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Eine Lösung für Politiker

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Bereits in seinen ersten öffentlichen Erklärungen hat sich Sozialminister Alfred Dallinger in einen sachlichen Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Gerhard Weißenberg gesetzt. Er be­tonte, die Neuregelung dürfe für nie­manden eine Schlechterstellung mit sich bringen, vor allem nicht für die be­rufstätige Ehefrau, die nebenbei den Haushalt betreut. Man müsse daher die Vorstellung von der Kostenneutralität relativieren.

Damit wurde ein unauflösliches Di­lemma sichtbar: Soll die Neuregelung auch in Zukunft der berufstätigen Ehe­frau einen Anspruch auf eine Hinter­bliebenenpension, welcher Art auch im­mer, einräumen und im Hinblick auf

den Gleichheitsgrundsatz der Ehemann substantiell gleichbehandelt werden, dann müssen sich pach Adam Riese die Gesamtkosten der Neuregelung um die Aufwendungen für die neue Witwer­pension erhöhen.

Kostenneutralität ist nur möglich, wenn die Kosten der neuen Witwerpen­sion durch Einsparungen bei anderen Hinterbliebenenpensionen ausgegli­chen werden. Kostenneutralität bedeu­tet stets den Zwang zur Umschichtung, zur Zurücknahme künftiger Leistungs­ansprüche für bestimmte Personen­gruppen oder Situationen, um die da­durch ersparten Mittel für neugeschaf­fene Ansprüche verwenden zu können.

Verzicht auf Kostenneutralität be­deutet andererseits Mehrbelastungen für die Erwerbsbevölkerung. Die Ein­führung einer Witwerpension bei we­sentlich gelockerten Voraussetzungen kann ohne gleichzeitige Entlastung an anderen Stellen der Pensionsversiche­rung nur durch höhere Beiträge oder höhere Staatszuschüsse finanziert wer­den ...

Von den verschiedenen Lösungsmög­lichkeiten wirft die völlige Angleichung der Witwerpension an die derzeitige Witwenpension die politisch geringsten Probleme auf. Welcher Politiker kann sich schon ganz der Versuchung entzie­hen, eine Lösung zu präsentieren, die den Frauen keine Verschlechterung ih­rer Zukunftsaussichten, den Männern hingegen beachtliche Vorteile beschert?

Das Neue wäre, daß grundsätzlich jeder Mann im Falle des Todes seiner erwerbstätigen Ehefrau eine Witwer­pension erhielte - und zwar unabhän­gig von seinem Alter und seinem Ein­kommen. Für den Fall seiner Erwerbs­tätigkeit könnte es zwar zu einem teil­weisen Ruhen dieser Witwerpension kommen, tritt der Witwer jedoch selbst in den Ruhestand, könnte er beide Pen­sionen ungeschmälert nebeneinander beziehen.

Gegen diese Lösung sprechen jedoch zwei schwerwiegende Gründe. In erster Linie stellt sich die Frage nach der so­zialpolitischen Rechtfertigung dieser Lösung.

Warum soll jeder Mann einer versi­cherten Ehefrau eine Witwerpension erhalten? Aus unterhaltsrechtlichen

Gründen wäre dies nur dann gerechtfer­tigt, wenn sich bei aufrechter Ehe ein Unterhaltssaldo zu seinen Gunsten er­gäbe. Das wird aber angesichts der im Durchschnitt wesentlich höheren Er­werbseinkommen der Männer für den Normalfall nicht zutreffen.

Welchen Vorteil soll es aber bringen, wenn eine gleichheitswidrige durch eine sozialpolitisch unnötige Regelung er­setzt wird?

Der zweite entscheidende Einwand kommt von der Finanzierungsseite. Niemand dürfte zwar derzeit imstande sein, die Kosten einer solchen Lösung genau zu ermitteln. Überschlagsmäßig läßt sich aber sehr wohl ein erster Ein­druck gewinnen.

Ende des Jahres 1978 entfielen in der gesamten österreichischen Pensions­versicherung auf 1000 Witwenpensio­nen nicht einmal 0,8 Witwerpensionen. Die rechtliche Gleichstellung der Wit­wer mit den Witwen würde nicht dazu führen, daß wir mit tausendmal mehr Witwerpensionen rechnen müßten, da Ehemänner meist älter als die Ehe­frauen sind, diese zudem die höhere Le­benserwartung besitzen und überdies nur etwa 40 Prozent der Ehefrauen be­rufstätig sind. Es würde daher selbst bei einer völligen rechtlichen Angleichung der Männer erheblich weniger Witwer­ais Witwenpensionen geben.

Für eine erste große Schätzung er­scheint es plausibel, anzunehmen, daß auf 1000 Witwenpensionen 300 Wit­werpensionen entfallen könnten. Legen wir diese Annahme eines 30prozentigen Männeranteils unseren weiteren Über­legungen zugrunde, so ergibt sich fol­gende Rechnung:

Ende 1978 gab es 440.652 Witwen­pensionen. Dementsprechend müßte man mit 132.196 Witwerpensionen ge­genüber tatsächlich 337 rechnen. Geht man von der damaligen durchschnittli­chen Höhe der Witwerpension von 3249 Schilling monatlich aus, so erhält man damit geschätzte Jahreskosten von etwas über 6 Milliarden Schilling.

Berücksichtigt man die Pensionsanpas­sungen 1979 und 1980, so muß dieser Betrag um 12,5 Prozent erhöht werden. Im Ergebnis kommt man per 1981 da­mit auf etwa 6,75 Milliarden Schilling.

Selbst wenn man den Anteil der Wit­werpensionen niedriger einschätzt und ihn mit nur 20 Prozent der Witwenpen­sionen ansetzt, bliebe noch immer eine zusätzliche Belastung von rund 3,4 Mil­liarden Schilling. Von dieser Belastung gingen lediglich die Ruhensbeträge ab.

Man kann es daher drehen und wen­den wie man will, diese Lösung würde im Endergebnis eine jährliche Mehrbe­lastung von mehreren Milliarden Schil­ling verursachen. Diese Belastung würde längerfristig noch ansteigen, da die allmähliche Zunahme der Frauen­erwerbstätigkeit zu einer größeren Zahl von Witwerpensionen führen muß.

Der Autor ist Professor am Institut für Arbeits­und Sozialrecht der Universität Wien.

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