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Eine Superfeier der Revolution

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Für Frankreich wird 1989 ein großes Jahr. Genau 200 Jahre werden es dann her sein, daß die große Revolution das Land erschütterte, die Auftakt war zu ei-. ner Reihe von Sozialbewegungen in ganz Europa.

Die Revolution prägt das Land bis heute. Nicht nur ist das Revolutionslied, die Marseilleise, bis heute Staatshymne, sondern prangt auch das Motto der Bewegung- „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ — auf allen französischen Banknoten und Münzen.

Der (bisweilen bis zum Exzeß) zentralistische Staatsaufbau geht darauf zurück, überhaupt das Bewußtsein, einer einzigen, vom Ausland deutlich abgegrenzten Nation anzugehören - wenngleich der Konsens anfänglich nicht ganz so groß gewesen ist, wie die Franzosen heute gerne glauben wollen (immerhin war für mehr als die Hälfte der Bevölkerung Französisch nicht die Muttersprache).

Österreicher, für die der Nationalfeiertag meist nur der Tag ist, an dem man sich ausschläft oder an einem Fitmarsch teilnimmt, können über die Begeisterung, mit der die Franzosen alljährlich an „ihrem“ Tag - dem 14. Juli - zu großangelegten Paraden und Feuerwerken laufen, nur staunen.

Dementsprechend werden sich die offiziellen Aktivitäten Frankreichs auch auf den 14. Juli konzentrieren, dem Tag, an dem mit der Erstürmung des Bastille-Gefängnisses die Revolution überhaupt erst zur Revolution wurde. Kulturminister Lang persönlich betreut die Vorbereitungen — sein ganzes Ministerium wurde übrigens nach den diesjährigen Wahlen zum „Ministerium für Kultur, Kommunikation und Feiern zum 200-Jahr-Jubiläum der Revolution“ umbenannt.

Und es wäre nicht Frankreich, wenn es keine Idee ohne Hauch von Gigantomanie gäbe: Die „Grande Nation“ mit ungebrochenem Vertrauen in Rüstung und Atomkraft plant nicht nur eine Super-Militärparade, sondern auch ein Treffen fast aller Staatschefs der Welt, insbesondere von Vertretern Europas, der Supermächte und der Dritten Welt.

Daneben gibt es in Frankreich und in seinen diplomatischen Vertretungen im Ausland schon ab jetzt laufende Veranstaltungen zum Thema, ganz abgesehen davon, daß auch die politischen Parteien eigene Feiern durchführen.

Grundsätzlich gilt, daß je linker desto intensiver gefeiert wird. Aber von den Feiern ausschließen wird sich nur eine kleine Minderheit: Vor allem die Royalisten, die bis heute finden, daß Königsmord durch nichts zu rechtfertigen sei und dies auch auf handlichen Aufklebern kundtun; aber auch Rechtsradikale, die ihr moralisches Urteil je nach Zweck der Aktion treffen.

Die Kirche hat sich im großen und ganzen positiv zum Jubiläum geäußert. Bischof Decourtray hat Ende Oktober in Lourdes die Erklärung der Französischen Bischofskonferenz verlesen und dabei betont, daß die Revolution die Kirche auf eine schwere Probe gestellt hat. Einen Gedanken Papst Johannes Pauls II. bei seinem ersten Frankreich-Besuch vor acht Jahren aufnehmend, fügten die Bischöfe aber hinzu, daß Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch — freilich in einem andern Sinn als das die Revolutionäre des 18. Jahrhunderts gedacht hatten -grundlegende Werte des Christentums sind.

Die Kirche macht sich heute selbst zur Für Sprecher in jener Menschenrechte, die da 1789 zum ersten Mal verkündet wurden und damals nur als herrschaftsunterminierend aufgefaßt werden konnten.

In der Tat ist die Revolution vor allem eine antiklerikal geprägte Bewegung gewesen, weil eben die Kirche auf seiten der Herrschaft stand: Kirchen und Klöster wurden geplündert, ihre Besitztümer zerstört oder als „Nationalgut“ verkauft.

Der Episkopat betont deswegen, daß bei aller Bedeutung der Französischen Revolution für das Werden der französischen Nation das Negative daran nicht übersehen werden sollte, daß aber schon Christus für Apostel und Folterknechte gleichermaßen gebetet habe.

Am 14. Juli 1989 werden sich die Katholiken in Paris vor der Kathedrale Notre-Dame versammeln und des Sturms auf die Bastille gedenken, an dem mehr Vertreter der (zumeist niederen) Geistlichkeit teilgenommen haben als man heute glauben möchte. Und so wie die Revolution damals die Geistlichkeit spaltete — gar nicht so wenige Priester haben sich begeistert zu den Zielen der Volksbewegung bekannt —, so wird auch das Jubiläum die französischen Christen in zwei Lager trennen. Bischof Decourtray hat daher die Teilnahme an den einzelnen Gedenktagen, die auf den 14. Juli folgen, dem Gewissen des einzelnen anheimgestellt.

Übrigens: Für Österreich droht der Französische Nationalfeiertag zu einer Blamage zu werden: Es wird sich dabei so ziemlich um das einzige demokratische Land handeln, dessen Staatsoberhaupt nicht eingeladen ist.

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