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Eine Offensive für das Leben
Die „Aktion Leben", zunächst Initiatorin des Volksbegehrens gegen die Fristenregelung, hat ihre Position kürzlich neu bestimmt. Sie startet derzeit eine „Offensive für das Leben".
Die „Aktion Leben", zunächst Initiatorin des Volksbegehrens gegen die Fristenregelung, hat ihre Position kürzlich neu bestimmt. Sie startet derzeit eine „Offensive für das Leben".
Eine Aufklärungskampagne gegen die Abtreibung, wie wir sie verstehen,
• soll keine Attacke gegen die Fristenregelung sein, deren Herzstück - die Straffreiheit der Frau unter bestimmten Rahmenbedingungennicht nur aus pragmatischen Gründen, sondern aus Uberzeugung nicht aufgegeben werden darf;
• darf keine Hetzjagd oder Hexenjagd gegen Frauen werden, die aus einer subjektiv empfundenen Notlage glauben, ihr Kind nicht auf die Welt bringen zu können;
• soll nicht der Aufruf zu Demonstrationen und Massenkundgebungen mit blutrünstigen Flugblättern und aggressiven Slogans sein;
• darf nicht der Ruf nach Einführung einer Zwangsberatung sein, die durch Manipulation und finanzielle Anreize das Ja zum Kind erpressen will;
• darf nicht der „Sturm" auf Abtreibungskliniken sein.
Wer kann schon gegen eine Offensive für das Leben sein? Wohl nur der, der sich in diesen Fragen selbst disqualifiziert. Wenn heute noch gilt, was 1973 Gültigkeit hatte, daß der Schwangerschaftsabbruch weder eine gesellschaftlich wünschenswerte noch eine medizinisch empfehlenswerte Methode der Geburtenkontrolle oder Familienplanung ist, dann ist durchaus Handlungsbedarf gegeben. Und wenn die Zahl der Abtreibungen auf jährlich 80.000 bis 100.000 geschätzt wird, dann ist es allerhöchste Zeit für eine Offensive für das Leben.
Ich gebe zu, daß auch die Vorstellungen der Aktion Leben von einer solchen Offensive für das Leben andere geworden sind und sich die Aktion Leben heute etwas völlig anderes darunter vorstellt als noch vor 15 oder acht Jahren. Wir haben uns entwickelt, wir haben vor allem durch hautnahen Kontakt mit den betroffenen Frauen in Tausenden Beratungsgesprächen gelernt.
Es ist uns dabei bewußt geworden, daß es bei jedem Schwangerschaftskonflikt um zwei Menschen geht, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Alle Versuche, die daher darauf abzielen, entweder das Kind gegen die Frau oder die Frau gegen das Kind zu schützen, müssen fehlschlagen. Es darf immer nur darum gehen, das Kind und die Frau, das Kind mit und durch die Frau zu schützen.
Auch wenn uns manche Verrat an unserem ursprünglichen Anliegen unterstellen, ich schäme mich nicht für diese Lernprozesse. Es kann nichts Schlechtes sein, wenn man fragt, wie man unter geänderten Bedingungen seinem ursprünglichen Anliegen am besten gerecht wird. Und die Bedingungen sind seit 1975 geändert; die Fristenregelung hat einen Dammbruch bewirkt, der durch kein Gesetz, schon gar nicht durch ein Strafgesetz wieder repariert werden kann.
Eine Offensive für das Leben muß bei diesem Ja der Frau ansetzen. Natürlich nicht manipulativ, natürlich nicht durch Vorschrift. Wir können und dürfen niemals eine Entscheidung zugunsten des Kindes erzwingen. Wir können und dürfen aber Rahmenbedingungen schaffen, die es der Frau ermöglichen, ein Ja zu diesem Kind zu sprechen, wenn sie es sprechen will. Wir können und dürfen den Frauen Alternativen zur Abtreibung aufzeigen und ihr in einer qualifizierten Beratung einen Schutz- und Entfaltungsraum für eine eigenverantwortliche Entscheidung bieten.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode mit der Einführung des zweiten Karenzjahres, dem wahlweisen Karenzurlaub und vielen anderen neuen Regelungen echte Verbesserungen erreicht, die wir jetzt aber auch den Betroffenen zugänglich machen müssen. Was nützen die besten Gesetze, wenn sie niemand anzuwenden versteht? Wir haben uns gerade durch diesen Dschungel an Neuerungen durchgearbeitet, weil wir demnächst eine Informationsbroschüre für schwangere Frauen herausgeben wollen. Obwohl wir mit der Materie ständig zu tun haben und wirklich Experten auf dem Gebiet der Schwangerschaftskonfliktberatung sind, hat es einige Zeit gebraucht, bis wir uns die Durchsicht verschafft hatten.
Worauf ich hinaus will, ist, daß Frauen ein Recht haben, informiert und beraten zu werden, damit sie aufgrund der erlangten Informationen zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung gelangen können. Eine Offensive für das Leben sollte darauf abzielen, dieses Recht auf Beratung in Erinnerung zu rufen, sollte darauf abzielen, das Bedürfnis zu wecken, in einer solch wesentlichen Entscheidung eine Beratung in Anspruch zu nehmen.
Eine Offensive für das Leben sollte meines Erachtens zunächst einmal nichts anderes tun als die Beratung im Schwangerschaftskonflikt und auch die Beratung nach einem Abbruch aus dem Tabubereich zu holen.
Damit eine solche Offensive aber eine Chance hat, bedarf es bestimmter Voraussetzungen, die noch zu schaffen sind:
• Spezialisierung einiger Beratungsstellen auf die Themenbereiche Schwangerschaft, Familienplanung, Beratung nach dem Abbruch (die jedoch nicht in Spitälern beheimatet sein dürfen);
• bessere Qualifizierung der Berater dieser Beratungsstellen durch entsprechende Zusatzausbildung und Fortbildungsveranstaltungen;
• Ausstattung dieser Beratungsstellen mit finanziellen Mitteln zur unbürokratischen Soforthilfe;
• Krisentelefon für Frauen im Schwangerschaftskonflikt zum Ortstarif;
• umfassende Werbekampagne: Großplakate, Postwurfsendungen, Radio- Fernseheinschaltungen, Beipackzettel über Beratungsangebot bei Schwangerschaftstests, Info-Broschüre - vom Arzt bei Feststellung der Schwangerschaft auszuhändigen.
Soweit die Vorstellungen der Aktion Leben zu einer Offensive für das Leben. Ich möchte noch hinzufügen, daß wir unter einem enormen Erwartungsdruck stehen, weil wir uns einerseits von strafrechtlichen Bestrebungen distanzieren und damit auch eine deutliche Abgrenzung zu bestimmten Gruppierungen vollziehen, andererseits aber noch keine Möglichkeit gefunden haben.um die Abtreibungszahlen in unserem Land und damit den Tod Tausender Menschen und das Leid Tausender Frauen zu verringern. Der Grund für dieses Dilemma liegt meines Erachtens darin, daß wir es bisher noch nicht geschafft haben, in die Tat umzusetzen, was Karl Blecha 1973 richtig erkannt und vertreten hat:
„Wenn das Strafrecht den Abbruch nicht zu beseitigen vermag, dann muß es schwerwiegende Gründe dafür geben, daß sich jährlich 30.000 bis 100.000 Frauen in Österreich dennoch für ihn entscheiden. Diese Gründe gilt es, wenn man Humanität wirklich begreift, in erster Linie zu beseitigen. Dazu aber ist es notwendig, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Dunkel der Illegalität heraus in die Helle der Beratungszimmer zu führen."
Das Problem ist zwar aus dem Dunkel der Illegalität herausgeführt, aber noch nicht in die Helle der Beratungszimmer gebracht. Eine Offensive für das Leben sollte daher hier ansetzen.
Mag. Gerda Peschke, Generalsekretärin der Aktion Leben Österreich, beim Familienpolitischen Beirat am 16. November.
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