen und artverwandten Gruppen innerhalb der EWG war damit nicht gelöst. Eine andere offene Frage war die Stellung der christdemokratischen und konservativen Parteien neutraler Staaten (Österreich, Schweiz, Schweden), die nicht EG-Mitglieder werden können oder wollen.

Nicht zuletzt deshalb trafen sich seit den sechziger Jahren europäische Christdemokraten, skandinavische Gemäßigte und britische Konservative zu sogenannten „Interparty Konferenzen“, die den Parteiführern dieser historisch und weltanschaulich relativ heterogenen Gruppierungen ein Diskussionsforum boten. Die erste dieser Interparty-Kon-ferenzen kam übrigens auf Grund einer Initiative von Josef Klaus 1964 auf Schloß Kiessheim bei Salzburg zustande. Bereits bei diesem Treffen wurde die Gründung einer festen Organisation zur Koordinierung der christlichdemokratischen und der konservativen Parteien erwogen.

Dieser Plan war aus den bereits geschilderten Überlegungen ein besonderes Anliegen der CDU und der britischen Konservativen und der ÖVP. Aber erst Anfang der siebziger Jahre nahmen die Pläne greifbare Formen an. In einer Konferenz in London 1976 wurden nähere Einzelheiten debattiert sowie 1977 in München Statuten und Satzungen präzisiert. Nachdem auch die Finanzierung für die ersten Jahre sichergestellt werden konnte, stand der offiziellen Gründung der Europäischen Demokratischen Union EDU als „Arbeitsgemeinschaft christlich-demokratischer und anderer, nicht-kollektivistischer Parteien“ nichts mehr im Wege.

Die Gründungsversammlung fand am 24. April 1978 in Salzburg statt. Die EDU wurde dabei als Verein nach österreichischem Recht registriert und besitzt Rechtspersönlichkeit auf Grund des österreichischen Vereinsrechtes. Ah der Gründungsversammlung nahmen neben zehn Gründungsparteien weitere acht Parteigruppierungen mit Beobachterstatus teil.

Anläßlich der Gründung wurde der “damalige Bundesparteiobmann der ÖVP, Josef Taus, zum ersten Vorsitzenden der EDU gewählt. Nach seinem Rücktritt folgte ihm in dieser Funktion sein Nachfolger in der ÖVP, Alois Mock. Bei der Gründung nicht vertreten waren die christlichen Demokraten Italiens, Frankreichs und der Benelux-Staaten. Man muß bedenken, daß in diesen Ländern, die alle ein Mehrparteiensystem aufweisen, subtile politische Schattierungen eine größere Rolle spielen als bei uns. Wie dem auch sei, ein Grund für die Abstinenz dürfte sicher darin liegen, daß die Christdemokraten in den genannten Ländern fürchten,des Konservativismus, verdächtigt, Stimmen an die Linksparteien zu verlieren.

Ein gewichtiger Grund liegt darüber hinaus in bestimmten innenpolitischen Zwängen, da in diesen Ländern, in denen normalerweise absolute Mehrheiten ausgeschlossen sind, ein permanenter Zwang zu Koalitionsbildungen auch mit sozialistischen Parteien besteht. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung dürfte ferner auch das Gewicht sein, das dem Gewerkschaftsflügel in den christdemokratischen Parteien Italiens und der Benelux-Staaten zukommt.

Da die Nomenklatur allein — neben ' „Konservativen“ und „Christdemokraten“ sind in der EDU auch noch „Zentrumsparteien“ oder „Volksparteien“ zusammengeschlossen, ja manche Mitglieder bezeichnen sich sogar schlicht nur als „Sammlungsbewegungen“ - keine ausreichenden Hinweise auf den tatsächlichen politischen Standort liefert, empfiehlt sich ein Blick auf die Grundsatzerklärung. In ihr bekennt sich die EDU

• zur freien, westlichen Demokratie;

• zum sozialen Rechtsstaat;

• zu freien Wahlen als Mittel der Demokratie;

• zur pluralistischen Gesellschaft mit ihrer Vielfalt gleichberechtigter Institutionen;

• zu den Menschenrechten in der klassischen Form der Europäischen Menschenrechtskonvention;

• zu den sozialen Grundrechten, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen verkündet sind und

• zum wirtschaftspolitischen Ordnungssystem der sozialen Marktwirtschaft.

Wichtig für die Programmatik sind ferner die Prinzipien

• Solidarität und Partnerschaft;

• die Familie als Grundlage des Staates sowie

• die Absage an jede Form des Totalitarismus.*

Zwar sind entscheidende Unterschiede in den genannten

Grundsätzen zum Programm der EVP und zum Manifest der EUCD nicht festzustellen, aber die Unterscheidung der Teilnehmer auch der letzten Versammlung in Wien in „Vollmitglieder“ und „Beobachter“ zeigt, daß es trotz des weitgeschnittenen Mantels der EDU-Programmatik bisher noch nicht voll gelungen ist, die EDU als die Gruppierung der politischen Mitte zu profilieren.

Die christlich-demokratischen Parteien Belgiens, der Niederlande und Italiens stehen bisher jedenfalls noch abseits. Hier wird erst die Praxis und nicht die Programmatik zeigen, ob die EDU als Gruppierung der Mitte genügend Integrationskraft besitzt, um auch für die Parteien links von der Mitte akzeptabel zu werden. Diese Profilierung und Konsolidierung wird dadurch nicht leich-, ter, daß die EDU inzwischen zur Internationalen Demokratischen Union (IDU) ausgeweitet wurde und Kontakte zu Schwesterparteien in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Japan hergestellt worden sind.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft in Salzburg.

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