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Eine Milliardenunterstützung liegt noch auf Eis

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Rußland braucht Japans Wirtschaftskraft. Seit einem Vierteljahrhundert planen Nippons Unternehmer an einer wirtschaftlichen Kooperation. Der Streit um die Kurilen ist ein Hindernis bis heute.

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Rußland braucht Japans Wirtschaftskraft. Seit einem Vierteljahrhundert planen Nippons Unternehmer an einer wirtschaftlichen Kooperation. Der Streit um die Kurilen ist ein Hindernis bis heute.

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Bei allen Unternehmungen, den Nachfolgestaaten der Sowjetunion auf dem schwierigen Weg zur Demokratie und freien Marktwirtschaft Beistand zu leisten, hinkt Japan nach, obwohl seine eigensten Interessen die Förderung der Rohstoffgewinnungsanlagen im benachbarten Sibirien dringend fordern. Seit 1965 arbeiten japanische Unternehmer an Plänen für die Entwicklung von Ölfeldern und Bergwerken und den Ausbau der Eisenbahnen und Hafenanlagen. Was damals schon als Geschäft des Jahrhunderts angekündigt war, blieb in den Anfängen stecken.

Statt für mehr als 70 Prozent des Öls auf unsichere Partner im Nahen Osten angewiesen zu sein, könnte es seine ständig wachsenden Bedürfnisse in nächster Nähe erfüllen. Pläne und Finanzen liegen bereit zum schnellen Einsatz. Blockiert sind aber alle Bestrebungen durch das Problem der vier Inseln im Nordosten Hokkai-dos, die Sowjettruppen nach der Kapitulation Japans besetzten. Solange diese Territorien, auf die Japan berechtigte Ansprüche erhebt, nicht restituiert werden, ist keine Regierung in Tokio in der Lage, sich im verlangten Maß an Hilfe für Rußland zu engagieren. Zwar erteilte Japan bereits Direkthilfe im Betrag von 3,4 Milliarden Schilling und setzte sieben Milliarden aus als Anleihe für humanitäre und ökonomische Zwecke, doch ist damit das Potential der zweiten Wirtschaftsmacht keineswegs erschöpft.

Der russische Außenminister Andrej Kozyrev, der vier Tage in Tokio Verhandlungen führte, verlangte, daß Japan die Verknüpfung von Hilfeleistung mit der Inselfrage aufgebe. Die Lösung des Problems sei nur von den Reformern unter Jelzin zu erwarten. Sein Scheitern würde Kräfte ans Ruder bringen, die auf Konfrontationskurs gehen müßten. Es läge im Interesse beider Staaten, die Entwicklung der reichen Bodenschätze und Fischgründe und die Suche nach Öl unter dem Meeresgrund gemeinsam voranzutreiben.

Der japanische Kollege Watanabe •Michio kündigte eine flexiblere Haltung bezüglich Zeitplan, Methode und Bedingungen der Rückgabe an, forderte aber zuvor eine Anerkennung der japanischen Souveränität. Er protestierte, daß Rußland kürzlich in einem Vertrag südkoreanischen Fischerbooten Fangrechte innerhalb einer 200 Meilenzone um diese Inseln einräumte.

Im September soll Jelzin Tokio besuchen. Ob er Zusagen bezüglich der Inseln bringen wird, ist hier die große Frage. Im Grunde wäre Japan bereit, sie für ein paar Milliarden zu kaufen. Daß die Hokkaido östlich vorgelagerten kleineren Inseln Habomai und Schikotan geographisch zu Japan gehören, war nie ein Streitpunkt. Deshalb versprachen denn auch die Sowjets anläßlich der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1956, diese Inseln beim Abschluß eines Friedensvertrages zu räumen, rückten aber davon ab, als Japan den Sicherheitsvertrag mit den Vereinigten Staaten schloß. Heute liegt hier eine Übereinkunft in Reichweite.

Anders liegen die Verhältnisse für die sich weit nach Norden erstreckenden Inseln Kunaschiri und Etorofu, die zur Kurilenkette gezählt werden. Japaner trieben seitdem 16. Jahrhundert Handel mit den dort lebenden Ainu und errichteten Ende des 17. Jahrhunderts an der Nordwestküste Eto-rofus zwei Stützpunkte, um dem Vordringen russischer Kosaken und Jäger einen Riegel vorzuschieben. Russen „entdeckten" die nördlichen Kurilen um 1712 und versuchten, die Ainu tributpflichtig zu machen, was auf beiden Seiten zu Gewalttaten führte.

Am 7. Februar 1855 schlössen Rußland und Japan den Vertrag von Schi-moda, der die Grenze genau an der jetzt zur Diskussion stehenden Stelle zog. Kunashiri und Etorofu werden ausdrücklich Japan zugesprochen. Sie galten nie als Kolonialgebiet, sondern waren integraler Bestandteil des Reiches.

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 stimmte Roosevelt den Ansprüchen Stalins auf die Kurilen zu, weil er der irrigen Meinung war, Japan habe diese Gebiete erst 1905 erobert. In der Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945 ist von Kurilen nicht mehr die Rede. Die Amerikaner widersetzten sich auch später immer wiederder russischen Forderungnach einer Besatzungszone in Hokkaido.

Seit Ende der siebziger Jahre baute die Sowjetunion die militärischen Stützpunkte auf den Inseln massiv aus, sodaß Japan seine Panzerdivisionen in Hokkaido konzentrierte. Seit Gorbatschows Besuch im April letzten Jahres seien aber die Streitkräfte um ein Drittel reduziert worden.

Die Rückgabe der Inseln setzte nicht nur Kapitalströme für die industrielle Entwicklung Sibiriens frei, sondern schaffte auch Voraussetzungen für eine neue Wirtschaftsgemeinschaft um die Japansee (Japan, Korea, Sibirien) und eine Freihandelszone um Wladiwostok.

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