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Eine sehr nüchterne Sache

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Der Innsbrucker Professor der Politikwissenschaft Anton Pelin-ka hat sich wiederholt kritisch mit der Sozialpartnerschaft auseinandergesetzt. Dennoch zeigen manche seiner Thesen einen gewissen Hang zu einseitigen Uber-treibungen oder zu—vielleicht bewußten — Uberzeichnungen.

1. Wenn im Beitrag „Opium für die da unten" (FURCHE, 14/1984) diese Sozialpartnerschaft als extrem arbeitsteilige Kultur bezeichnet wird — scharfe Trennung von Insidern und Outsidern — so läßt sich dazu sagen, daß dies gewiß nicht mehr der Fall ist als in anderen Bereichen des politischen Systems.

Im Gegenteil: Die großen Interessenverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer diskutieren über die einschlägigen Fragen gewiß mehr als die politischen Parteien. Ich denke an die vielen verbandsinternen Diskussionen über Lohn- und Einkommenspolitik, Investitionsförderung und viele andere aktuelle Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Auch wirken in den mehr als 100 Gremien allein auf Bundesebene, in denen Sozialpartner vertreten sind, ebenso zahlreiche Funktionäre und Experten mit, daß man nicht so ohne weiteres von einer kleinen Insider-Gruppe sprechen kann.

2. Wenn Pelinka die Sozialpartnerschaft als Beglückungskultur bezeichnet, weil Insider und Outsider „die drinnen und die draußen", gleicherweise damit zufrieden sind, so liegt auch hier manche Verzeichnung vor.

Zunächst sind sehr viele unzufrieden, vor allem Unternehmer, aber auch Arbeitnehmer. Kompromisse stellen nicht immer alle zufrieden. Die Sozialpartnerschaft lebt aber von Kompromissen. Sie wird freilich von den Betroffenen nicht immer so geschätzt wie von den Medien.

3. Pelinka bezeichnet die Sozialpartnerschaft als Dienstleistungskultur. Darunter versteht er die Wahrnehmung einer Servicefunktion. Sie gewährleiste etwa den sozialen Frieden und „damit relative gesellschaftliche Sicherheit".

Dies trifft zweifellos zu. Sind doch schon die einzelnen Interessenverbände zu bestimmten

Dienstleistungen ihren Mitgliedern gegenüber verpflichtet. Umso mehr gilt dies für die Sozialpartnerschaft, die durch ihr System des Konfliktausgleiches eben Streiks und Aussperrungen ebenso verhindert, wie sie positiv zur Sicherung der sozialen und innenpolitischen Stabilität beiträgt.

Wenn Pelinka der Sozialpartnerschaft auch die Vermittlung „sozialer Wärme" zuschreibt, daß sie immaterielle Sicherheit verbürge, daß sie geradezu ein sekundärreligiöses Phänomen darstelle, daß sie auch „Opium" sei, geht hier doch die Phantasie des Innsbrucker Professors etwas weit.

Auf jeden Fall ist die Sozialpartnerschaft kein Betäubungsmittel. Sie setzt im Gegenteil die immer neu entstehenden Konflikte voraus. Diese werden keineswegs immer so harmlos gesehen. Die einschlägigen Verhandlungen, etwa über Lohn- und Preisfragen, über die Organisation des Sozialversicherungswesens, über Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitfragen, sind immer wieder hart und schwierig.

So ist die Sozialpartnerschaft für die darin verwobenen Organisationen eine sehr nüchterne und reale Sache, gewiß kein sekundärreligiöses Phänomen.

4. Pelinka sieht in der Sozialpartnerschaft auch eine „Obrigkeitsstaatskultur". Das trifft bis zu einem gewissen Grad das österreichische politische System überhaupt.

Im Bereich der Sozialpartnerschaftsorganisationen, der Gewerkschaften, Handels-, Landwirtschafts- und Arbeiterkammern, kommen doch auch manche demokratische Elemente zur Geltung. Die eben abgelaufenen Arbeiterkammerwahlen zeigen ebenso wie die Vorbereitungen der für 1985 fälligen Handelskammerwahlen, daß Wahlen auch in diesen Körperschaften immer bedeutender werden.

Gerade die verzweigte Handelskammerorganisation kann aber als Beispiel für eine Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips angesehen werden. Sind doch die kleineren Gemeinschaften, die Fachgruppen und Fachverbände, in ihren Angelegenheiten relativ selbständig. Sie wirken aber auch maßgebend an den allgemeinen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen mit.

Das gilt noch mehr für das Verhältnis Bundeskammer zu den Landeskammern.

Eine kritische Beurteilung einer so komplexen und komplizierten Organisation wie der Handelskammern, noch mehr aber die Beurteilung des schwer überschaubaren Systems der Sozialpartnerschaft, setzt weitreichende Kenntnisse auch „von innen her" voraus.

Der Politikwissenschaft erwachsen daraus wichtige Aufgaben. Sie müssen aber ernst genommen werden und dürfen nicht oberflächlich betrieben werden.

Der Autor ist Professor für Gesellschaftspolitik und politische Theorie an der Universität Wien.

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