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Eine Roßkur

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Eher düster schildert die Weltbank in ihrem jüngsten Weltentwicklungsbericht die wirtschaftliche Situation in der Dritten Welt. Das Gefälle zwischen armen und reichen Ländern besteht nach wie vor. Plastisch illustriert dies eine Weltkarte, in der die Fläche der Länder ihrem Bruttonatio-nalprodukt entspricht: Da sind die USA größer als alle Entwicklungsländer zusammengenommen, die Bundesrepublik größer als Indien und China, Heimat von insgesamt 1,7 Milliarden Menschen!

Die Kluft ist also groß. Aber verringert sie sich? Durchaus nicht: Die Austauschbeziehungen der Entwicklungsländer haben sich weiter verschlechtert, da die Rohstoffpreise 1982 ihren tiefsten Stand seit 1945 erreicht haben. Der Fertigwarenexport stagniert. Mit ihren Ausfuhren kann die Dritte Welt — trotz leichten Anstiegs im Vorjahr - ihre Lage kaum verbessern.

Gerade in den Außenhandelsbeziehungen muß sich aber dringend etwas ändern. Die Leistungsbilanzdefizite, also die Lücken zwischen Ein- und Ausfuhren, sind nämlich enorm (1981: 1500 Milliarden Schilling). Weil bei den Exporten nichts zu holen ist, werden also die Einfuhren drastisch gekürzt und so die Lük-ke verkleinert. Im Vorjahr betrug sie „nur mehr" 920 Milliarden Schilling.

Wie radikal die Maßnahmen sind, zeigt das Beispiel von Argentinien und Mexiko: Argentinien verringerte seine Einfuhren in zwei Jahren um 50 und Mexiko in nur einem um 35 Prozent. Daß durch solche Eingriffe die Binnenwirtschaft nicht belebt wird, versteht sich von selbst. Arbeitslosigkeit ist eine der schwerwiegenden Folgen: Von 1980 bis 1982 gingen beispielsweise im Raum Säo Paulo 13 Prozent der gewerblichen Arbeitsplätze verloren.

Ein Hauptgrund für diese Roßkur sind die Schulden dieser Länder. Nur mit Exportüberschüssen kann nämlich der Schuldendienst für die Auslandsschulden verdient werden. Und wenn solche nicht durch höhere Exporte in die Industrieländer (die vielfach zum Protektionismus neigen) erzielt werden können, bleibt eben nur der Ausweg der Importbremse — und der Umschuldung. 1983 mußten für 36 Länder neue Zahlungsbedingungen vereinbart werden.

Und welchen Ausweg aus der Misere sieht die Weltbank? Das Zauberwort heißt Wachstum in den Industrieländern, und zwar nicht wenig: vier bis fünf Prozent. Davon erwartet man sich eine ansteckende Wirkung auf alle anderen Länder: Mehr Außenhandel, bessere Erträge, sinkende Zinsen, leichtere Schuldentilgung, usw....

Ob das nicht wahrhaft utopisch ist? Es würde unseren Wohlstand in den nächsten zehn Jahren noch einmal um 50 Prozent erhöhen. Statt derzeit 170 Billionen Schilling Wirtschaftsvolumen hätten die OECD-Länder dann satte 260 Billionen. Ob das unsere Umwelt verträgt? Wäre da nicht ein Appell an unsere Bereitschaft, mehr Entwicklungshilfe zu leisten, sinnvoller? Er wäre nur leider ebenso unrealistisch wie die Hoffnung auf einen neuen Boom.

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