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Eine von 100 Opern...

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Drei Komponisten des 18. beziehungsweise 19. Jahrhunderts können einen Rekord als Vielschreiber für sich in Anspruch nehmen: Rossini brachte es auf 39, Donizetti auf 67 Opern; beide aber übertraf ein anderer, wenn auch nicht so berühmter Tonsetzer wie die Genannten an Zahl der von ihm geschriebenen Bühnenwerke, nämlich Giovanni Paisiello, der während seines 75 Jahre währenden Lebens über 100 Opern komponierte. Doch erreichten die meisten nur geringe Aufführungszahlen. Sein erfolgreichstes Werk schrieb Paisiello während seiner Tätigkeit als Hofkapellmeister der Kaiserin Katherina in Petersburg, nämlich den ,3arbier von Sevilla“; die Oper machte den Komponisten auf den italienischen Bühnen so bekannt, daß es fast als Wagnis angesehen wurde, als Rossini ungefähr 35 Jahre später das gleiche Libretto vertonte und mit Paisiello in Konkurrenz trat. Ein Vergleich der musikalischen Werte der beiden Werke fällt natürlich zugunsten Rossinis aus, der mit seinem „Barbier“ ja ein kaum mehr über-troffenes Opus der Gattung „Opera buffa“ geschaffen hat.

Die Aufführung der eine eigene Einrichtung benützenden Wiener Kammeroper bemühte sich, den unbeschwert-flüssigen Stil des Werkes zu treffen. Hans Gabor musizierte mit dem klein besetzten „ORF-

Orchester“ kammermusikalisch dezent und — einige Spätzündungen ausgenommen — mit richtig erfühlten Tempi, ließ es auch an dynamischen Effekten nicht fehlen. In der Garnitur der Solisten ist der Primat dem Bariton Wolfgang Müller und dem Baßbariton Günter Schneider zuzuerkennen, die als Barbier bzw. als Bartolo sich stimmlich und darstellerisch ausgezeichnet bewährten. Als Rosina ließ Barbora Blanchard einen vornehm timbrierten, tragfähigen Sopran hören; John Porter sang seine Verleumdungsarie mit mehr bari-tonalem als bassalem Charakter, sein Organ ist etwas auf Schmalkost gestellt, ebenso wie der lyrische, stark naturalistisch behandelte Tenor Martin Chambers, der als Graf Almaviva auftrat. Der Regie Peter Dörres merkte man das Bestreben an, Singschauspieler und nicht bloß Sänger auf die Bühne zu stellen, was ihr zumeist gelang. Nur in der Einquartierungsszene arbeitet sie mit zu vielen und zu oft wiederholten Gags. Die mit sparsamen Mitteln erzielte hübsche Ausstattung — besonders geglückt ist das erste Bild mit dem Haus Dr. Bartolos — stammt von Tibor Vartok.

Mit der überaus beifällig aufgenommenen Premiere hat sich die Wiener Kammeroper selbst ein schönes Geschenk zum Jubiläum ihres jetzt zwanzigjährigen Bestehens gemacht.

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