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Eine ungläubige Jugend ?

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In einem „Brief an meine ungläubigen Kinder“ hat sich eine Mutter in ihrer Sorge an die deutsche Wochenschrift „Christ in der Gegenwart“ gewendet. In der Folge nahmen zu diesem Brief sowohl junge Menschen wie auch Eltern, Seelsorger und andere Stellung. Das Buch „Ungläubige Jugend“ bringt die gesamte Dokumentation zu dieser brennenden Frage.

So schreibt die Mutter: „Von einem christlichen Glauben kann man wohl bei keinem von euch mehr sprechen.“

Das erste, worüber Eltern in so einer Situation nachdenken, ist die Frage: „Was haben wir falsch gemacht, wo liegt unsere Schuld? Waren wir trotz unserer eifrigen kirchlichen Praxis — kein Wochenende ohne Gottesdienst - ein überzeugendes Vorbild für euch? Die Tatsache, daß es in unserer Ehe auch Krisen gegeben hat, ist euch sicher nicht verborgen geblieben, aber nie wurde unsere religiöse Gemeinsamkeit aufgegeben.

Gerade das hat uns immer wieder zueinander auf den Weg gebracht. Es ist wahr, wir sind keine besseren Menschen. Aber es geht doch um den christlichen Glauben! Welche Götter waren es, die euch abspenstig gemacht haben?“

Mit diesem Brief hat diese Mutter Hunderten von Eltern aus der Seele gesprochen, das bewiesen auch die überaus zahlreichen Zuschriften, nicht nur der Eltern, auch der angesprochenen Kinder.

Ein 28j ähriger junger Mann antwortete: „Der Wunsch nach sexuellen Erlebnissen entfernte mich als erstes von meinem Christentum. Als der Bann einmal gebrochen war, geriet meine Bindung an die Kirche schnell ins Wanken. Bald sah ich, was an Moral und Ethik notwendig war, kann auch ohne Kirche gehalten werden. Aus dem moralischen Zweifel entstand die intellektuelle Skepsis.“ So fügt sich dann Zweifel auf Zweifel und Skepsis auf Skepsis.

Manche Briefe drückten es so aus: „Jesus ja, Kirche nein.“ Wenn auch viele Jugendliche heute „Ja“ zu Jesus sagen, so ist das aber nicht immer der Jesus der Bibel, sondern ein Jesus, den sie sich selbst zurecht gemacht haben.

Viele, die in der Kirche bleiben, sind ebenfalls subjektive Auswahlchristen. Andere Jugendliche lehnen solche Halbherzigkeiten ab. Sie wollen diese Schizophrenie zwischen „Moderne“ und „Kirche“ nicht mehr mitmachen und ziehen ein eindeutiges Leben vor.

Ein 19jähriger setzt sich mit dem Begriff gläubig und ungläubig auseinander und meint, es sei merkwürdig genug, wenn man im Zusammenhang mit religiösen Wahrheiten von „beweisen und widerlegen“ spricht Die Entscheidung, die vom einzelnen zu treffen sei, bestehe vielmehr im Eintreten oder Nicht-Eintreten in eine subjektive Gottesbeziehung.

Ein alter Seelsorger sieht, daß jede Generation ihre eigenen Probleme hat. Was heute „in“ ist, das wäre es schon morgen nicht mehr. Wer da meine, der moderne Mensch brauche den Glauben nicht mehr, behaupte eigentlich, daß der kindliche Glaube von früher nicht weiter gewachsen ist

Was alles im Laufe der Kirchengeschichte passiert ist sei ein Trauerspiel! Möglicherweise sei es der Mißbrauch in der Vergangenheit, der viele heute mißtrauisch macht

Die Freiheit aber, die sich viele Menschen heute nehmen, auszuwählen, was sie annehmen wollen und was nicht, weise jedenfalls darauf hin, daß sie Konflikten möglichst auszuweichen versuchen.

Eine Schulklasse schreibt: „Wir erleben keinen Gott zum Identifizieren, sondern sitzen in einem kalten, unpersönlichen Bau. Der Gottesdienst läuft in einer anonymen Atmosphäre ab und verscheucht viele aus der Kirche. Andere finden ihn langweilig.“

Sie drücken aber auch ihre Wünsche aus: „Gottesdienste in kleinen Gruppen mit aktuellen Themen, persönliche Gestaltung, Gesprächskreise und gemeinsame Wochenenden.“

Das Ergebnis der Debatte über die „ungläubige Jugend“ zeigt jedenfalls ganz klar, daß wir bei der jungen Generation von einer tiefgehenden Glaubenskrise reden müssen und daß die Re-E vangeli-sation ein dringendes Erfordernis ist.

Zwar gibt es viele soziologische Ansätze, wie „hierarchisches Denken ist überholt“ und „die soziale Gruppe muß kommunikativer werden“.

Das wahrhaft Grundlegende wird jedoch nicht ausgesprochen. Es sollte denn doch gesagt werden: An den Forderungen des Evangeliums darf nicht gerüttelt werden.

Folgende Fragen muß sich die ältere Generation wohl stellen: Haben wir mit dem Weitergeben des Glaubens bloß Wissen vermittelt? Und: Wer hat Zeugnis von eigenen Erfahrungen mit Gott weitergegeben?

UNGLÄUBIGE JUGEND? Herausgegeben von Manfred Plate. Verlag Herder. 1987. 138 Seiten, öS 115.40.

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