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„Eine Vertrauensbasis notwendig"

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„Die Ergebnisse der kürzlich stattgefundenen Konferenzen in Ost-Berlin und Brüssel haben gezeigt, daß zwischen den Paktstaaten des Ostens und Westens deutlich Differenzen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Europäischen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit als auch hinsichtlich Zeitpunkt, Tagesordnung und Prozedur einer derartigen Konferenz bestehen.

Ich halte diese Gegenüberstellung der Ansichten der beiden Allianzsysteme für keinen Rückschritt in den Bemühungen um eine Kcm-ferenzvorbereitung, sondern eher für eine nützliche und der Abhaltung der Konferenz förderliche Klarstellung der beiderseitigen Standpunkte. Meiner Meimmg nach befaßt man sich heute viel konkreter mit den Möglichkeiten und Zielsetzungen einer Sicherheitskonferenz als noch vor einem halben Jahr. Dazu haben die vielseitigen Sondierungisgespräche des abgelaufenen Jahres mit ihrer Verdichtung des Gedanken- und Meimmgsaustausches zwischen West und Ost »weifellos beigetragen.

Es kann heute f estgestellt weiden, daß keiner der interessierten Staaten dem Gedanken einer Konlerenz grundsätzlich negativ gegenübersteht, es überwiegt im Gegenteil eine im allgemeinen positive Einstellung. Es werden auch von keiner Seite mehr irgendwelche Einwände bezüglich des Teilnehmierkreises einer derartigen Konferenz vorgebracht. W«nin auch das Ergebnis der bisherigen vorbereitenden Kontakte in ihrer Gesamtheit offenbar noch nicht ausreicht, um zu einer Konferenz zusanunenzutreten, so ist doch der zu . ihr führende Weg deutlicher geworden. Die Verträge von Moskau und Warschau sind sehr wichtige Beiträge zu einer Entspannung in Europa. Die Regelung anderer Fragen, die derzeit Gesprächsthemen zwischen Ost und West sind, könnte zur Herstellung eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses führen. Österreich, das seine Sicherheit als immerwährend neutraler Staat allein schon aus geo-pollti-schen Gründen am besten in einer Atmosphäre der Entspannimig und Zusammenarbeit in Europa gewährleistet sieht, hat im abgelaufenen Jahr nicht nur die Initiativen anderer Regierungen begrüßt, sondern auch versucht, einen eigenen, korücreten Beitrag zur Vorbereitung einer Konferenz zu leisten. Die österreichische Bun-

desregierung hat ihre diesbezüglichen Auffassungen in einem Memorandum dargelegt, das allen in Betracht kommenden Regierungen übermittelt wurde. Eine Vertiefung und effektivere Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten auf multilateraler Ebene wird letztlich wohl nur verwirklicht werden können, wenn bereits im bilateralen Bereich, vor allem im Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarstaaten eines Landes, alles unternommen wird, um offene Fragen zu bereinigen vmd an der Pflege vertrauensvoller Beziehungen kontinuierlich zu arbeiten.

Vieles ist bereits In Europa an gemeinsamer Basis zwischen Ost und West geschaffen worden. Das Erreichte sollte nicht aufs Spiel gesetzt, sondern mit Geduld und in gemeinsamer Anstrengung weiter ausgebaut werdeh. Mö^icher-weise wird es neuer Wege und Institutionen bedürfen, um das Ziel einer europaweiten Kooperation auf allen Gebieten der Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Technik und der immer wichtiger werdenden Umweltproblematik zu erreichen. Gerade kleineren und mittleren Staaten könnte es dabei zukommen, mit aus der eigenen Erfahrung gewonnenen Überlegungen allgemein akzeptable Vorschläge vorzubringen.

Bei allen Bemühungen der europäischen Staaten kann meines Erachtens jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß die Sicherheit vmd Unabhängigkeit jedes Staates in Europa heute wesentlich davon abhängt, ob es den Weltmächten gelingt, eine Ver-trauensibasis zu erreichen, auf der sie zu einer Regelung der zwischen ihnen bestehenden Gegensätze kommen können. Dabei kommt der Erhaltung des Friedens auch außeriialb imseres Kontinents besondere Bedeutung zu."

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