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Eine leichte Beute für den harten Winter

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600.000 Flüchtlinge in Kroatien, 490.000 in Serbien, 40.000 in Slowenien, mehr als eine Million Binnenflüchtlinge in Bosnien

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600.000 Flüchtlinge in Kroatien, 490.000 in Serbien, 40.000 in Slowenien, mehr als eine Million Binnenflüchtlinge in Bosnien

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Der Schacher um Bosnien geht seit Montag in Genf weiter. Menschen verhungern und erfrieren; währenddessen feilschen die serbischen Kriegsgewinnler um Landesprozentpunkte.

Peter Quendler, „Nachbar in Not”-Koordinator der Caritas warnt von einer drohenden „Hungerkatastrophe wie 1945”. In Sarajewo werden schon Baumwurzeln ausgegraben, weil Brennholz fehlt.

In Serbien (dazu auch Seite 5) sind die Kriegsflüchtlinge -30.000 wurden in national gemischten Gebieten der östlichen Vojvodina, in Ostslawonien und in der Baranja, also in zwei „für immer von Serben” zurückeroberten Gebieten Kroatiens, angesiedelt -nicht mehr sehr beliebt. Die 490.000 bei Verwandten, Freunden und in Lagern untergebrachten Serben aus Bosnien, aber auch Kroaten und etwa 20 Prozent Moslems und

Juden stellen eine enorme Be lastung für das hungerleiden de Serbien dar. „Die ur sprünglich große Begeiste rung und Rührung ist ver schwunden”, so der in Wien lebende, aus Serbien stammende Schriftsteller Ivan Ivanji zur furche. Jüdische Flüchtlinge aus Sarajewo sind über Belgrad nach Israel geflüchtet; auch serbische Juden wählten den Weg ins Gelobte Land. Die jüdische

Flüchtlingszahl liegt bei einigen tausend.

Trotz allem gibt es weitere Signale einer Annäherung von Agram und Belgrad. Ein kürzlich in der kroatischen Hauptstadt abgehaltenes informelles Treffen zwi-sehen kroatischen und serbischen Intellektuellen wies in diese Richtung. Als runder Tisch wurde es unter dem Motto „Serben und Kroaten” von der unabhängigen, mit der sozialliberalen kroatischen Opposition sympathisierenden Institution „Erasmus Gilda” organisiert. Die Hauptrolle spielte der Agramer Intellektuelle und Chefredakteur der Zeitschrift „Erasmus”, Slavko Goldstein.

Trotz des informellen Charakters müßte das Treffen „grünes Licht” der kroatischen Behörden bekommen haben, weil auch Dalibor Brozovic, ein führender Politiker aus dem kroatischen Regierungslager, daran teilnahm. Auch drei Vertreter der katholischen Kirche, darunter Weihbischof Djuro Koksa, waren anwesend. Aus Belgrad kamen der Schriftsteller Slobodan Selenic, der Regisseur Dusan Makavejev und der Soziologe Nebojsa Popov. Der Dialog soll (auch in Belgrad) fortgesetzt werden. Das nächste Treffen hat „Moslems und Kroaten” zum Thema.

Auf der Heimfahrt nach Belgrad wurden die serbischen Intellektuellen von der Wirklichkeit eingeholt. Auf der Autobahn „Brüderlichkeit und Einigkeit” passierten sie unbehelligt den kroatischen sowie den UNPROFOR-Po-sten, von der ersten serbischen Kontrolle wurden sie jedoch gestoppt und zurückgeschickt.

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