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Eine Wende zur Zukunft

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Ganz gleich, wie wir zum Ausgang der Volksabstimmung über die Inbetriebnahme von Kernkraftwerken im einzelnen stehen: Daß hier nicht nur über die Sachfrage abgestimmt wurde, sondern eine Reihe anderer Faktoren beim Zustandekommen dieses Ergebnisses eine Rolle gespielt haben, dürfte klar sein.

Das überaus starke Engagement der Jugend in dieser Sache nährt die Hoffnung auf eine Signalwirkung, einen Bewußtseinswandel in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. So die Ablehnung der Kernkraft für Österreich nicht einer wirtschaftlichen

Verantwortungslosigkeit entspringt, muß es auch ein Wissen um die möglichen Konsequenzen dieser Entscheidung geben. Das aber bedeutet eine gesteigerte Bereitschaft zum Sparen, nicht nur von Energie, vielleicht auch eine Absage an schwer beherrschbare technische Superstrukturen, an das alle Menschlichkeit überwuchernde Besitzdenken, die Vermassung der Lebensqualität in einer allgegenwärtigen Plastikgesellschaft.

Nicht ganz unberechtigt darf eine immer breiter werdende Ablehnung unserer hochgezüchteten Luxus-, Geld- und Wohlstandsbesessenheit auch auf Kosten an-. derer vermutet werden - zu-

gunsten wiederbelebter Werte wie Verantwortung, Verzicht, seelische Behaglichkeit, Hilfsbereitschaft, Liebe und Treue. Dies kann zumindest aus einer vom ÖCV-Studentenverband bei Dr. Brunmayr vom Soziologischen Institut der Uni Linz in Auftrag gegebenen und nun zum Teil vorliegenden Repräsentativuntersuchungen an 2000 Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren gefolgert werden.

Das Schlagwort von „Wende oder Ende - Impulse für eine Gesellschaft von morgen“ (Jahrestheama des ÖCV) scheint vom Trend zur Spar- und Verzichtgesinnung bestätigt zu werden.

Diese durch kritisches Denken und gefühlsmäßiges Unbehagen erworbene Bereitschaft muß massiv gefördert, in furchtbares Handeln umgesetzt werden.

„Eine große gesellschaftliche Erziehungsaktion“ (Bundeskanzler Kreisky in einem Interview mit der Verbandszeitschrift des ÖCV) unter Mithilfe aller Opinion-leaders müßte tatsächlich zur Entwicklung humaner Alternativen in allen Sektoren des individuellen und sozialen Lebens gestartet werden.

Wir müssen uns davon überzeugen lassen, daß eine friedliche und gerechte Zukunft nur möglich ist, wenn

wir sparsam mit den Reserven dieser Erde umgehen, das Ideal der christlichen Nächstenliebe ernstnehmen und uns der Sorgen und Nöte derer - sowohl in Österreich wie in den armen Ländern der Dritten Welt - annehmen, die unsere Hilfe, in welcher Form auch immer, brauchen.

Das Unbehagen unserer Jugend gegenüber den Parteien und den Formen gegenwärtigen politischen Geschehens darf nicht münden in einen Auszug aus der Öffentlichkeit und Rückzug in eine unkritische Familienidylle. Es darf nicht beim latenten Protest gegen die Institutionen der „organisierten Öffentlichkeit mangels

Möglichkeiten der Mitbestimmung in diesen Strukturen“ bleiben, wie Dr. Brunmayr im Falle des jugendlichen Engagements gegen die Kernkraft vermutet. Es muß alles unternommen werden, die vorhandenen Ansätze einer neuen Ethik in der Realität des täglichen Lebens wirksam werden zu lassen.

Alle christlichen Gruppierungen sollten daher ihren Beitrag leisten, in ihrem Wirkungsbereich zur Vertiefung dieses Bewußtseins noch mehr als bisher die Verantwortung des Menschen für seine Mitmenschen und die gemeinsame Zukunft betonen.

Ich darf daher alle Leser der FURCHE zu einem Besuch der „Internationalen Ausstellung für die Dritte .Welt“ (13.-17. Nov.) des ÖCV-Studentenverbandes in der Halle H des Wiener Messepalastes herzlich einladen. Uber die Beschäftigung mit dem Informationsangebot von zehn österreichischen Entwicklungshilfeorganisationen hinaus können Sie durch Ihre Unterschrift unter ein Alternativkonzept gegen den nationalen Egoismus Österreichs im Umgang mit den Ärmsten unter den Armen dem christlichen Ideal der Gerechtigkeit einen Dienst erweisen.

Gibt es einen Teufel?

Wir leben in einer Zeit, die sich insbesondere auf religiösem Gebiet mit Ausdrücken oder - wissenschaftlich gesagt - Prädikatoren wie Gott, Engel, Teufel, Sünde, Erlösung usw. nicht mehr zufrieden gibt. Es ist zweifellos richtig, daß wir mit allen diesen Worten raumzeitliche Vorstellungen verbunden haben - den alten bärtigen Mann, die Lichtgestalt, das gehörnte Scheusal, den Gesetzesverstoß, die Amnestie. Ist unser Verstand, unsere Sprache, die aus der Auseinandersetzung mit der sicht-und greifbaren Umwelt entstanden ist, überhaupt fähig, den Bereich der Transzendenz anders als bildhaft zu erfassen? Wenn wir auf alle - zugegebenermaßen mangelhaften - Vorstellungen verzichten, was bleibt uns dann? Leere Worte ohne Bedeutung!

So scheint es auch dem Tübinger Alttestamentler Herbert Haag zu ergehen. Er kann und will sich mit der Existenz von Teufeln nicht abfinden. Nun ist schon sein drittes Buch „Vor dem Bösen ratlos“ erschienen, in

dem er nicht den Teufel, sondern Gott für das Böse in der Schöpfung verantwortlich macht, weil er es eben miterschaffen habe und nicht verhindere. Ist das wirklich so einfach, oder wußte vielleicht seinerzeit der Verfasser des Buches Hiob schon mehr darüber, was wir heute nur in -gelinde gesagt - allzu großer Selbstsicherheit nicht mehr anzunehmen geneigt sind? ...

Es gibt offenbar Gründe, warum wir „der Böse“ und nicht „das Böse“ zu sagen gewohnt sind. Religionsphilosophisch gesehen - denn weder Verhaltensforschung noch Soziologie sind hier zuständig - wäre Haag die Frage zu stellen, wie eine Schöpfung nach seiner Meinung ohne das Böse aussehen solle. Wenn Gott von den Engeln (von denen wir auch nicht wissen, was sie eigentlich sind, sicher keine Menschengestalten in Nachthemden und mit Flügeln) aus freiem inneren Entschluß geliebt werden wollte, geht das wohl nicht anders, als daß er ihnen die Wahl für oder gegen ihn freistellte. Wenn ein mit freiem Willen begabtes Geschöpf diesen Willen zum Neinsagen mißbraucht, hat dann Gott ein „Scheusal“ erschaffen, wie Haag behauptet? Doch wohl kaum. Gott wirbt, aber zwingt nicht.

Wenn man sich von der raumzeitlichen Vorstellung, der Himmel sei ein Verwaltungsbüro mit vielen Angestellten, freimachen und im Kampf zwischen Michael und Luzifer das Ringen uns unfaßlicher Kräfte um das Ja oder Nein zu Gott sehen kann, ist es nur ein kleiner Schritt zur Auffassung, daß dieser Kampf in jedem einzelnen Menschen ausgetragen wird, sprachlich dargestellt in den Begriffen „Schutzengel“ und „Versucher“, die vielleicht mehr als nur Symbole sind. Ist es wirklich so wichtig, daß wir diese unvollkommene Aussageweise durch eine andere, mindestens ebenso unvollkommene ersetzen?

Leserzuschrift ohne Namen (Wir bitten um Nachsicht

für Verlust des Briefumschlags)

Verunsicherung

Mit Ihrem Artikel über „Die Frage nach dem Ursprung des Bösen“ bin ich nicht einverstanden. Da wird ja der Teufel in Frage gestellt, über den wir doch in den Worten Christi, der

ihn oft erwähnt (Widersacher, Fürst der Welt, Menschenmörder usw.) sowie in der Erzählung von der Versuchung Jesu eine klare Offenbarung haben! Die Sünde einfach als „ethisches Vakuum“ zu bezeichnen und Gott für das Böse verantwortlich zu mächen, wie es Haag, von der FURCHE unwidersprochen tut, ist doch ein arges Stück! Auch der Daim-Ar-tikel „Der Papst, für den ein Papst starb“ in Folge 44 ging in die Richtung einer Glaubensverunsicherung. Dr. Herbert Unterlechner, 6020 Innsbruck

Der Tübinger Alttestamentler Herbert Haag ist ein bekannter Theologe und Priester. Es ist nicht Aufgabe einer katholischen Zeitung, umstrittene Thesen zu zensurieren, sondern dem interessierten Leser einen Überblick über die Aussagen der zeitgenössischen Theologie zu bieten.

Dank für Daim

Danke für den hervorragenden Artikel von W. Daim: „Ein Papst, für den ein Papst starb“. In der Tat zeigt sich dem gläubigen, geistig wachen Menschen, daß das kurze, aber inhaltsreiche und beglückende Ponti-fikat Johannes Pauls I. jenen Sinn aufwies, den Daim in seinem Artikel aufzeigte. Maria Pichler, Wien

Schloß Schönbrunn

Weil ausländischer Besuch da war, kam ich nach zehn Jahren auch wieder einmal in die Schauräume von Schönbrunn. Ich war sehr traurig und habe mich sehr für Wien geschämt. Wenn die für Schönbrunn zuständige Burghauptmannschaft schon nicht auf Einnahmen aus Filmdreharbeiten verzichten kann (wül), dann möge sie in Gottes Namen das Schloß an diesen Tagen für Fremde sperren. Was der am Tag meines Besuches dort gedrehte Streifen wert sein wird, weiß ich nicht. Auf jeden Fall gab es Schmutz und Unruhe, sowie Würdelosigkeit genug. Und dazu ein junger Führer, der zwar sehr artikuliert sprach, doch sich nicht entblödete, in fast jedem Zimmer irgendwelche Witzeleien anzubringen, weil es ihm auf ein paar kichernde Zustimmungen anzukommen

schien.

Dr. Robert Hampel, 1050 Wien

„Schönes Wien“

Trotz Demolierung zur Großstadt haben wir noch immer ein paar schöne Ecken in Wien; eine davon ist das Viertel, in dem die Dominikaner-und die Jesuitenkirche stehen. Geht man von der Postgasse durch die Bäckerstraße zum Dr.-Ignaz-Sei-pel-Platz, ist das Glück freilich vorbei.

Zuerst der arkadenartige Durchgang: in den Vitrinen primitive Werbung, in den Nischen Kaskaden von zusammengewirbelten Papierin. Der Anblick steigert sich in der schönen Passage zwischen den beiden Schwibbogen: ein gut frequentiertes Hundeklo! Das Gras in den Rasenflächen ist niedergetreten. Fluten von Papierin...

Sicher habe ich mich jetzt als kleiner Geist decouvriert angesichts der gigantischen Werke, die zur Zeit in Wien entstehen: Groß sind sie ja! Dipl.-Ing. Dr. Joseph Zimmel, Architekt, 1080 Wien

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