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Eine neue Epoche bricht an

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Wenn sich an diesem Wochenende die Katholische Aktion Österreichs in Salzburg zu ihrer Herbstkonferenz versammelt, geht eine Epoche zu Ende. Minister a. D. Dr. Ludwig Weiß, der zwei Funktionsperioden hindurch an der Spitze der Katholischen Aktion gestanden ist, kann dtätütentgemäÖ-nicht'mehf äis Präsl* dent kandidieren. Auch Prälat Dr. Karl 'Strobl, der als Geistlicher Assistent den Kurs der Katholischen Aktion in den letzten sechs Jahren wesentlich geprägt hat, möchte sich zurückziehen. Damit ist die Neuwahl des Präsidiums diesmal kein Formalakt, sondern es geht um entscheidende Weichenstellungen.

Auf der dnnerkatholischen Gerüchtebörse werden Eduard Ploier die meisten Chancen gegeben, neuer Präsident der Katholischen Aktion Österreichs zu werden. Als Vorsitzender des Volksbegehirenkomitees hat sich Ploier auch in der politischen Öffentlichkeit einen Namen gemacht. Durch seinen Einsatz in den Bereichen Bildungswesen (Ploier ist im Hauptberuf Leiter des Bildungshauses Puchberg bei Wels), Entwicklungshilfe, ORF (als Mitglied des Kuratoriums), vor allem als Motor der Katholischen Aktion in Ober-österreich, hat Ploier in der innerkirchlichen Öffentlichkeit bereits jetzt eine unumstrittene Führungsposition.

„Ploier for President“ wäre der Garant für eine kontinuierliche Weiterführung der Katholischen Aktion, dem es zugleich leicht fallen müßte, die Katholische Aktion nicht nur nach außen zu repräsentieren, sondern auch die verschiedenen Strömungen innerhalb dieser größten Laienorganisation der Kirche in Österreich unter einen Hut zu bringen. Als „gestandener“ Oberösterreicher soll Ploier zwar zunächst nein gesagt haben, als das Angebot zum erstenmal an ihn herangetragen wurde, sich aber dann doch bereit erklärt haben, unter der Voraussetzung, daß ihn seine heimatliche Basisorganisation, die Katholische Aktion Oberösterreichs, entsprechend unterstützt und ihren Vorsitzenden nicht unter Druck setzt, weil er zu oft nach Wien „pendeln“ muß.

Die anderen Kandidaten für den Präsidentenstuhl — genannt wurden etwa Dr. Walter Schaffelhofer, der Chef des Katholischen Akademikerverbands Univ.-Prof. Dr. Heinrich Schneider, der Kärntner KA-Vorsit-zende Dr. Ernst Waldstein, die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Prof. Herta Pammer — haben fast alle von vornherein abgelehnt.

Was den neuen Geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion Österreichs betrifft, tippen Eingeweihte diesmal auf einen Ordensmann. Als mögliche Kandidaten werden unter anderen der Wiener Redemptoristenprovinzial Dr. Alois Kraxner und der Abt von Melk, Dr. Burkhard Ellegast, genannt.

Die Anforderungen sind nicht gering, weil gerade Prälat Strobl als Geistlicher Assistent die Latte ziemlich hoch gelegt hat. In den letzten sechs Jahren hat die Katholische Aktion, innerhalb ' und außerhalb des kirchlichen Bereichs dm Gefolge der nachkonziliaren „Wachstumskrisen“ bereits mehr als einmal totgesagt, kräftige Lebenszeichen von sich gegeben. In die Ära Weiß-Strobl fallen immerhin die Mitarbeit an der Üsterreich-Synode, der gesamtösterreichische Katholikentag 1974, das erste religiöse ORF-Studienprogramm „Wozu glauben?“ mit seinem Massenerfolg (dem in wenigen Monaten das zweite ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ folgen wird), die „Aktion Leben“ und das Volksbegehren zum Schutz des Lebens.

Katholikentag, ORF-Studienprogramm und Volksbegehren demonstrierten deutlich, daß die Katholische Aktion mit ihrer verzweigten Organisation unersetzlich ist. Die heiß geführte Diskussion, ob die Schaffung der neuen pastoralen Gremien (angefangen von den Pfarrgemeinderäten bis hinauf zu den pastoralen Diözesanräten) nicht die Katholische Aktion überflüssig gemacht habe, erwies sich gerade an diesen Beispielen als Gedankenspielerei am grünen Tisch.

Daß Organisation nicht alles ist und die Spiritualität nicht zu kurz kommen darf, darüber ist man sich in der Katholischen Aktion einig.

Spirituelle Vertiefung war daher auch einer der Leitgedanken Strobls in den letzten sechs Jahren gewesen. Doch ist die Katholische Aktion in den einzelnen Diözesen in der Gewichtung von Organisation und Spiritualität durchaus verschiedene Wege gegangen. Während sich in der Steiermark eine „Katholische Aktion der Ideen“ durchgesetzt hat, in Salzburg die örtliche Katholische Aktion in erster Linie von der Spiritualität der „Mondo-Migliore“-Be-wegung Pater Lombardis geprägt ist, hat man sich etwa in Oberösterreich um eine Stärkung der organisatorischen Struktur bemüht.

Dabei tritt das gesellschaftspolitische Engagement — auf der Basis einer echten Glaubensüberzeugung —, bedingt durch die Änderung der Großwetterlage dn Politik und Meinungsklima, zunehmend in den Vordergrund. Es ist kein Zufall, wenn sich in Salzburg bei der Herbstkonferenz fast alle großen Referate mit gesellschaftspolitischen Themen befassen:

•Ploier berichtet über den Stand der „Aktion Leben“,

•Professor Schneider und Dr. Schaffelhofer erläutern die „Überlegungen zum politischen Selbstverständnis der Kirche und zur kirchlichen Strategie“, die bereits mit den österreichischen Bischöfen bei der außerordentlichen Bischofskonferenz im Juni durchbesprochen worden sind, .

•Dr. Schaffelhofer analysiert die Vorgänge in der katholischen österreichischen Presselandschaft,

•Hofrat Winkler (Katholischer Familienverband) nimmt die „gesellschaftspolitische Aktivität in der Schule“ aufs Korn.

Daß sich die Katholische Aktion — ebenso wie alle anderen katholischen Organisationen — in Zukunft in der Politik kräftiger zu Wort melden muß, steht außer Zweifel. Vor allem soll wieder vom Reagieren zum Agieren übergegangen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits getan. Das seit Monaten in Diskussion stehende „Gesellschaftspolitische Forum“, das zu allen für das christliche Engagement relevanten Vorgängen in der Politik rasch Stellung bezieht, vor allem aber auch eigene Lösungsvorschläge für anstehende Probleme erarbeiten soll, wird sich als Ausschuß des österreichischen Laienrats konstituieren.

Daneben soll das informelle Gespräch mit den Parteien gerade von der Katholischen Aktion wiederaufgenommen werden. In den letzten Jahren hatte es hier vor allem im Verhältnis zur SPÖ Funkstille gegeben, nicht nur bedingt durch die scharfe Auseinandersetzung um den Schutz des Lebens. Schon mit den Regierungsantritt Kreiskys waren die Gespräche praktisch zum Erliegen gekommen. Und dies obwohl gerade die Katholische Aktion Ende der sechziger Jahre Kreisky die Möglichkeit geboten hatte, mit Katholiken ins Gespräch zu kommen. Kreisky konnte aber offensichtlich in Präsident Dr. Weiß immer nur den ehemaligen ÖVP-Minister sehen, obwohl Weiß nicht aus der Politik in die Katholische Aktion, sondern aus der Katholischen Aktion in die Politik gekommen war.

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