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„ Eine partnersdiaf tliche Ordnung “

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Die Kirche ist, wie es in der Pastonalkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ heißt, kraft ihrer Sendung und Natur an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches undl wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden.

Wir möchten diese Eigenverantwortung bei der Gestaltung einer Politik aus christlichem Bewußtsein betonen, weil es nach unserer Auffassung der Natur, der -menschlichen Persönlichkeit entspricht, Verantwortung zu tragen. Die Entwicklung der Gesellschaft ist ja kein automatischer Prozeß, ein ökonomisch eindeutig determinierter Weg, sondern von unserem Verantwortungsbewußtsein abhängig.

Wir betonen auch unsere Eigenverantwortung, weil es in der gleichen Pastoralkonstitution des weiteren heißt: „Niemand hat das Recht, die Autorität der Kirche ausschließlich für sich oder seine eigene Meinung in Anspruch zu nehmen.“

Wir betonen -diese Eigenverant-wortang des politisch mündigen Bürgers um so mehr, als sie die notwendige Ergänzung, ja ein Bestandteil unseres Freiheitsbegriffes ist:

• Unsere Politik ist darauf ausgerichtet, zu trachten, daß der Mensch keinen Machtposiitionen hilflos ausgeliefert ist Die Entscheidungsfreiheit des einzelnen

• soll ausgeweitet werden, wobei sichergestellt wenden muß, daß nicht alte Abhängigkeiten lediglich durch neue ersetzt werden. Entscheidend ist dabei, wie weit der einzelne bereit ist, eigene Verantwortung zu tragen. Freiheit ohne Verantwortung führt zu Zügellosigkeit und Anarchie, Verantwortung ohne Freiheit, ohne Mitbestimmung, degradiert den einzelnen Staatsbürger zum wil-

lenlosen Rad dm gesellschaftlichen Prozeß.

• Entscheidend ist dabei auch, daß wir im Verhältnis von Freiheit und Gleichheit, wie es im Wiener Grundsatzprogramm des ÖAAB undi im Salzhurger Programm der ÖVP dargestellt wird, keinen Gegensatz sehen, sondern eine notwendige Ergänzung. Es gibt Ideologien, die, indem sie die Freiheit verwirklichen wollen, die Gleichheit unberücksichtigt lassen und andere, die Gleichheit auch unter Verlust der Freiheit erzwingen wollen.

Dem setzen wir als -Alternative eine zugleich fre:e und soziale

Gesellschaft entgegen. Chanean-gleicbheit ist nicht nur mit der Freiheit des Menschen vereinbar, sondern deren notwendigte Vorbedingung, da sich die Freiheit ohne elementare Chancengleichheit nicht verwirklichen kann.

War wollen eine Gesellschaft von Gleichwertigen, nicht von Gleichgemachten. Der ÖAAB weiß, daß der gesellschaftliche Prozeß ein permanenter Ausgleich und' ein ständiges Ringen um das Verhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit ist, das sich der billigen Lösung einer - einmaligen Fixierung entzieht.

Es gibt keine Überordnung der

Freiheit über die Gleichheit und keine Überordnung, der Gleichheit über die Freiheit: In jeder historischen Phase muß ihre Ausgewogenheit neuerlich gesucht werden. Die politische Gestaltiungsfreihe.it des einzelnen und die'Gewährleistung sozialer Lebensbedingungen siind zwei notwendige Dimensionen unseres Freiheitsbegriffes. , Denn die Freiheit wächst durch echte soziale Hilfe. • Was die Gestaltung dieser Lebensbedingungen betrifft, so soll jede Zuständigkeit dort ausgeübt werden, wo sie dam Menschen am nächsten ist, soweit nicht unbedingt ein übergeondnetas Organ eingreifen muß. Nach einer gerade 'heute weit verbreiteten Meinung vereinigt der Staat alle Machtvollkommenheit, alles, was es innerhalb seiner Grenzen gibt, bestünde von seinen Gnaden. Im Sinne der Subsidiarität darf

eine derartige Haltung .licht hingenommen werden. Ein Zuwachs an öffentlicher Planung und Fürsorge darf nicht zu einem Verlust der Autonomie in jenen Lebens-bereichen führen, in denen die Eigeruverantwortung des einzelnen am unmittelbarsten ist, in der Familie, in der Gemeinde, im Betrieb.

Gerade in diesen Bereichen ist die persönlich freie, aber auf die Gemeinschaft hinigeordnste Entfaltung aller Kräfte, wozu auch der Mut zum wirtschaftlichen Wagnis 'gehört, für die Entwicklung des gesamten gesellschaftlichen Lebens unentbehrlich

Neue Formen der Mitantschei-dung und Mitverantwortung ebenso wie eine lebendige Entwicklung “ unserer föderalen Strukturen müssen den Ausgleich dort bringen, wo auch nach dein Süibsidiaritätsprinzip ein Mehr an gesamtstaatlicher Tätigkeit Platz greift.

• Dabei wissen wir, daß zur Sicherung und Ausweitung des Freiheitsraumes auch die breite Streuung des Eigentums beiträgt. Der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes kann nicht danach gemessen werden, wieviele Güter produziert werden, sondern danach, wie gerecht sie verteilt sind.

Mit diesen wesentlichen Wertvorstellungen streben wir eine partoerschaftliche Ordnung unseres Gemeinwesens an, wobei wir uns der UnvoUkommenheit unseres Bemühens bewußt sind. Je größer die soziale Selbständigkeit des einzelnen, je höher das Maß an solidarischer Verpflichtung mit dem anderen, je größer die Ausgewogenheit von Mitsprache und Mitverantwortung, um so größer wind auch der partnerschaftliche Charakter des gesiamten Gemeinwesens und seiner sozialen Un-terigMedenungen sein.

Wir glauben, mit diesen Vorstellungen die Abhängigkeit des Menschen zu reduzieren und seine freie Persönlichkeit zu stärken. Wir wollen mit diesen Vorstellungen im Alltag für die Menschen dieses Landes, für diesen Staat arbeiten und zur Besserung der geistigen und materiellen Lebensbedingungen beitragen.

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