6920343-1981_42_06.jpg
Digital In Arbeit

Eine Partei mit zwei Obmännern

Werbung
Werbung
Werbung

Der Stempel auf dem künftigen Obmann der SPO Oberösterreichs heißt: „Naturschützer" und „links". Der 48jährige Karl Grünner tritt ein hartes Erbe an:

Er soll bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen in vier Jahren die SPÖ im Land ob der Enns zum Sieg führen.

Die Aufgabe ist schwer. Seit mehr als hundert Jahren regieren in Oberösterreich Landeshauptleute, die der christlich-sozialen Partei (vor 1938) und der Volkspartei (ab 1945) angehören. Alle diese Landeshauptleute kamen aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, alle waren stark volksverbunden. Der amtierende Landeschef Josef Ratzenböck macht da keine Ausnahme.

Grünner bringt aber durchaus Voraussetzungen mit, die für die oberösterreichische Situation der Sozialdemokratie belebend wirken könnten.

Der kommende SP-Obmann ist Lehrer. Er war vor seinem Eintritt in die Landesregierung Direktor der Pädagogischen Akademie des Bundes in Linz.

Ein Lehrer folgt dem Richter Rupert Harth Hartl wird seine Funktion als Parteiobmann am 22. Mai 1982 bei einem ordentlichen

Parteitag im Linzer Brucknerhaus abgeben.

Die SPO wird bei diesem Parteitag, wenn es nach dem Willen Grünners geht, Einigkeit zeigen. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat man schon gemacht, indem man Grünner als einzigen

Kandidaten für die Hartl-Nach-folge vorschlagen wird.

Argumente für Einigkeit findet man bei jenen SP-Mitgliedern, die 1974 den Ennser Parteitag miterlebten, leicht: Bei diesem Parteitag siegte Hartl in einer Kampfabstimmung gegen Josef Friedl mit einem relativ knappen Stim-menvorsprung. Die vorhergehenden und folgenden Personaldiskussionen belasten die Sozialdemokratie im Land ob der Enns bis heute.

Dieses Erbe muß Grünner, noch dazu gegen einen populären ö VP-Landeshauptmann Josef Ratzenböck, antreten.

Sicherlich gibt es derzeit SP-in-tern keine offenen Gruppierungskämpfe. Aber es bleibt nicht verborgen, daß etwa Leo Habringer versucht, wieder mehr Einfluß in der Partei zu bekommen.

Habringer war bis 1974 Landesparteisekretär. Er ist heute Zweiter Landtagspräsident und Anwärter auf den Posten des Naturschutzlandesrates, den Grünner verlassen wird, wenn er Anfang Oktober 1982 auch zum stellvertretenden Landeshauptmann gewählt werden sollte.

Traditionsgemäß führt in der Landesregierung nämlich der sozialistische Landesvize das einflußreiche Gemeindereferat.

Drei SP-Spitzenfunktionäre haben aber bereits jetzt ihre Ambitionen auf einen Landesrat-Sessel von ihrer Gefolgschaft deponieren lassen: neben Habringer auch noch der Nationalratsabgeordnete Wilhelm Remplbauer aus dem Bezirk Linz-Land und der Braunauer Bürgermeister Fuchs.

Wenn es Grünner gelingt, die Landesratsnachfolge ohne allzu viele Scherben zu regeln, hat er schon viel gewonnen.

Insgesamt hat Grünner persönlich als SPÖ-Landeschef keine schlechte Ausgangsposition: Die Erwartungslage der Parteimitglieder für die nächste Landtagswahl ist eher niedrig. Landeshauptmann Ratzenböck genießt derzeit eine Vertrauensbasis, die weit über seine eigene Partei hinausreicht.

Grünner ist es aber jetzt schon gelungen, die kritische (hauptsächlich junge) Parteilinke auf seine Seite zu bringen.

In den elf Jahren seiner Tätigkeit als Direktor der Pädagogischen Akademie hat er gelernt, mit Jugendlichen zu diskutieren, auf ihre Meinung einzugehen.

Das kommt ihm jetzt zugute. Die Jugend zählt auf ihn bei Themen wie Zwentendorf oder Waffenexport.

Parteiintern will Karl Grünner die Zeit bis zu seiner Wahl nützen, möglichst viele Funktionäre kennenzulernen, um sich ein gutes Wahlergebnis zu sichern. Dafür holte er sich Hartls Einverständnis: denn für Probleme ist die gegenwärtige Situation allemal gut. Neben einem Noch-Obmann amtiert ein Noch-nicht-Obmann.

Bei allem guten Willen zur Zusammenarbeit, meinen deshalb Beobachter, könnte die lange Zeit des Uberganges doch noch Meinungsverschiedenheiten zutage bringen, die der SPO sicher nicht nützen.

Von Mai bis Oktober 1982 wird die SPÖ Oberösterreichs in einer Situation sein, die sie aus der Zeit nach den verlorenen Landtagswahlen des Jahres 1973 bereits fürchten gelernt hat: die Funktion des Parteiobmannes und jene des Landeshauptmann-Stellvertreters werden nicht in einer Person vereinigt sein.

Grünner weiß um diese Problematik, daher gibt er auch auf noch so bohrende Journalistenfragen, wie er sich die Lösung dieses oder jenes Problems vorstelle, welche personellen Vorstellungen ihm vorschwebten, keine Antwort. Ohne Rückendeckung durch die Parteigremien sagt und tut Grünner derzeit nichts.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung