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Eine olympische Gießkanne

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Die olympische Flamme,, entzündet unweit der Stätte, wo der Sage nach Herakles mittels Umleitung der Fluten des Alpheus die Ställe des Augias radikal ausgemistet hat, befindet sich auf dem Wege nach München. Aber unbeschadet solcher Zufälligkeit glost weiterhin still und heimlich das Feuer auf dem Dache des österreichischen Sportwesens.

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Die olympische Flamme,, entzündet unweit der Stätte, wo der Sage nach Herakles mittels Umleitung der Fluten des Alpheus die Ställe des Augias radikal ausgemistet hat, befindet sich auf dem Wege nach München. Aber unbeschadet solcher Zufälligkeit glost weiterhin still und heimlich das Feuer auf dem Dache des österreichischen Sportwesens.

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Der Brand von Sapporo, wo das sportliche Debakel von jenem der Funktionäre bei weitem in den Schatten gestellt worden war, wurde auf bewährt österreichische Art „gelöscht“. Das durch die Schranz-Affäre an den Rand der Massen-hysterie ' getriebene „Volk der Phäaken“ erhielt sein Funktionärsopfer in Gestalt des Skiverbandspräsidenten Dr. Klee, während die Funktionäre des österreichischen Olympischen Komitees nach wie vor auf ihren Sesseln sitzen. Während der Wintersport aber eine längere Verschnaufpause bis zur nächsten Weltmeisterschaft einlegen kann, wird die Rechnung für die Organisation und die Förderung der Sommersportarten bereits in diesem Monat präsentiert werden.

Auch wenn man davon ausgeht, daß eine mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf die finanziellen Kosten gelenkte öffentliche Sportorganisation nur in einer kommunistischen Zwangswirtschaft motivierbar und möglich ist, zeigt ein Blick in den Bericht der österreichischen Bundesregierung über die Subventionsvergabe aus dem Jahre 1970 den genau umgekehrten Weg. Die „Subvention vom Bund“, nicht erst seit Qualtingers Blütezeit viel belächelte, dennoch heißumfehdete und proporzmäßig wild umstrittene Geldkrippe, hat auf vielen Gebieten mit ihrem Gießkannenprinzip eine echte Förderung ad absurdum geführt. Wie schön es auch unter dem Gesichtspunkt eines falsch verstandenen Gleichheitsgrundsatzes aussehen mag, wenn dem Villenbewohner die gleiche Wohnbeihilfe gewährt wird wie dem Vegetierer in einem Kellerloch, wenn das zumeist veraltete Schulbuch des Millionärssprößlings genauso gratis sein soll wie das des Berg- oder Waldbauern-buben — so sinnlos ist diese Art der Vergabe öffentlicher Mittel.

Von den 30,198.934 Schilling, die der Bund 1970 für die gesamte Sportförderung ausschüttete, verblüffen vor allem die Relationen. War den Vergebern von Steuermitteln etwa die Europameisterschaftsteilnahme des ATSV Gösau 30.000 Schilling wert und dotierte man die Fachgruppe Sport der Journalistengewerkschaft mit 24.000 Schilling, so investierte man in die 800-m-Medail-len-Aspirantin Maria Sykora ganze 28.000 Schilling für deren Sportstipendium in den USA! Nichts gegen die 31.300 Schilling als Administra-tionszuschuß für den Bund österreichischer Eisschützen, aber alles gegen die lächerlichen 45.900 Schilling für den gleichen Zweck bei der Leichtathletik.

Willkürlich herausgegriffen, weil besonders in die Augen stechend und typisch für die Sportförderung „auf österreichisch“, seien auch die 4,5 Millionen Schilling für den Flugsport, wovon allein 2,5 Millionen Schilling als Zuschuß für den laufenden Betrieb des österreichischen Aero-Clubs bestimmt waren, oder die 2,5 Millionen Schilling für den laufenden Investitionsaufwand der Segelfliegerschule Niederöblarn, während für Sporthallen und Schwimmbäder der österreichische Sportstättenplan lediglich 2,450.000 Schilling vorsieht und Kunsteisbahnen mit 1,680.000 Schilling berieselt werden. Eine weitere Viertelmillion zur „Re-fundierung des Gehalts für Professor Morawetz und Sonstiges“ für den Touristenverein „Die Naturfreunde“ runden dieses Mosaik zu einem sinnlosen Ganzen ab.

Aus zum Teil werbetechnischen Gründen haben es die Sommersportarten der Leichtathletik und des Schwimmens bei der Suche nach finanzkräftigen und -willigen Sponsoren wesentlich schwerer als etwa der Skisport. Die Leichtathletikvereine in den größeren Städten haben in den letzten Jähren recht mühsam unterstützungswillige Firmen gefunden, wobei neben der VÖESt, Sparkassen und Kaufhäusern in der Bundeshauptstadt hauptsächlich die Raiffeisen-Organi-sation sowie der Fabrikant Wild-schek die wenigen echten leichtathletischen Olympiahoffnungen unter ihrem Firmenleibchen vergattern. Während bei dem Lackunternehmer nicht zuletzt sein weite Sprünge machender Sohn für sein finanzielles Engagement ausschlaggebend war, sieht der Raiffeisen-Werbechef Doktor Oertel in der Imagebildung für seine Organisation die Hauptmotivation, „da Sport als Synonym für Jugend, Dynamik und ähnliche Be-

Neben solchen Engagements, die zwar zielführend, aber summa summarum für eine echte Spitzensportförderung dennoch zuwenig sind, bildet die vor einigen Monaten ins Leben gerufene „österreichische Sporthilfe“ einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Hatten die als langsam verschrienen Eidgenossen mit der am 7. April 1970 gegründeten „Schweizer Sporthilfe“ bereits nach weniger als zwei Jahren ihre Früchte in Form von völlig unerwarteten zehn Medaillen in Sapporo kassiert, machen sich bei der heimischen Imitation noch immer — hoffentlich nicht anstek-kende — Kinderkrankheiten bemerkbar, wie sie etwa der „Fall Gusenbauer“ demonstriert.

Die von Experten als seriöseste Goldmedaillenanwärterin Österreichs angesehen Ilona blieb mit einem Ansuchen um eine Filmkamera auf der Strecke, während etwa der gewiß talentierte Boxer Csandl, für den ein Überleben der Vorrunden bereits einen beachtlichen Erfolg darstellen würde, den für Nahrungsmittel zweckgebundenen Betrag von mehr als 5000 Schilling beim besten Willen nicht aufessen kann. Daneben steht als besonderer Fall der Stemmer Rudolf Hill, immerhin Siebenter in der letzten Europameisterschaft, seit einem halben Jahr ohne Arbeit und Sozialversicherung da.

Wie man gezielt fördert und dennoch nicht bei Amateurwächter Brundage aneckt, zeigt seit langem die „Deutsche Sporthilfe“, wo nach dem zweiten Weltkrieg Neckermann nicht nur Reisen für Sozialtouristen rund um die Erde, sondern auch den langfristigen Aufbau von Rudolf Mang möglich machte. Die deutsche Herausforderung im Stemmen an die UdSSR demonstriert, wie planmäßige Förderung des Spitzensports — mit etwa 1000 DM monatlich — aussehen kann.

Aber in Österreich muß Unterrichtsminister Fred Sinowatz die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis noch bewältigen, wonach Zweck der Sporthilfe „einzig und allein die Unterstützung von Spitzensportlern“ sei.

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