7049854-1990_48_09.jpg
Digital In Arbeit

Eine Offensive für das Leben

19451960198020002020

Die „Aktion Leben", zu­nächst Initiatorin des Volks­begehrens gegen die Fri­stenregelung, hat ihre Posi­tion kürzlich neu bestimmt. Sie startet derzeit eine „Offensive für das Leben".

19451960198020002020

Die „Aktion Leben", zu­nächst Initiatorin des Volks­begehrens gegen die Fri­stenregelung, hat ihre Posi­tion kürzlich neu bestimmt. Sie startet derzeit eine „Offensive für das Leben".

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Aufklärungskampagne ge­gen die Abtreibung, wie wir sie verstehen,

• soll keine Attacke gegen die Fri­stenregelung sein, deren Herzstück - die Straffreiheit der Frau unter bestimmten Rahmenbedingungennicht nur aus pragmatischen Grün­den, sondern aus Uberzeugung nicht aufgegeben werden darf;

• darf keine Hetzjagd oder Hexen­jagd gegen Frauen werden, die aus einer subjektiv empfundenen Not­lage glauben, ihr Kind nicht auf die Welt bringen zu können;

• soll nicht der Aufruf zu Demon­strationen und Massenkundgebun­gen mit blutrünstigen Flugblättern und aggressiven Slogans sein;

• darf nicht der Ruf nach Einfüh­rung einer Zwangsberatung sein, die durch Manipulation und finan­zielle Anreize das Ja zum Kind erpressen will;

• darf nicht der „Sturm" auf Ab­treibungskliniken sein.

Wer kann schon gegen eine Of­fensive für das Leben sein? Wohl nur der, der sich in diesen Fragen selbst disqualifiziert. Wenn heute noch gilt, was 1973 Gültigkeit hat­te, daß der Schwangerschaftsab­bruch weder eine gesellschaftlich wünschenswerte noch eine medizi­nisch empfehlenswerte Methode der Geburtenkontrolle oder Familien­planung ist, dann ist durchaus Handlungsbedarf gegeben. Und wenn die Zahl der Abtreibungen auf jährlich 80.000 bis 100.000 ge­schätzt wird, dann ist es allerhöch­ste Zeit für eine Offensive für das Leben.

Ich gebe zu, daß auch die Vorstel­lungen der Aktion Leben von einer solchen Offensive für das Leben andere geworden sind und sich die Aktion Leben heute etwas völlig anderes darunter vorstellt als noch vor 15 oder acht Jahren. Wir haben uns entwickelt, wir haben vor al­lem durch hautnahen Kontakt mit den betroffenen Frauen in Tausen­den Beratungsgesprächen gelernt.

Es ist uns dabei bewußt gewor­den, daß es bei jedem Schwanger­schaftskonflikt um zwei Menschen geht, die nicht gegeneinander aus­gespielt werden dürfen. Alle Ver­suche, die daher darauf abzielen, entweder das Kind gegen die Frau oder die Frau gegen das Kind zu schützen, müssen fehlschlagen. Es darf immer nur darum gehen, das Kind und die Frau, das Kind mit und durch die Frau zu schützen.

Auch wenn uns manche Verrat an unserem ursprünglichen Anliegen unterstellen, ich schäme mich nicht für diese Lernprozesse. Es kann nichts Schlechtes sein, wenn man fragt, wie man unter geänderten Bedingungen seinem ursprüngli­chen Anliegen am besten gerecht wird. Und die Bedingungen sind seit 1975 geändert; die Fristenrege­lung hat einen Dammbruch bewirkt, der durch kein Gesetz, schon gar nicht durch ein Strafgesetz wieder repariert werden kann.

Eine Offensive für das Leben muß bei diesem Ja der Frau ansetzen. Natürlich nicht manipulativ, na­türlich nicht durch Vorschrift. Wir können und dürfen niemals eine Entscheidung zugunsten des Kin­des erzwingen. Wir können und dürfen aber Rahmenbedingungen schaffen, die es der Frau ermögli­chen, ein Ja zu diesem Kind zu sprechen, wenn sie es sprechen will. Wir können und dürfen den Frauen Alternativen zur Abtreibung auf­zeigen und ihr in einer qualifizier­ten Beratung einen Schutz- und Entfaltungsraum für eine eigenver­antwortliche Entscheidung bieten.

Wir haben in der letzten Legisla­turperiode mit der Einführung des zweiten Karenzjahres, dem wahl­weisen Karenzurlaub und vielen anderen neuen Regelungen echte Verbesserungen erreicht, die wir jetzt aber auch den Betroffenen zugänglich machen müssen. Was nützen die besten Gesetze, wenn sie niemand anzuwenden versteht? Wir haben uns gerade durch diesen Dschungel an Neuerungen durch­gearbeitet, weil wir demnächst eine Informationsbroschüre für schwan­gere Frauen herausgeben wollen. Obwohl wir mit der Materie stän­dig zu tun haben und wirklich Experten auf dem Gebiet der Schwangerschaftskonfliktbera­tung sind, hat es einige Zeit ge­braucht, bis wir uns die Durchsicht verschafft hatten.

Worauf ich hinaus will, ist, daß Frauen ein Recht haben, informiert und beraten zu werden, damit sie aufgrund der erlangten Informa­tionen zu einer eigenverantwortli­chen Entscheidung gelangen kön­nen. Eine Offensive für das Leben sollte darauf abzielen, dieses Recht auf Beratung in Erinnerung zu rufen, sollte darauf abzielen, das Bedürfnis zu wecken, in einer solch wesentlichen Entscheidung eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

Eine Offensive für das Leben sollte meines Erachtens zunächst einmal nichts anderes tun als die Beratung im Schwangerschafts­konflikt und auch die Beratung nach einem Abbruch aus dem Ta­bubereich zu holen.

Damit eine solche Offensive aber eine Chance hat, bedarf es bestimm­ter Voraussetzungen, die noch zu schaffen sind:

• Spezialisierung einiger Bera­tungsstellen auf die Themenberei­che Schwangerschaft, Familienpla­nung, Beratung nach dem Abbruch (die jedoch nicht in Spitälern be­heimatet sein dürfen);

• bessere Qualifizierung der Bera­ter dieser Beratungsstellen durch entsprechende Zusatzausbildung und Fortbildungsveranstaltungen;

• Ausstattung dieser Beratungs­stellen mit finanziellen Mitteln zur unbürokratischen Soforthilfe;

• Krisentelefon für Frauen im Schwangerschaftskonflikt zum Ortstarif;

• umfassende Werbekampagne: Großplakate, Postwurfsendungen, Radio- Fernseheinschaltungen, Beipackzettel über Beratungsange­bot bei Schwangerschaftstests, Info-Broschüre - vom Arzt bei Feststellung der Schwangerschaft auszuhändigen.

Soweit die Vorstellungen der Ak­tion Leben zu einer Offensive für das Leben. Ich möchte noch hinzu­fügen, daß wir unter einem enor­men Erwartungsdruck stehen, weil wir uns einerseits von strafrechtli­chen Bestrebungen distanzieren und damit auch eine deutliche Abgrenzung zu bestimmten Grup­pierungen vollziehen, andererseits aber noch keine Möglichkeit ge­funden haben.um die Abtreibungs­zahlen in unserem Land und damit den Tod Tausender Menschen und das Leid Tausender Frauen zu ver­ringern. Der Grund für dieses Di­lemma liegt meines Erachtens dar­in, daß wir es bisher noch nicht geschafft haben, in die Tat umzu­setzen, was Karl Blecha 1973 rich­tig erkannt und vertreten hat:

„Wenn das Strafrecht den Ab­bruch nicht zu beseitigen vermag, dann muß es schwerwiegende Grün­de dafür geben, daß sich jährlich 30.000 bis 100.000 Frauen in Öster­reich dennoch für ihn entscheiden. Diese Gründe gilt es, wenn man Humanität wirklich begreift, in erster Linie zu beseitigen. Dazu aber ist es notwendig, den Schwanger­schaftsabbruch aus dem Dunkel der Illegalität heraus in die Helle der Beratungszimmer zu führen."

Das Problem ist zwar aus dem Dunkel der Illegalität herausge­führt, aber noch nicht in die Helle der Beratungszimmer gebracht. Eine Offensive für das Leben sollte daher hier ansetzen.

Mag. Gerda Peschke, Generalsekretärin der Aktion Leben Österreich, beim Familienpoliti­schen Beirat am 16. November.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung