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Eine Zerreißprobe zwischen Förderung und Bevormundung

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Immer wieder wird die Intensivierung der Teilzeitbeschäftigung für Frauen zur Diskussion gestellt. Zuletzt durch den Taus-Plan zur Arbeitsplatzsicherung - allerdings nicht immer unwidersprochen. So nimmt SP-Ge-meinderat Johanna Dohnal striktest gegen Teilzeitbeschäftigung von Frauen Stellung. Diese helfe ausschließlich dem Unternehmer, da die Teilzeitbeschäftigte bei geringerem Zeitaufwand und Entgelt dieselbe Leistung erbringe, und zwar unter besonders schlechten Aufstiegsbedingungen. Dohnal unterstützt damit voll und ganz den entsprechenden Antrag des Frauenkomitees der SPÖ, demzufolge eine generelle Verkürzung der täglichen Arbeitszeit auf sechs Stunden anzustreben sei. Die partnerschaftliche Ehe erfordere, daß beide Partner sich um die Führung des Haushaltes und um die Kindererziehung kümmern. In der Praxis gewährleiste nur eine für beide Ehepartner gleiche Arbeitszeit - eben täglich sechs Stunden - die gleichmäßige Aufteilung der Pflichten in der Familie und im Beruf. Zukünftige Arbeitszeitverkürzungen seien in diesem Sinne nur bei der täglichen Arbeitszeit vorzunehmen.

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Immer wieder wird die Intensivierung der Teilzeitbeschäftigung für Frauen zur Diskussion gestellt. Zuletzt durch den Taus-Plan zur Arbeitsplatzsicherung - allerdings nicht immer unwidersprochen. So nimmt SP-Ge-meinderat Johanna Dohnal striktest gegen Teilzeitbeschäftigung von Frauen Stellung. Diese helfe ausschließlich dem Unternehmer, da die Teilzeitbeschäftigte bei geringerem Zeitaufwand und Entgelt dieselbe Leistung erbringe, und zwar unter besonders schlechten Aufstiegsbedingungen. Dohnal unterstützt damit voll und ganz den entsprechenden Antrag des Frauenkomitees der SPÖ, demzufolge eine generelle Verkürzung der täglichen Arbeitszeit auf sechs Stunden anzustreben sei. Die partnerschaftliche Ehe erfordere, daß beide Partner sich um die Führung des Haushaltes und um die Kindererziehung kümmern. In der Praxis gewährleiste nur eine für beide Ehepartner gleiche Arbeitszeit - eben täglich sechs Stunden - die gleichmäßige Aufteilung der Pflichten in der Familie und im Beruf. Zukünftige Arbeitszeitverkürzungen seien in diesem Sinne nur bei der täglichen Arbeitszeit vorzunehmen.

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Wird das Arbeitsentgelt diesem Vorschlag entsprechend aliquot gekürzt, wäre allerdings ein Alleinverdiener nicht mehr in der Lage, seine Familie zu erhalten. Der Mutter bleibt in diesem Fall nun nicht mehr die Wahl, entweder zu Hause bei den Kindern zu bleiben oder aber berufstätig zu sein; das reduzierte Familieneinkommen würde die Frau zwingen, ebenfalls für den Lebensunterhalt zu sorgen.

Was geschieht nun in einem derartigen „Vollbeschäftigungssystem“ mit den Kindern dieser Gesellschaft? Auch dafür hat das sozialistische Weltbild vorgesorgt: Im ersten Lebensjahr eines jeden Kindes sollen Mutter oder Vater wahlweise im Zuge des Karenzurlaubs das Kind pflegen. Dafür wird vom Staat ein monatlicher Zuschuß von 2840 Schilling netto gewährt, für alleinstehende „Bezugspersonen“ ein erhöhter Beitrag von 4246 Schilling. Im Alter von einem Jahr kommt das Kind in die Krabbel- oder Kinderstube. Mit Kindergartenplätzen ist man versorgt und der Unterricht in der Ganztagsschule erstreckt sich zwingend auf Vormittag und Nachmittag. Auch dazu gibt es einen Antrag der SP-Frauen, wonach die Ganztagsschule mit ihrem gesamtpädagogischen Konzept dem kindüchen Lernvermögen am besten entspreche.

So wäre - dem SPO-Modell entsprechend - für alles und für alle gesorgt, der Erdenbürger braucht nur zuzugreifen: Es gibt Arbeit, es gibt Geld, es gibt Versorgungsstätten für die Kinder - alles garantiert durch Vater Staat.

Doch so weit ist es glücklicherweise noch lange nicht. Eine Recherche durch Österreichs Bundesländer ergibt ein äußerst differenziertes Bild der Familienförderung. Abgesehen davon, daß sechs von den neun Bundesländern eine ÖVP-Regierung haben und eine stärker familienorientierte Förderungspolitik vertreten, sind sämtliche familienfördernde Maßnahmen stark vom Stadt-Land-Gefälle und von den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten geprägt. Die Berufstätigkeit der Frau ist im ländlichen Raum seltener als in Wien, die Nachbar- und Verwandtschaftshilfe weit häufiger als in der Stadt. Somit besteht in vielen Bundesländern auch geringerer Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen.

Kindergärten gibt es in ganz Österreich genügend, wobei das schwarz regierte Niederösterreich bereits seit einiger Zeit den Nulltärifkindergarten führt - Land und Gemeinden übernehmen Personal- und Sachkosten. Die ÖVP-Frauenbewegung hat die Übernahme dieses Modells für Wien gefordert, dies wurde aber von der Gemeindeverwaltung mit dem Hin-

weis abgelehnt, man wolle individuell, je nach sozialer Bedürftigkeit, fördern.

In Tirol trägt der österreichische Wohlfahrtsdienst die finanzielle Hauptlast und Verantwortung für zwei Modelle eines „offenen“ Kindergartens. Bundesrat Rosa Gföller (ÖVP) ist Urheberin dieser Idee: Das Zentrum mit Säuglingskrippe, Kindergarten und Schülerhort gewährleistet die Begleitung vertrauter Gefährten und Bezugspersonen während der verschiedenen Entwicklungsstufen einerseits und bietet anderseits Kindern und Eltern die Möglichkeit, beisammen zu sein. Es besteht keine Verpflichtung zu einem regelmäßigen Aufenthalt. Die Kinder sind je nach Wunsch und Bedarf entweder im Familienkreis oder im Kinderzentrum.

Unterbringungsmodelle für Kleinkinder bis zu drei Jahren sind in manchen Bundesländern, wie Burgenland, Salzburg, Vorarlberg, noch rar. Seit Jahren treten private Organisationen, aber auch die Wiener Volkspartei für das Tagesmuttermodell als Alternative zu Kinderkrippen ein: Für das Kleinkind sollen familienähnliche Verhältnisse geschaffen werden. Steht die SP-Frauenbewegung in Wien dieser Idee distanziert gegenüber und stellt Anträge zum Kinderkrippenausbau, so finanziert das SP-regierte Land Kärnten ein weitverzweigtes, gut funktionierendes Tagesmütternetz, das auf die Initiative einiger ÖGB-Frauen zurückgeht.

Lehnt der Familienverband in Vorarlberg eine Tagesmutter-Initiative des SPÖ-nahen Berufsförderungsinstitutes mit der Begründung ab, hier werde eine neuerliche Ersatzeinrichtung für die Familie geschaffen, so hat sich in Wien ein ö VP-naher Verein für Tagesmütter gebildet: 65 Mütter betreuen tagsüber oder halbtags neben ihren eigenen Kindern noch ein bis zwei Kinder aus anderen Familien. Acht Wiener Tagesmütter werden von den sozialistischen Kinderfreunden organisiert. In Oberösterreich plant die VP-Frauenbewegung ein ähnliches Modell, in Wels existiert ein solches unter der Leitung einer Pfarre, und in Innsbruck hat der Katholische Familienverband 54 Tagesmütter ausgebildet, wovon 26 bereits Kinder betreuen.

Die Tätigkeit der Caritas ist auf dem Gebiet der Familienhilfe besonders intensiv. Sie stellt oder organisiert Heimhelferinnen, Dorfhelferinnen, Sozialhelferinnen; wo immer Hilfe für Haus und Betrieb nötig ist, die Caritas bemüht sich, diese auszubilden und bereitzustellen.

Familienpolitisch betrachtet ist-wohl Niederösterreich eines der führenden Bundesländer. Neben dem schon erwähnten Nulltarifkindergarten und einem vorbildlich organisierten und effizienten Dorfhelferinnen-

modell bemüht sich nun das Land, das zinsengeförderte Hausstandsgründungsdarlehen für junge Ehepaare auf 100.000 Schilling (derzeit 50.000 Schü-ling) zu erhöhen, wobei 5 Prozent Zinsen vom Land getragen werden. Diese Förderung erfolgt zusätzlich zu den diversen Wohnbaudarlehen, Wohnungsbeihilfen und dem vom Bund gewährten Heiratszuschuß von 15.000 Schilling. Oberösterreich, Steiermark und die Stadt Innsbruck gewähren ebensolche zinsenbegünstigte Kredite, jedoch in geringerer Höhe - zwischen 15.000 und 50.000 Schilling; Kärnten bis zu 50.000 Schilling, wobei beide Ehepartner zusammen nicht mehr als 100.000 Schilling pro Jahr verdienen dürfen, eine Grenze, die in den anderen Ländern höher hegt.

Die Wiener Landtagsabgeordnete Marilies Flemming hat sich im Rahmen der Sozialvorschläge der Wiener Volkspartei ebenfalls für die Gewährung solcher Darlehen an Jungfamilien ausgesprochen. Die SPÖ ist jedoch der Meinung, daß jungen Ehepaaren im Raum Wien durch die Mittel aus Wohnbauförderung, Mietenbeihilfe sowie allfällige Subjektförderung ausreichend geholfen wird.

Vergleichend läßt sich feststellen, daß die österreichische Volkspartei der Frau das Recht auf Berufstätigkeit zuerkennt, ihr und der Familie jedoch durch Bereitstellung von familienähnlichen Betreuungsmodellen für Kinder die Freiheit der Wahl sichern möchte und jeden Zwang zur Arbeit durch gesellschaftsverändernde Maßnahmen ablehnt. Demzufolge wird dem System der Ganztagsschule die Tagesheimschule entgegengesetzt. Dort werden die Kinder nachmittags betreut, sie können aber den Nachmittag auch privat und in der Familie verbringen. Als „Traumziel“ denkt die Volkspartei an die Gewährung eines monatlichen „Erziehungsgeldes“ an alle Mütter: Die Regierungspartei sieht in diesem Vorschlag eine Bevorzugung jener Frauen, die auf Grund der finanziellen Möglichkeiten des Mannes zu Hause bleiben können. Die Arbeiterin, die trotz des Erziehungsgeldes auf ihren Lohn nicht verzichten könne, finanziere in diesem Falle durch ihre Sozialabgabe das Erziehungsgeld der nichtberufstätigen Familienfrau.

Abgesehen von der angebotenen Vielfalt an Förderungsmodellen zeigen sich vor allem in den langfristigen Vorstellungen der beiden Großparteien tiefgreifende Unterschiede: Stellt die Volkspartei die individuelle und freie Entscheidung des einzelnen in den Mittelpunkt - mögliche Ungleichheiten werden in Kauf genommen -, wollen die Sozialisten hingegen die Idee der Gleichheit bis hin zur einzelnen Familie garantieren - selbst wenn dadurch Freiheitsräume gefährdet scheinen.

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