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Eine späte Anerkennung

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Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit von Reformen in der Pensionsversicherung - aus Gründen der seit 1956 eingetretenen Entwicklungen und in Einsicht in finanzielle Notwendigkeiten — muß festgehalten werden, daß eine solche Reform neben vielleicht unvermeidlichen Belastungen aller Versicherter nicht noch zusätzliche Einschränkungen für berufstätige Frauen mit sich bringen darf.

Die Situation verheirateter Frauen mit Familienpflichten unterscheidet sich trotz Familienrechtsreform in der sozialen Realität auch heute ganz erheblich von der der Männer.

Frauen haben infolge von Familienpflichten fast stets kürzere, oftmalig unterbrochene Versicherungszeiten. Fraueneinkommen und Männereinkommen sind unverändert verschieden hoch. So betrugen die mittleren Einkommen männlicher Arbeiter im Jänner 1983 11.510 Schilling, die mittleren Einkommen weiblicher Arbeiter 7.449 Schilling, das sind 65 Prozent. Die mittleren Einkommen männlicher Angestellter lagen zur gleichen Zeit bei 16.879 Schilling, die weiblicher Angestellter bei 10.122 Schilling, das sind 60 Prozent.

Auch bei gleicher Qualifikation und gleicher Arbeitszeit war das durchschnittliche Einkommen der Männer um rund 30 Prozent höher als das der Frauen. Diese Einkommensdifferenzen sind von der angelernten Arbeiterin bis zur Akademikerin nachweisbar und zeigen sich sehr deutlich bei den erheblich unterschiedlichen Lebensverdienstsummen.

Berufstätige Frauen, die verheiratet sind und Kinder haben, üben de facto zwei Berufe aus: Mikrozensuserhebungen zeigen, daß im Falle elterlicher Hilfe bei den Hausaufgaben diese nur in 4,3 Prozent vorwiegend vom Vater, aber in 41,9 Prozent vorwiegend von der Mutter geleistet wird.

Dem größten Teil der Frauen obliegen auch die Pflichten des Aufräumens (werktags 95,8 Prozent), Abwaschens (werktags 93,5 Prozent) und Einkaufens (werktags 87,5 Prozent). Erwerbstätige Mütter verwenden täglich zirka sieben Stunden für Haushaltsarbeit und Betreuung der Kinder — sie haben also faktisch eine zweimal 40-Stunden-Woche!

Manche Befürworter der Einsparung von Mitteln bei der Witwenpension (die derzeit 3.500 Witwerpensionen fallen finanziell nicht ins Gewicht) verweisen mit Vorliebe auf die Sektionschef-Witwe mit eigener Ministerialrats-pension - also auf eine Handvoll Fälle, deren Pensionen von keinem nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) Versicherten und auch von ganz, ganz wenigen Beamten überhaupt je erreichbar ist.

Die Durchschnittspension der nach dem ASVG versicherten Frauen betrug nämlich noch vor kurzer Zeit 3.800 Schilling, während die durchschnittliche Männerpension bei 6.400 Schilling lag.

Die Witwe nach einem Arbeiter bezog durchschnittlich 3.438, die nach einem Angestellten 4.538 Schilling.

Unsere berufstätigen Frauen sind sicherlich auch im Falle des Todes des Ehemannes keine „Doppelverdiener" und keine „Doppelbezieher". Sie waren aber, oft ein ganzes Leben lang, Doppel- und Dreifacharbeiter. Ihre Witwenpension ist daher kein Privileg, sondern eine oftmals geringe und fast immer späte Anerkennung.

Die Autorin arbeitet im Frauenreferat der Arbeiterkammer Wien. Auszug aus einem Diskussionsbeitrag bei der Enquete „Pensionsreform - ein Frauenproblem?" am 17. Jänner in Wien.

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