6829217-1974_29_02.jpg
Digital In Arbeit

Eine Öl-Enosis?

Werbung
Werbung
Werbung

Was so lange vorausgesagt wurde, bis niemand mehr glaubte, noch ernsthaft damit rechnen zu müssen, ist nun doch geschehen: Erzbischof Makarios geflüchtet und entmachtet, Offiziere griechischer Herkunft, griechischen Zuschnitts, Enosis-Offiziere, in Zypern an der Macht.

Auf den ersten Blick scheint eine Krankheit namens Enosis, ein Wahnsinn namens Enosis, blutig wieder aufgebrochen, scheint der Bazillus des Nationalismus ein neues Opfer gefunden zu halben. Aber ist das alles?

Griechenland ist ja kein untätiger Zuschauer auf Zypern. Athen hat den Nationalismus der Zypern-Griechen mit wechselnder Intensität geschürt — die nationalistischen Rebellen gegen Makarios waren stets eine ferngelenkte Truppe. Nicht eine Handvoll Nationalisten, sondern die Athener Machthaber haben den zypriotischen, den griechisch-türkischen Status quo zerbrochen.

Der Sturz des Erzbischofs Makarios, dem es Jahr um Jahr gelang, Zypern am Rande des Chaos ent-langzübalancieren und den Absturz nicht zu verhindern — so optimistisch war er nie —, aber doch hinauszuschieben, wurde nicht in den Verstecken isolierter Guerrilleros geplant, sondern sicher in Athen. Und wenn Makarios tot sein sollte, dann kam die Kugel aus Athen.

Und das Motiv — nationaler Wahnsinn? Enosis? Warum sollte Athen den Konflikt mit der Türkei,

der, in dieser oder jener Form, nun unvermeidlich erscheint, gerade in diesem Augenblick ohnehin schwerer griechisch-türkischer Spannungen vom Zaun gebrochen haben? Zwischen Griechenland und Türkei liegt heute ein viel größerer Zankapfel als Zypern — liegt der Zankapfel namens öl. Sollte den Athener Obristen der zweiten Generation die Enosis so heilig gewesen sein, daß sie selbst im Zeichen der ölbeding-ten Spannung nicht länger darauf warten wollten?

Wahrscheinlicher scheint, daß es weniger um Zypern selbst als um die unterseeischen Ölfunde geht, über die Türkei und Griechenland sich nicht einig werden können. Wobei offen bleibt, ob Griechenland sich mit dem Handstreich auf der Insel Zypern lediglich militärisch-strategische Vorteile verschaffen oder aber bewußt den Konflikt verschärfen wollte. Oder beides.

Die Türkei, die seit langem nicht nur innenpolitisch ein sehr viel reiferes und zivilisierteres Land zu sein scheint als Griechenland, jener zu Unrecht mit der Wiege der Demokratie identifizierte geographische Begriff, wird den neuen Status quo unter Athener Vorzeichen schwerlich tatenlos hinnehmen können. Nicht das Schicksal der auf Zypern lebenden Türken ließ nach dem Putsch die Nervenzentren der westlichen Bündnisse erzittern. Man weiß dort, worum es geht. Und an welchem dünnen Haar Krieg und Frieden in der Ägäis seit Wochen hängen.

An einem Haar — so dünn wie ein ölfaden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung