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Eine Vendetta gegen Nixon

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Uber die Affäre Watergate weiterhin zu berichten, ist eine undankbare journalistische Aufgabe. Täglich werden neue Enthüllungen publiziert, neue Beschuldigungen gegen die Regierung erhoben, täglich erfolgen Entlastungsangriffe und Gegenschüsse, so daß man sich wie auf einem Schlachtfeld vorkommt, wo von überallher Granaten einschlagen. Die Situation ist auch täglich gegenüber dem Vortag überholt, so daß iman mit einer Zusammenfassung immer zu spät kommt.

Da aber die Beschuldigungen Titelseiten ausfüllen, die Erwiderungen im Hinterteil der Blätter verschwinden, liegen Nixon und seine Regierung unter einem Presse- und Fernsehtrommelfeuer, las nichts mehr mit objektiver Berichterstattung zu tun hat.

Bei den liberalen „Führungszei-turngen“, der Washington Post und der New-York-Times sind die Masken der Objektivität bereits gefallen. Hier brüstet man sich der eigentlichen Aufdeckung Watergates und seiner „Vertuschungsversuche“. Man spendet sich gegenseitig Weihrauch, fühlt sich als Palladine der Demokratie und die Meute der lokalen Zeitungen fällt zum überwiegenden Teil in den gleichen Ton, weil sie sich mit der Auffassung ihrer Leser in Übereinstimmung wähnt.

Nun wird einer fragen, ob denn nicht auch die andere Seite gehört wird? Die Frage kann mit KAUM beantwortet werden. Wenn im Fall Watergate schätzungsweise 80 Prozent des veröffentlichten Materials negativ ist, wenn das Negative die Titelseiten beherrscht und man der Erwiderung nicht nur fast keinen Raum, sondern die hintersten Teile der oft viele Dutzend Seiten umfassenden Blätter überläßt, kann nicht mehr von Objektivität gesprochen werden.

Hiezu ein klassisches Beispiel, das beweist, daß die von uns charakterisierte Einstellung der Medien nicht mehr nur auf Watergate beschränkt bleibt und das zeigt, wie einseitig orientierte Medien in Amerika den demokratischen Orientierungsprozeß bereits ausschalten können.

Im Verfolg der Energiekrise gab es auch in Amerika eine massive Hetze gegen die großen ölgesell-schaften. In der Nazizeit war „der Jud“ an allem schuld, jetzt waren es die sogenannten Internationalen Öl-giganten. Sie hätten die Preise erhöht, das Angebot künstlich verknappt und seien Schuld an den langen Schlangen vor den Tankstellen. Nachdem sich jetzt alles wieder beruhigUiat und die Kongreßuntersuchung gegen die ölgesellschaften ergebnislos zusammengebrochen ist, veröffentlichten die New-York-Times im hintersten Teil ihres Blattes einen Bericht der Mobil-Oil-Corporation, in dem erklärt wird, daß es in dieser Zeit der ölhysterie so gut wie unmöglich gewesen sei, den Standpunkt der ölgesellschaften

zu diesen Beschuldigungen in Presse oder Fernsehen wiederzugeben. Ein Interview mit dem CBS-Starreporter Walter Cronkike sei „irrtümlich“ von der Fernsehgesellschaft herausgeschnitten worden und in der Presse habe man bloß in BEZAHLTEN INSERATEN seinen Standpunkt zu Papier bringen können.

Mitunter kommt die Arroganz, die aus der unkontrollierten Medienmacht spricht, unverhüllt zum Ausdruck. James Reston ist der angesehenste Leitartikler der New-York-Times. Er befleißigt sich eines höheren Niveaus, was der Einseitigkeit seiner Ansichten keinen Abbruch tut. Als vor Monaten der Name Kissinger im Zusammenhang mit dem Abhören von Telephonaten zum ersten Mal auftauchte, bemerkte Reston nachdenklich und dem Sinne nach, Kissinger werde schon nichts passieren: Er habe sein ganzes politisches Leben lang die Presse gepflegt und dies werde ihm jetzt zu Gute kommen. Es rentiere sich eben doch, mit der Presse auf gutem Fuß zu leben ... Nach Reston also: Wenn man sich mit den „boys“ gut stellt, passiert- nichts. Die anderen aber frißt der Teufel.

Damals hatte Reston jedoch übersehen, daß der Nixon-Haß der Presse keine Grenzen kennt und heute auch vor Kissinger nicht mehr haltmacht. Es geht ja dabei weniger um die Person des Außenministers als um die erfolgreichste Facette der Regierungsarbeit Nixons, die amerikanische Außenpolitik. Bringt man den bekanntermaßen leicht „angerührten“ Kissinger zu Fall, so ist es aus mit der Außenpolitik Nixons. Dann hätte iman auch nachgewiesen, daß für die Erfolge im Äußeren nicht Nixon, sondern seinem Außenminister der Kredit gebühre.

Es wird also totaler Krieg geführt und eine der dabei erfolgreichsten Waffen ist die Indiskretion. Das Verfahren (Impeachment) vor dem Rechtsausschuß des Hauses wird unter Ausschluß der Presse und der Öffentlichkeit geführt, obwohl der Präsident die Zulassung der Öffentlichkeit fordert. Es wird vorgegeben, daß die Vertraulichkeit notwendig sei, weil die spätere Prozeßführung gegen die Watergate-Angeklagten aus der Umgebung des Präsidenten durch die Medien nicht präjudiziert werden dürfe. Das hindert aber nicht, daß täglich Dutzende von Nixon abträglichen Informationen und Dokumenten an die Presse weitergeleitet werden, die ihrerseits mit der Schulter zuckt und maint, wenn sie sonst keine Information erhalte, müsse sie eben abdrucken, was sie bekomme. Daß es sich nier um ein fein abgezirkeltes Spiel zwischen Presse und Nixonhassern im Ausschuß handelt, kann schon aus den unverblümten Äußerungen des schwarzen demokratischen Abgeordneten Conyers aus Detroit abgelesen werden, der kürzlich über Nixon dem Sinne nach sagte: „Der Mann

muß weg... und ich werde alles tun, um das herbeizuführen“. Während aber die von Conyers ausgestreuten Informationen Schlagzeilen machten, wurde ein Ausspruch eines konservativen republikanischen Ausschußmitgliedes: „Ich wäre an Nixons statt nicht besorgt; bis jetzt gibt es noch kein Jota wirklicher Evidenz gegen den Präsidenten!“ zumindest in der New-York-Times nicht abgedruckt. Da das Impeachmentver-fahren ein politisches ist, kann Nixon auch wegen „nicht krimineller“ Delikte angeklagt werden. Und was ein unpolitisches Delikt ist, entscheidet die von den Medien pausenlos betrommelte öffentliche Meinung. ... . Was die amerikanischen Medien nicht vermögen, ist, die Berichterstattung über die Reisen und außenpolitischen Treffen des Präsidenten zu unterdrücken. Wenn hier die Berichte auch nicht als überschwäng-lich bezeichnet werden können — die gleichen Initiativen Kennedys wären wohl in Form von Fanfarenstößen weitergeleitet worden — kann man es sich einfach nicht leisten, etwa die Million Jubelnder in Kairo wegzuzaubern.'

So schreibt heute Reston resigniert und philosophisch unter dem Titel „Nixons Revanche“, es sei eine Ironie, daß der Präsident in seinem Bestreben, politisch zu überleben, sich auf jenen Institutionen abstütze, die er am meisten hasse: auf die Presse und das Fernsehen. Eigentlich sollte das heißen, daß die Presse trotz ihres offenen Kampfes gegen den Präsidenten eben doch über seine Erfolge im Ausland berichten muß. Es sei dem Präsidenten überlassen,

nach Moskau, wo er vermutlich ein Testbannabkommen unterschreiben wird, in die europäischen Hauptstädte zu fahren, um dort über die Zukunft der Atlantischen Gemeinschaft zu verhandeln und über die finanzielle Krise der Freien Welt. Indessen müßten seine Verfolger im Kongreß und in der Presse ruhig sein („lying low“), weil es sich eben „doch nicht gebühre“ — oder vielleicht sogar vom Publikum übelge-

US-Zeitung „Newsweek“: „Lying low“

nommen würde —, einem in Friedensverhandlungen verstrickten Präsidenten in den Rücken zu fallen. Und während all das vor sich gehe, gewinne der Präsident Zeit, womöglich in Amerika auch wieder an Ansehen.

Watergate mag der Versuch gewesen sein, die amerikanische Zentralgewalt über Gebühr zu stärken und auszuweiten. Die Vendetta der Medien gegen den Präsidenten beweist jedoch, daß der totalitäre Geist auch vor der amerikanischen Presse nicht haltmacht.

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