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Eine Vogelscheuche auf dem Feld der ÖVP

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Für Politiker ist das Jahr 1979 wieder ein besonderes Jahr: Ein Wahljahr. Doch bereits lange vor dieser Wahl werden Überlegungen angestellt, wie es nach dem 7. Oktober 1979 weitergehen, von welcher (welchen) Partei(en) Österreich regiert werden soll. Zu diesem Thema bat die FURCHE den geschäftsführenden Bundesobmann des ÖAAB, Herbert Kohlmaier, um einen Beitrag.

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Für Politiker ist das Jahr 1979 wieder ein besonderes Jahr: Ein Wahljahr. Doch bereits lange vor dieser Wahl werden Überlegungen angestellt, wie es nach dem 7. Oktober 1979 weitergehen, von welcher (welchen) Partei(en) Österreich regiert werden soll. Zu diesem Thema bat die FURCHE den geschäftsführenden Bundesobmann des ÖAAB, Herbert Kohlmaier, um einen Beitrag.

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Die nahende Wahl macht die üblichen Koalitionsspielereien interessant. Der kritische Beobachter muß allerdings registrieren, daß diesmal weniger das für die Presse reizvolle Kombinieren neuer Kräfte- und Personalkonstellationen im Vordergrund steht, sondern handfeste politische Agitation. Das in der öffentlichen Meinung schlechtklingende Wort vom „Bürgerblock“ wurde in das Arsenal sozialistischer Vorwahlargumente aufgenommen.

Daß man mit diesem Begriff Politik machen will, ergibt sich schon aus der dialektisch geschickten Wahl des Ausdrucks. Während das Bündnis mit einer Freiheitlichen Partei in Deutschland das wohltönend-sym-pathische Attribut „sozial-liberal“ erhält, etikettiert man ein mögliches Zusammengehen von ÖVP und FPÖ nicht etwa als „christlich-liberal“, sondern mit der bewährten Punze

„Es spricht alles dafür, daß keine Partei in der Lage sein wird, allein eine Regierung zu stützen“

des Reaktionären und Konservativen. Eine Vogelscheuche zur Abschreckung von Wechselwählern wird damit auf das politische Feld der ÖVP gestellt.

Diese Situation ruft nach klarstellenden Worten, die nicht nur die persönlichen Gedanken des Verfassers wiedergeben. Sie erfordert zunächst den deutlichen Hinweis auf den, Respekt vor dem Wähler, der nicht dadurch brüskiert werden darf, daß Koalitionsüberlegungen vor die Entscheidung des Volkes gestellt werden. Eine Partei, die sich, so wie seinerzeit die SPÖ vor der Oktoberwahl 1975, zu einer Weichenstellung für ein notwendiges Zusammengehen von zwei Fraktionen veranlaßt sieht, handelt in mehrfacher Weise bedenklich.

Ein Siegerwille mit Rückversicherung hat wohl einen etwas faden

Beigeschmack. Noch mehr aber die Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeit für die Wähler, welche bestenfalls Gewichtsverschiebungen innerhalb einer angepeilten Regierungskonstruktion herbeiführen können, aber nicht die prinzipiellen Zielpunkte einer neuen Politik bestimmen.

Es spricht heute alles dafür, daß nach der kommenden Nationalratswahl keine Partei in der Lage sein wird, allein eine Regierung zu stützen. Die Neuauflage einer Minderheitsregierung wird man ausschließen können, so daß sich eine Koalition wird bilden müssen. Die Entscheidung hierüber, die dann sehr gewissenhaft zu treffen sein wird, muß auf drei Faktoren Rücksicht nehmen.

Zunächst wird es einer Deutung des Wählerwillens bedürfen. Dabei wird vor allem registriert werden müssen, in welchem Umfang die einzelnen Parlamentsparteien Vertrauen verloren oder dazugewonnen haben. Eine Koalitionsbildung, die darauf nicht Rücksicht nimmt, könnte zwar tragfähig im parlamentarisch-demokratischen Sinn sein, aber unter Umständen den Charakter

einer Verfälschung des Wählerwillens haben.

Eine große Rolle wird die Frage der Zweckmäßigkeit der einzelnen Kombinationen spielen. Eine große Koalition hätte unter diesem Gesichtspunkt zweifellos den Vorzug, schwierige und zum Teil schmerzhafte Vorhaben großen Umfangs, wie etwa die Sanierung der Staatsfinanzen, zu erleichtern und den Fortbestand des sozialen Friedens optimal zu sichern. Als Nachteil wird man freilich die Gefahr der gegenseitigen Lähmung der beiden Großparteien ansehen müssen, die sich in einem Dezennium von Alleinregierungen eher auseinandergelebt haben.

Eine kleine Links-Koalition nach (bewährtem?) deutschen Muster wäre für die beiden beteiligten Parteien unter machtpolitischem Gesichtspunkt optimal. Sie würde der SPÖ weiterhin eine stark dominierende Position einräumen und der FPÖ die Chance geben, die Rolle eines Repräsentanten des gesamten bürgerlichen Lagers zu spielen. Der Nachteil, den vor allem die FPÖ zu tragen hätte, wäre die Prolongierung jener sozialistischen Macht, welcher die Wähler, deren Wille - wie erwähnt - zu respektieren sein wird, voraussichtlich eine Absage erteilen wird.

Die Bildung einer Koalition der nichtsozialistischen Parteien würde den stärksten politischen Kurswechsel ermöglichen, aber wohl die Gefahr zunehmender innenpolitischer Spannungen heraufbeschwören. In diesem Fall ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die sozialistische Mehr-

heit in den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer nach jahrelangem Mauermachen für die Regierung einen harten Gegenkurs steuern würde.

Viel zuwenig bedacht wird derzeit, daß schließlich der innere Zustand der Parteien bei der Entscheidung mitwirken wird, wer mit wem erfolgreich verhandelt. Die krisenhaften Erscheinungen der Sozialistischen Partei lassen heute den linken Flügel zur Überlegung gelangen, daß die Opposition ihrer Partei in der Ära nach Kreisky die bestmögliche Chance zu einer ideologischen Erneuerung nach einer aus strategi-

schen Gründen verordneten Öffnung gegenüber liberalen und christlichen Strömungen haben würde.

Daß innerhalb der Freiheitlichen Partei verschiedene Positionen existieren, kann einem aufmerksamen Beobachter nicht entgehen. Historisches Faktum ist es jedenfalls, daß diese Partei die sozialistische Minderheitsregierung 1970 unterstützte und unter Führung von Friedrich Peter durch Bruno Kreisky koalitionsfähig gemacht wurde.

Es wäre unehrlich, an der Tatsache vorbeizugehen, daß es in allen drei Parlamentsparteien Politiker gibt,

„Die Bildung einer Koalition der nichtsozialistischen Parteien, würde den stärksten Kurswechsel ermöglichen“

die unterschiedliche persönliche Auffassungen über die bestmögliche Verwirklichung der eigenen politischen Vorstellungen in der Zusammenarbeit mit anderen Kräften haben.

Bundesparteiobmann Josef Taus hat der Öffentlichkeit mehrmals jene klare Auskunft gegeben, die als einzig mögliche und korrekte in der gegenwärtigen Situation bezeichnet werden kann, nämlich die Offenheit einer künftigen Entwicklung.

Es wäre gut, diesen Standpunkt allseits zu akzeptieren, da jede Vorwegnahme oder auch nur jede aus durchsichtigen taktischen Gründen unternommene Prophezeiung kommender Beschlüsse eine arge Verzerrung der Wahlalternative und eine Verwirrung der politischen Fronten bedeuten würde.

Die österreichische Volkspartei kämpft um das Vertrauen der wahlberechtigten Bevölkerung mit sachlich fundierten Alternativkonzepten, mit der Präsentation von Politikerpersönlichkeiten und sie führt eine harte kritische Auseinandersetzung mit der Mehrheit. Dadurch und nur dadurch kann dem Wähler die notwendige Orientierung für sein demokratisches Votum gegeben werden.

Die Entscheidung über die Bildung einer Mehrheit im nächsten Parlament wird wahrscheinlich keine Partei allein treffen können und es wird den führenden Männern und Frauen aller Parteien obliegen, diese Entscheidung in größter Verantwortung und unter Berufung auf den Willen des Wählervolkes im Oktober 1979 zu treffen.

Das Vorwegnehmen dieser Entscheidung wäre nicht nur eine Mißachtung des Wählerwillens, sondern würde die Wahlauseinandersetzung auf eine Art verzerren, die unserer ohnedies belasteten Demokratie abträglich sein müßte. Dies haben alle zu bedenken, die sich veranlaßt sehen, auf die Wirkung von Schlagworten und den überflüssigen Aufbau von Feindbildern zu spekulieren.

Sie könnten sonst drastisch daran erinnert werden, daß sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben, nämlich ohne Bedachtnahme auf jene öffentliche Meinung, die sich -wie die Zwentendorfabstimmung gezeigt hat - weniger denn je von Propagandazentralen manipulieren läßt.

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