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Eine Reform ohne Steuersenkung ?

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Das wird weder der ÖGB noch die FPÖ gerne hören: Herbert Salcher will bei der Steuer Ausnahmen abschaffen und den Gewinn dem Budget einverleiben. Also keine Steuersenkung.

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Das wird weder der ÖGB noch die FPÖ gerne hören: Herbert Salcher will bei der Steuer Ausnahmen abschaffen und den Gewinn dem Budget einverleiben. Also keine Steuersenkung.

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FURCHE: ,JJur ein Finanzminister mit ausgeprägtem Todestrieb“ könnte, haben Sie in der FURCHE (5/1983) geschrieben, eine Generalreform des Steuersystems ankündigen. Nun mußten Sie das — laut Koalitionspakt und Regierungserklärung. Haben Sie den Trieb entwickelt? Oder wurden Sie getrieben?

FINANZMINISTER SALCHER: An sich freiwillig. Die vorgeschlagene Steuerreform ist sicherlich keine Gesamtreform für alle Bereiche. Es wird einige Hauptzielrichtungen geben, die man vorweg ins Auge faßt.

FURCHE: Welche?

SALCHER: Hier vor allem die Durchforstung der Ausnahmebestimmungen auf ihre soziale und sachliche Rechtfertigung. Das andere ist, daß man versucht,in Einzelbereichen das Steuersystem einfacher und durchschaubarer zu machen. Das geht nur auf Kosten von Ausnahmebestimmungen.

FURCHE: Die Absichtserklärung ist ja so neu nicht. Genau das gen. Die müssen sich dann so wie die Politiker gefallen lassen, daß ihre steuerliche Behandlung auf die Rechtfertigung hin untersucht wird. Ich möchte nicht sagen, daß eine solche Untersuchung a priori ergeben muß, daß diese Vorteile nicht gerechtfertigt sind. Es kann ja eine beträchtliche Verwaltungsvereinfachung und doch gerecht sein.

FURCHE: Wenn die Ausnahmebestimmungen untersucht werden, heißt das doch, daß eigentlich die Frage einer höheren Besteuerung von Weihnachtsund Urlaubsgeld noch nicht endgültig vom Tisch ist.

SALCHER: Diese Diskussion ist unvermeidbar. Denn eine Durchschnittsbesteuerung des 13. und 14. Bezuges von 3,5 Prozent ist eine solche Ausnahmebestimmung. Da hat man zu prüfen: Ist das sachlich gerechtfertigt? Ist das noch im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen zu rechtfertigen? Dann muß eine politische Entscheidung fallen, ob das auch opportun ist Ich kann mir nicht

FURCHE: Ist das dem Koalitionspartner zuzumuten? Widersprechen sich nicht eigentlich die Steuervorstellungen von SPÖ und FPÖ im Grundsatz? Die SPÖ gibt den direkten Steuern gegenüber den indirekten den Vorzug, die FPÖ hält es genau umgekehrt. Wie ist das unter einen Hut zu bringen?

SALCHER: Diese Auseinandersetzungen entsprechen längst nicht mehr der Realität. Ein moderner Staat braucht direkte wie indirekte Steuern. Wir sind bei den Ertragssteuern, bei der Lohn- und Einkommensteuer, schon in einen Bereich hineingekommen, wo man nicht mehr viele Erträge erzielen kann, ohne auf ungeahnten Steuerwiderstand zu stoßen. Das hat sich ja schon bei meinen Plänen hinsichtlich des 13. und 14. Bezuges gezeigt. Aber wenn man einen Spitzensteuersatz von 62 Prozent hat, würde eine Erhöhung — F iktion bitte! — auf 75 Prozent den Unmut derart vergrößern, daß das in keinem Vergleich zu dem steht, was es bringt. Ich gebe aber zu, daß in der Diskussion in unserer Partei die Frage des reich nichts ändert, werden wir im Jahr 1984 allein an Bundeszuschüssen neun Milliarden Schil- “ ling mehr auszugeben haben. Und das muß bezahlt werden.

FURCHE: Darüber hinaus plant die Regierung auch neben der Anonymitätsabgabe eine zweckgebundene Abgabe für den Energieverbrauch, um für den Umweltfonds Geld zu bekommen. Heißt das, daß die erhöhte Mehrwertsteuer auf Energie zweckgebunden wird? Oder heißt das gar, daß ein zusätzlicher Steueraufschlag dazukonunt?

SALCHER: Diese Frage wird geprüft. Es gibt drei Möglichkeiten: Man senkt den Mehrwertsteuersatz für Energie ab und legt eine Energieverbrauchsabgabe als Fixbetrag drauf. Die zweite Möglichkeit ist die, daß man die Mehrwertsteuer auf Energie von derzeit 13 auf 15,16,17 Prozent erhöht — was halt notwendig ist. Letztlich gäbe es auch die Möglichkeit einer Energieverbrauchsabgabe sui generis auf bestimmte Energiesparten.

der Sozialversicherung mit 1. Juli 1984 in Kraft setzen kann.

Andererseits: Zeiten der wirtschaftlichen Depression eignen sich nicht sehr leicht zur Ausgabenkürzung. Und wenn die Konjunktur wipder anspringt, sind die Regierungskollegen auch nur sehr schwer zu überzeugen, daß jetzt der Zeitpunkt zum Sparen wäre — wo”s doch allen wieder besser geht.

FURCHE: Ist die Reform per 1. Juli 1984 verbindlich?

SALCHER: Das ist ein Zieltermin. Nachdem die Sozialversicherung in der Selbstverwaltung tätig ist, kann man das schwerlich ohne die Interessenvertretungen der Dienstgeber und Dienstnehmer tun.

FURCHE: Eigenartig. Jetzt soll binnen Jahresfrist eine so große Reform durchgezogen werden, obwohl die Probleme seit vielen Jahren anstehen - und gelöst hätten werden können.

SALCHER: So darf man das nicht sehen. Ich würde den Termin 1. Juli 1984 nicht in den Mund nehmen, wenn nicht bereits intensive Vorarbeiten geleistet worden wären. Was noch notwendig ist, ist die politische Umsetzung.

FURCHE: Wenn sich Zeiten der wirtschaftlichen Depression nicht für Ausgabenkürzungen eignen, steigen also die Staatsschulden weiter. Schon heute muß ein Großteil der Neuverschuldung nur zur Bezahlung der Zinsen für wurde, ohne daß etwas geschahen wäre, auch schon in der Regierungserklärung 1979 versprochen.

SALCHER: Nur ist die Ausgangsbasis eine andere. Wir arbeiten hier im Haus, seit ich Minister bin, an einer Aufstellung all dieser Ausnahmebestimmungen. Jetzt muß man prüfen, welche aufrechterhälten bleiben sollen. Wenn man etwa von Privilegien spricht, kann ich mir nicht vorstellen, daß pauschale Steuervorteile bei anderen Berufsgruppen eingezogen werden, wenn der steuerfreie Pauschalbetrag für Politiker aufrecht bleibt. Ich werde vorschlagen, daß dieser steuerfreie Pauschalbetrag der Steuerpflicht unterworfen wird und der Politiker — wie jeder andere — die Möglichkeit hat, jene Aufwendungen, die er tätigt, zur steuerlichen Berücksichtigung nachzuweisen.

FURCHE: Politiker haben den Vortritt, andere Berufsgruppen sollen nachfolgen …

SALCHER: Richtig. Es gibt von den Kunstpfeifern bis zu den Philharmonikern…

FURCHE: … ehrlicherweise: über die Journalisten …

SALCHER:… über die Journalisten und Mitarbeiter im ORF gewisse Ausnahmebestimmunvorstellen, daß jemand, der drei Kinder hat und 100.000 Schilling im Monat verdient, für 200.000 Schilling 13. und 14. Bezug null Schilling Steuer zahlt. Das ist sozial sicher nicht symmetrisch. Die Diskussion wird zu führen sein.

FURCHE: Wenn Ausnahmebestimmungen fallen: Wird um dies der Tarif für die Lohn- und Einkommensteuer gesenkt?

SALCHER: Da muß eine politische Entscheidung getroffen werden. Wenn Ausnahmen gestrichen werden, bedeutet das — bei Beibehaltung der bisherigen Steuersätze — Mehreinnahmen für Bund, Länder, Gemeinden, Familienlastenausgleichsfonds und Wohnbauförderung. Das ist zu quantifizieren und die politische Entscheidung zu treffen: Machen wir das aufkommensneutral, also unter Senkung der Steuersätze, oder heben wir die Ausnahmen deshalb auf, um Mehreinnahmen zu erzielen. Diese Entscheidung kann und will der Finanzminister nicht allein treffen.

FURCHE: Aber Sie haben doch persönliche Präferenzen?

SALCHER: Ich habe ein hohes Budgetdefizit abzudecken und daraus ergibt sich die Antwort von selbst: Mehreinnahmen wären dringend erwünscht.

Spitzensteuersatzes wieder aktualisiert werden könnte.

FURCHE: Wenn nun beidenEr- tragssteuern — noch dazu wenn Mehreinnahmen durch den Wegfall von Ausnahmen fließen — der Plafond erreicht ist, bleibt die Erhöhung der Mehrwertsteuer, worüber im Herbst 1983 entschieden werden soll. Und die ist sozial gerecht?

SALCHER: Ob die Mehrwertsteuer zu erhöhen ist oder nicht, hat nicht nur einen sozialen Aspekt, sondern vor allem auch einen konjunkturpolitischen. Jede Erhöhung der Mehrwertsteuer schlägt mehr oder weniger auf die Inflationsrate durch. Das Mehr an Bruttoeinnahmen würde netto im Bundesbudget weit unterdurchschnittlich ausfallen, weil erstens diese Umsatzsteuer mit Ländern und Gemeinden zu teilen wäre, weil zweitens auch den Bund eine höhere Mehrwertsteuer als Auftraggeber über höhere Preise trifft und weil eine höhere Inflationsrate höhere Beamtenforderungen und höhere Pensionsleistungen zur Folge hätte. Da muß man schon sehr genau rechnen. Daß Mehreinnahmen zu erschließen sind, ergibt sich schon aus der Notwendigkeit, Mehrausgaben zu bedecken. Wenn sich im Sozialbe-

FURCHE: Bisher war nur von Mehreinnahmen die Rede. Und was ist mit „den strengsten Maßstäben der Sparsamkeit“? Was soll unterm Strich eingespart werden?

SALCHER: Diese Einsparungen sind schwer zu quantifizieren. Wir werden uns im Juli über die Eckdaten des Budgets 1984 einigen und auf diese Eckdaten hin müssen Einnahmen und Ausgaben abgestimmt werden. Relativ einfach ist es, weitere zehn Prozent bei den Subventionen einzusparen. Das wird ein großes Heulen und Zähneknirschen bei den Subventionsempfängern geben. Es geht auch um internationale Verpflichtungen, die wir überprüfen, ob wir bei all diesen Organisationen mitwirken sollen und müssen. Auf der anderen Seite aber steht die selbstverständliche Verpflichtung, daß sich Österreich nicht isoliert.

FURCHE: Steht Ihnen denn keine konkrete Summe vor Augen? Kein Ziel?

SALCHER: Ich habe ein Ziel vor Augen, das nur erreichbar ist, wenn man die Nullbudgetierung gesetzlich verpflichtend macht. Dieses Ziel ist aber auch nur dann erreichbar, wenn man die Reform alte Schulden aufgewendet werden. Kann das so weitergehen?

SALCHER: Das hängt sehr stark vom Zinsniveau ab. Und wenn die Zinsen sinken, so ist die Staatsschuld eine geringere Sorge als vor ein oder zwei Jahren. Heuer zum Beispiel beträgt der Aufwand für die Staatsschuld um fast eine Milliarde Schilling weniger als wir das zu Beginn des Jahres noch angenommen haben.

Das Gespräch mit Finanzminister Herbert Salcher führte Hannes Schopf.

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