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Eine Zerstörung wie am Amazonas

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Die Folgen der Zerstörung der russischen Wälder sind vielfältig (siehe Seite 1): Dem Weltklima wird durch die Abholzungen ein weiterer Schlag versetzt, denn die riesigen Waldgebiete sind wichtige Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid. 26 Ureinwohner-Völker Rußlands sind bedroht, Tier- und Pflanzenarten sterben aus.

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Die Folgen der Zerstörung der russischen Wälder sind vielfältig (siehe Seite 1): Dem Weltklima wird durch die Abholzungen ein weiterer Schlag versetzt, denn die riesigen Waldgebiete sind wichtige Speicher des Treibhausgases Kohlendioxid. 26 Ureinwohner-Völker Rußlands sind bedroht, Tier- und Pflanzenarten sterben aus.

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Besonders bedroht ist der Sibirische Tiger, mit 1,20 Meter Schulterhöhe und 3,60 Meter Körperlänge die größte Katze der Welt. Heute gibt es nur mehr höchstens 300 Sibirische Tiger. Und ihre Zahl nimmt durch Wilderer und die Zerstörung der Waldgebiete weiter ab.

Als Schlägerungs-Pionier betätigte sich in Rußland der südkoreanische Hyundai-Konzern, der seine Autos in alle Welt verkauft, aber auch mit Computern, Maschinen aller Art und eben mit Holz handelt. Hyundai hat bereits vor drei Jahren ein Joint Venture mit einem russischen Staatskonzern gegründet, um die Wälder um das kleine Fischerdorf Svetlaya im Fernen Osten Rußlands abzuholzen.

Die dortigen Mischwälder gehören zu den vielfältigsten Wald-Ökosystemen der Welt: Hier treffen sich Arten aus der kalten Taiga des Nordens mit subtropischen Spezies aus China und Südostasien. Hier tummeln sich im Sommer exotische Schmetterlinge und Vögel ebenso wie Bären und Wölfe. Subtropische Orchideen und Lianen und mit dicken Flechten und Moosen behangene Äste erinnern an die tropischen Regenwälder.

Seit drei Jahren heulen dort die Kettensägen der Holzfäller. „Dabei war das Unternehmen von Anfang an illegal”, weiß Anatoli Lebedew, ein regionaler Abgeordneter und Umweltaktivist. „Hyundai hält sich nicht an die Gesetze, die Umweltverträglichkeitsprüfungen und die Zustimmung der Lokalbevölkerung verlangen.” Die Firma schlägerte vergangenes Jahr sogar über das erlaubte Gebiet hinaus, bis die Behörden dahinterkamen und die Holzfäller stoppten. Zudem, so Lebedew, bricht Hyundai den Joint-Venture-Vertrag: „Sie haben sich verpflichtet, nur trockene und tote Bäume zu schlägem und tun das genaue Gegenteil. Wiederaufforstung gibt es nicht, und es ist fraglich, ob sie hier überhaupt möglich ist.” Denn die Böden sind unfruchtbar, die Vegetationsperiode kurz - die meiste Zeit ist es eiskalt. Sie wisse von keiner erfolgreichen Aufforstung im Fernen Osten, erklärte selbst die Forstexpertin des Joint Ventures.

Auch sonst hat Hyundai viel versprachen, aber wenig gehalten: Modernste Aufforstungsmethoden und Technologie für die Holzverarbeitung solle eingeführt, ein Kindergarten, eine Schule und ein Spital gebaut, unzählige Arbeitsplätze geschaffen werden.

„Heute gibt es weder eine Schule noch irgendein anderes der versprochenen Gebäude”, klagt Lebedew. Verarbeitet wird das Holz nicht vor Ort, sondern in Japan und Südkorea. Arbeitsplätze wurden daher nur wenige geschaffen - und die gingen meist an von Hyundai „importierte” Koreaner und Chinesen.

Statt Infrastruktur hat das Joint Venture bisher nur Verwüstung zurückgelassen. Die kahlgeschlägerten Gebiete sehen vom Hubschrauber aus

Der Sibirische Tiger gilt als besonders bedrohte Tierart (Votava) wie eine Mondlandschaft. Hyundais „Erntemaschinen” brauchen nur 40 Sekunden, um einen Baum zu fällen und zu entasten.

Außerdem sind die Flüsse durch Motoröl, lecke Batterien und Fäkalien aus den Holzfällerbaracken verschmutzt. Die einst reichen Lachsbestände sind bedroht.

Nun sollen die Schlägerungsaktivitäten noch weiter ausgedehnt werden: ins unberührte Bikin-Tal, Lebensraum des Volkes der Udeghe, und eines der letzten Rückzugsgebiete des Sibirischen Tigers. Der Gouverneur der Region, Wladimir Kusnetzow, hat Hyundai das Gebiet bereits zugesagt. Heftiger Widerstand gegen diese Pläne kommt von lokalen Naturschützern und dem Regionalparlament, vor allem aber von den Udeghe, deren Lebensgrundlage - Jagd, Fischfang und Sammeln von Waldfrüchten -bedroht ist. Sie haben bereits angekündigt, sich notfalls auch mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen.

Anatoli Lebedew und anderen russischen Aktivisten ist es gelungen, die Weltöffentlichkeit auf die Kahlschläge aufmerksam zu machen. Der Abgeordnete war auch an Bord, als das Greenpeace-Flaggschiff „Rain-bo w Warrior” von Wladiwostok nach Svetlaya aufbrach.

Proteste der Bevölkerung

Vergangenen Herbst kam es zur Blockade: Die „Rainbow Warrior” wurde an ein riesiges Holztransportschiff gekettet, das Schiff von Aktivisten mit Transparenten erklettert. Eine andere Gruppe blockierte die LKW-Zufahrt, bald tatkräftig unterstützt von der Lokalbevölkerung. Erst nach 26 Stunden beendete Greenpeace die Blockade. „Vorläufig”, wie Greenpeace-Waldexperte Francesco Mar-tone betonte. „Wenn das Joint Venture seine umweltzerstörerischen Aktivitäten nicht einstellt, ist mit weiteren Protesten zu rechnen.”

Bekräftigt wurde der Standpunkt der Umweltschützer wenig später von höchster Stelle. „Die Aktivitäten des Joint Venture sind teilweise illegal”, bestätigte Professor Alexei Jablokov, Umweltreferent des russischen Präsidenten, in einem Fax an das russische Greenpeace-Büro. Und der Oberste Gerichtshof in Moskau erklärte schließlich die Entscheidung des Gouverneurs für gesetzwidrig, den Holzfällern das Bikin-Tal zu öffnen.

Doch was Hyundai in Svetlaya tut, ist nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft der russischen Wälder. Auch die US-Firma Weyerhäuser hat große Pläne. Einige hundert Kilometer nördlich von Svetlaya soll ein bisher unberührtes Flußtal unter den Kettensägen fallen. Auch Steilhänge sollen kahlgeschlagen werden. Aufforsten will Weyerhäuser mit einer einzigen amerikanischen Fichtenart.

Dennoch - es besteht noch Hoffnung für Rußlands Wälder. „Was hier passiert, gleicht in vielem der Lage in den tropischen Regenwäldern”, erklärt Francesco Martone. „Doch es gibt einen Unterschied: In Rußland steht die große Zerstörung erst am Anfang - und wir können hier noch eingreifen, bevor die Lawine losgetreten wird.”

Der Autor ist Biologe und Waldexperte bei Greenpeace Österreich.

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