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Eine Stätte großer und lebendiger Ideen

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Im heurigen Jahr feiert das Stift Rein, das älteste ununterbrochen bestehende Zisterzienserstift der Erde, sein 850jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlaß findet in den Räumen des Stiftes Rein-Hohenfurth vom 22. Aprü bis zum 30. September 1979 eine Ausstellung statt, die Schwerpunkte des monastischen Lebens, der Geschichte und der inneren sowie der ausstrählenden Kultur des Hauses setzen möchte.

Der Zisterzienserorden wurde im Jahre 1098 in Citeaux (lat. Cister-cium) vom Benediktinerabt Robert von Molesme (gest. 1108), der für strengste Beobachtung der Regel St. Benedikts eintrat, gegründet und erfuhr durch den Beitritt des berühmten Bernhard von Clairvaux einen ungeheuren Aufschwung.

Um der Erneuerung des Ordensideals dienen zu können, wählten zwölf Mönche aus Ebrach (Franken) das abgelegene Reintal, um es „mit Hilfe dessen, der den Schaffenden Stärke gibt“, zu kultivieren.

Eine ausreichende Dotierung der Traungauer, der damaligen Landesherren und Gründer des Klosters sowie anderer Wohltäter halfen über die Anfangsschwierigkeiten hinweg.

Von seiner Gründung an erscheint das Stift untrennbar mit der Geschichte der Steiermark und seiner Landeshauptstadt Graz verbunden. Durch alle geschichtlichen Wechselfälle der Jahrhunderte hindurch hat sich das Kloster mit seinen 13 inkorporierten Pfarren als kulturelles Zentrum im Besitz geistiger und künstlerischer Schätze behauptet.

So umfaßt die Stiftsbibliothek über 80.000 Bände, etwa 300 Handschriften und ebensoviele Inkunabeln. Einer ihrer größten Förderer war Abt Wolfgang (gest. 1515), der der Überlieferung nach das nach ihm benannte Prachtmissale knieend geschrieben haben soll. Eine besondere Stellung unter den Handschriften nimmt das sogenannte Reiner Musterbuch ein; es zeigt in BUdern das Leben des 13. Jahrhunderts, nicht nur das der Mönche im Kloster, sondern auch der Handwerker, Bauern, Jäger und Fischer. ........_

Das Kloster Rein hatte aber auch weltliche Aufgaben zu erfüllen; so war es Grundherrschaft und übte privatrechtliche Funktionen und öffentliche Verwaltungsfunktionen über die Menschen in seinem Bereich aus. Ebenso prägte das Stift das

Glaubensleben, welches sich vor allem in einer innigen Marienverehrung manifestiert, aber auch in einer Hinwendung zu jenen beliebten Heiligen, an die sich die Menschen zu jeder Zeit mit ihren mannigfaltigen Nöten wenden konnten.

Die Jubiläumsausstellung zeigt einen Längsschnitt durch die Geschichte des Stiftes Rein-Hohenfurth bis zur Gegenwart herauf, bis zum Jahr 1975, das die Hochwasserkatastrophe und damit unermeßlichen Schaden brachte. Hoffnungsvoll bereits Begonnenes wurde zerstört. Von vorne mußte die Aufbauarbeit beginnen. Derzeit wird die Kirche restauriert, wichtig und vordringlich sind neue Schulräume, da die Expö-situr des 1. Bundesrealgymnasiums Graz in Rein zu einem selbständigen Bundesrealgymnasium ausgebaut werden soll.

Ein anderes Projekt ist die Adaptierung der alten Wirtschaftsgebäude zu Altenwohnheimen. Außerdem sind dem Stift Rein heute 13 Pfarreien und eine Pfarrexpositur zur seelsorglichen Betreuung anvertraut. In naher Entfernung liegen sie um das Stift Rein, das auch Sitz des gleichnamigen Dekanates ist.

Achtundzwanzig Zisterzienser zählt der Personalkatalog zu Beginn des Jahres 1979 auf. Der Großteil von ihnen ist auf inkorporierten Pfarren des Stiftes tätig. Rund 37.000 Seelen sind im Reiner Dekanat zu betreuen: In ausgesprochenen Industriegemeinden, wie z. B. Gratkorn, wo die Papier- und Zellstoffabrik Leykam-Josefsthal steht, aber auch in kleinen Landgemeinden, in denen es aber keine heüe Welt mehr gibt, sondern wo es die Pendler und Nebenerwerbsbauern mit ihren Problemen sind, die auch auf dem Land neue Wege der Seelsorge nötig machen.

Jubiläen sind oft Anlaß schönfärberischer Rückblicke geworden. Ein Kloster wie Rein hat nicht den Ehrgeiz durch klingende Festreden auf sich aufmerksam zu machen. Es hat in seiner langen Geschichte an allen Höhen und Tiefen nicht nur der Kirchen- und Ordensgeschichte teilgehabt. Rein ist nicht das größte österreichische Stift, auch nicht das reichste, auch nicht personell das stärkste. Dennoch scheint es oft ein wenig zu bescheiden zu sein und zu wenig aus sich zu machen. Das Haus selbst sieht sich als eine Stätte der Begegnung, als ein Zentrum des geistigen Lebens und des Gebetes.

Ein Kloster wird groß sein, solange seine Ideen groß und lebendig sind. Stift Rein bietet viele an und das heurige Jubüäum ist eine Einladung, sich damit vertraut zu machen.

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