6999759-1987_21_05.jpg
Digital In Arbeit

Eine Regierung mit zwei Stimmen

19451960198020002020

Israels Koalition ist gespalten. Eine Friedenspolitik des Außenministers im Alleingang, läßt Neuwahlen .möglich erscheinen. Der konservative Likud-Block zögert noch.

19451960198020002020

Israels Koalition ist gespalten. Eine Friedenspolitik des Außenministers im Alleingang, läßt Neuwahlen .möglich erscheinen. Der konservative Likud-Block zögert noch.

Werbung
Werbung
Werbung

Schon bei der Regierungsbildung war den beiden großen Partnern der damals zum ersten Mal gebildeten Einheitsregierung klar, daß, sollte es zu Friedensverhandlungen kommen, die Partner sich trennen müssen. Denn der rechtskonservative Likud ist für ein Großisrael und zu keinerlei territorialen Verzichten bereit. Andererseits kann es keinen Frieden mit Jordanien geben, wenn die Israelis nicht wenigstens auf große Teile der besetzten Gebiete verzichten.

Die dringendsten Probleme, die die neue große Koalition damals lösen mußte, waren der Rückzug aus dem Libanon sowie die Gesundung der Wirtschaft und an erster Stelle die Bekämpfung der damals rund SOOprozentigen Inflation. Der damalige sozialisti-"sche Ministerpräsident Schimon Peres konnte diese Probleme mehr oder weniger lösen, obwohl die rechtskonservativen Li-kudmitglieder des Kabinetts mit Jizchak Schamir an der Spitze gegen die neue Wirtschaftspolitik und den Rückzug aus dem Libanon gestimmt hatten.

Peres wollte jedoch unbedingt auch eine neue Friedenspolitik einführen, da er zur Uberzeugung gekommen war, daß heute die Zeit reif sei, um mit den Arabern, an erster Stelle mit König Hussein von Jordanien, einen Verhandlungsfrieden zu schließen. Mit diesem Programm reiste Peres durch die halbe Welt, um Unterstützung für seine Friedenspläne zu erhalten. Schamir, damals der Stellvertreter von Peres und Außenminister, sah diese neue Friedenspolitik, doch ließ er Peres gewähren. Denn er erblickte in dieser kaum eine Gefahr für Großisrael. Alles schwebte in seinen Augen in der Ferne, also warum sollte man dann nicht lieber die Augen zudrücken?

Inzwischen konnte Peres jedoch einige Erfolge für sich buchen. Er besuchte König Hassan von Marokko, obwohl er keinen fertigen Friedensplan im Namen seiner Regierung vorbringen konnte. Wichtiger noch, er konnte König , Hussein überzeugen, daß, wenn dieser sich aus innerarabischen Gründen keine Direktverhandlungen mit Israel leisten könne, da er unter anderem auch um seine persönliche Sicherheit bangen muß, er für Verhandlungen bereit wäre, wenn diese unter der Ägide einer internationalen Friedenskonferenz, unter Teilnahme der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates, abgehalten werden. Es handelt sich hier um die USA, Frankreich, Großbritannien, Sowjetimion und die Volksrepublik China. Noch haben die beiden kommunistischen Staaten ihre Teilnahme nicht zugesagt, da Israel erst über Anbahnungen diplomatischer Beziehungen verhandelt und ferner über eine Liberalisierung der Auswanderungspolitik für Juden aus der Sowjetunion.

Trotzdem roch Schamir Lunte. Zwar behauptete Peres, keinerlei Versprechungen an Hussein gemacht zu haben bezüglich einer Rückgabe besetzter Gebiete; doch ist allen klar, daß es ohne Verzicht auf mindestens einen Großteil dieser Gebiete keinen Frieden gibt. Schamir, der inzwischen vor etwa einem halben Jahr Ministerpräsident im Rahmen der Rotation geworden war, be-

stand darauf, daß Peres seine Friedensmission abbreche. Denn die Hälfte des Kabinetts sei dagegen.

Die Lage wurde fast nicht mehr haltbar. Schamir schickte seine Abgesandten überall hin, wo Peres vorher auftrat und von einer internationalen Friedenskonferenz sprach. Schamirs Emissäre hatten nur eine Aufgabe, zu berichten, daß Ministerpräsident Schamir und der Likud gegen die Perespolitik sind.

Um der Situation ein Ende zu bereiten, brachte endlich Peres einen Plan zur Abhaltung einer internationalen Friedenskonferenz, die Direktverhandlungen mit Jordanien abschirmen soll, vor das engere Kabinett in Jerusalem, das Ende vergangener Woche tagte. Peres forderte keine Abstimmung, da diese unentschieden ausgegangen wäre, was bedeutet hätte, daß Peres vom

Kabinett seinen Plan nicht bestätigt bekommen hat. Schamir hingegen versteifte sich darauf, daß Peres wirklich kein Mandat für seine Friedenspolitik hat. Doch brachte auch er seinen Vorschlag aus demselben Grund nicht zur Abstimmung, sodaß die „unentschiedene politische Situation" hier weiterbesteht.

Die Arbeiterpartei glaubte nun, daß es am besten wäre, das Volk durch Neuwahlen entscheiden zu lassen, ob es den Friedensplan wolle; oder den Status quo, der letztlich zu weiteren Kriegen führen muß. Doch der Likud will keine Neuwahlen, da die Meinungsprognosen zur Zeit dem sozialistischen Maariv, der Arbeiterpartei, einen kleinen Vorsprung geben.

Inzwischen wird die Regierung so weitermachen wie bisher, denn die Arbeiterpartei will auf ihre Machtpositionen nicht verzichten. Peres, der zwar die Sympathie der gesamten westlichen Welt für seinen Plan hat, wird versuchen, weiter diese Friedenspolitik voranzutreiben. Und Schamir, der zwar in der Welt sehr unpopulär ist, wird weiter die Politik der rechtsradikalen Guschemunim im Namen seines Likuds führen. Er verläßt sich darauf, daß letztlich die Tendenz nach rechts auch in Israel Fuß gefaßt hat.

Die Arbeiterpartei hingegen hat versprochen, auch wenn sie in der Regierung bleibt, nichts unversucht zu lassen, um vorgezogene Neuwahlen abzuhalten. So ist die Regierung weiter eine Regierung mit zwei Stimmen; und es ist schwer vorstellbar, wie diese wirklich regieren kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung