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Eine Reform der Reform ?

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Für viele mag die Verlautbarung über eine erneute Zulassung der tridentinischen Meßordnung durch Rom unvermutet gekommen sein; aus Bemerkungen Kardinal Ratzingers, des Präfek-ten der Glaubenskongregation, konnte man schon vor einiger Zeit erkennen, in welche Richtung Rom Schritte zu setzen beabsichtigt, um die Traditionalisten Erz-bischof s Lef ebvres mit der Kirche auszusöhnen. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Entscheidung?

Die Reform der Messe ist nicht erst nach dem Konzil bzw. als Folge des Konzils in Angriff genommen worden; Wünsche zu einer Reform sind gewissermaßen so alt wie die tridentinische Meßordnung. Zur Zeit des Gallikanismus und der Aufklärung wie unter Pius IX., bei der Vorbereitung des 1. Vatikanischen Konzils wurden solche Wünsche laut. Was die nachkonziliare Meßordnung letztlich an Reformen brachte, ist schon unter Pius XII. in vielen Teilbereichen vorbereitet worden.

Ein fundamentaler Irrtum ist die Behauptung, die immer wieder vorgebracht wird, die Reform sei ein Verrat an der Tradition. Man muß im Gegenteil festhalten, daß die erneuerte Meßordnung — sie ist keine „neue" Ordnung — in weit höherem Maße der Tradition entspricht als die frühere, die nur die mittelalterliche Struktur der römischen Messe berücksichtigte, nicht hingegen die Tradition des 1. Jahrtausends.

Ich bin mir sicher, daß die Zulassung der tridentinischen Meßordnung nicht zu einer „Reform der Reform" führen kann und führen wird. Dafür hat die erneuerte Ordnung zu tiefe Wurzeln geschlagen. Die Zulassung ist ja in keiner Hinsicht sachlich begründbar, sondern nur aus emotionalen und irrationalen Motiven verständlich.

Ich glaube auch nicht, daß man aus dieser Zulassung eine „Tendenzwende" ablesen kann; es gibt zwar viele Anzeichen, daß Rom manche konziliare Aussagen und davon geprägte Entwicklungen mit Unbehagen verfolgt und auch bemüht ist, ihnen gegenzusteuern, wie das neue Kirchenrecht erkennen läßt. Die Zulassung der tridentinischen Meßordnung wird aber in dieser Hinsicht nicht viel hergeben.

Eine echte Gefahr besteht hingegen in einem Rückfall in einen Ritualismus, für den Gottesdienst nicht Lebensvollzug der christlichen Gemeinde, sondern ein exaktes Persolvieren eines vorgeschriebenen Rituals durch den Klerus darstellt; einen größeren Widerspruch zu unserem Verständnis von Liturgie kann man sich kaum denken.

Da das Dekret der Ritenkongregation ausdrücklich erklärt, daß das Meßbuch von 1962 nicht mit Elementen des Meßbuches von 1970 vermischt werden darf, ergibt sich als unmittelbare Konsequenz eine tiefgehende Diskrepanz in der Ordnung der Schriftlesungen des Wortgottesdienstes, in der Gliederung des Kirchenjahres (Vorfastenzeit, Osterzeit, Pfingstwoche usw.) sowie die Feier von Heiligenfesten zu verschiedenen Zeitpunkten. Damit werden die traditionalistischen Gemeinschaften zu einer „Kirche in der Kirche", zumindest zu einer eigenen Ritusgemeinschaft.

Von größerer Tragweite sind die theologischen Konsequenzen, die diese Zulassung nach sich ziehen, denn der Widerstand gegen die erneuerte Meßordnung argumentierte damit, daß diese im Widerspruch zu den Glaubensaussagen von Trient stehe und daher häretisch sei. Auch wenn von den traditionalistischen Gruppierungen eine Anerkennung des Vaticanum II. und seiner Aussagen als Voraussetzung für die Gewährung der tridentinischen Meßordnung verlangt wird, so wird diese Zulassung doch auch als Bestätigung der Ablehnung der erneuerten Theologie der Eucharistiefeier interpretiert werden.

Die nachkonziliare Kirche wird mit dieser vorkonziliaren Meßordnung bestimmter Gruppierungen leben können; ob damit aber das vorgegebene Ziel einer Aussöhnung der Traditionalisten mit der Gesamtkirche erleichtert wird, kann man mit Recht in Frage stellen.

Der Autor ist Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Salzburg.

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