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EINEN GEFAHRLICHEN GEIST

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recht ja oder nein) wird aber von der eigentlichen und berechtigten Frage abgelenkt: Welche Strukturen wären geeignet, um dem Gespräch mit den Ausländern über ihre spezifischen Probleme einen menschlichen, rechtlich gesicherten Rahmen zu geben? Indem das FP-Begehren aber eine Gefahr beschwört, die gar nicht besteht, verunmöglicht es die Wahrnehmung eines berechtigten Anliegens und verhindert so auch die Lösung.

Wer ist gemeint?

Genau genommen betrifft das Haider-Begehren nur diejenigen Ausländer, die dunkle Geschäfte betreiben und/oder die sich illegal in Österreich befinden, und jene, die sich erst um eine Aufenthaltsbewilligung bemü-;hen. Man fragt sich erstaunt: Bedarf ;es um dieser Gruppen willen eines Volksbegehrens? Niemand will die Illegalität als solche, aber es wäre 'wichtig, nach den vielschichtigen iGründen für den illegalen Status so 'mancher Ausländer zu fragen - und danach, wie die Behörde in einer differenzierten Weise darauf reagieren kann und soll.

Was aber jene Menschen betrifft, die sich um eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich erst bemühen, wäre ! Haider zu raten, eine Testperson ein-: zusetzen und sich dann genau schildern zu lassen, wie schwierig es auch ohne sein Begehren schon ist, in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung samt Arbeitsbewilligung und Meldezettel zu bekommen. Vielleicht würde er angesichts der Hürden, die ein solcher Mensch zu überwinden hat, dann ein Volksbegehren in die umgekehrte Richtung starten - etwa unter dem Motto: Für einen menschenge-rechten Umgang mit Ausländern.

Aber zurück zur Hauptfrage: Gegen welche Ausländer richtet sich Haiders Initiative nun wirklich? Nach dem offiziellen Text sind - wie erwähnt - Flüchtlinge und legal in Österreich weilende Gastarbeiter nicht gemeint, ebensowenig wie etwa ausländische Universitätsprofessoren und Künstler. Man wird beruhigt hinzufügen dürfen: Nicht gemeint sind auch wohlsituierte Deutsche oder Leute aus anderen „zivilisierten” Ländern, wenn sie sich „ordentlich benehmen” - im Unterschied zu jenen, die aus dem Osten kommen und arm sind!

Daraus ergibt sich eine widersprüchliche Situation: Ein großer Teil jener Ausländer, die der einheimischen Bevölkerung da und dort tatsächlich zu schaffen machen, sind laut vorliegendem Text gar nicht betroffen: nämlich die Flüchtlinge und alle legal in Österreich lebenden Gastarbeiter. Daß Kriminelle tunlichst nicht ins Land gelassen und verfolgt werden sollten - bedarf es dazu eines Volksbegehrens?

Aber von der Stimmung, die die Kampagne durch das Reden von der Schuld der Ausländer an fast allem erzeugt, sind sie sehr wohl betroffen. Wenn Jörg Haider meint, die falsche Politik beschwöre die Gefahr von „deutschen Verhältnissen” auch für Österreich herauf, dann muß man ihm antworten: Gerade das FP-Begehren heizt jene irrationale Ängste an, die dann in Verbindung mit kriminellen Neigungen Ausländer-Wohnungen in Flammen setzen könnten.

Weckung von Ängsten

Wer einen Lawinenschutz auf einem bestimmten Berg fordert, vermittelt dem Zuhörer den Eindruck, dieser Berg sei lawinengefährdet. So auch hier: Wer „Österreich zuerst” fordert, suggeriert die Vorstellung, „Österreich hintennach” als Realität oder unmittelbare Gefahr, sodaß Österreicher in Österreich bald nicht mehr heimisch sein könnten; daß die österreichischen Kinder in der Schule nicht mehr ungefährdet sind; daß österreichische Steuergelder in hohem Maß ausländischen Schmarotzern gegeben werden und so weiter. Wenn dem Leser dann auch noch die Berechtigung seiner Empörung bestätigt wird, ist die Gefahr groß, daß die „gerechte Empörung” in eine „gerechte Volkswut” übergeht - mit allen unabsehbaren Folgen!

Merkwürdige Maßnahmen

Manche der vorgeschlagenen Maßnahmen sind überlegenswert. Andere hingegen sind in einer merkwürdigen Weise ausländerfeindlich, weil die Justiz, die doch kein Ansehen der Person kennen sollte, den Ausländer auffallend schärfer ins Auge faßt als den Inländer: Zur Unterbindung illegaier tsescnamgung roraert man eine Ausweis-Pflicht für ausländische Arbeitnehmer, aber die österreichischen Schwarzarbeiter können offenbar ruhig weitermachen.

Fehlende Punkte

Besonders schlimm ist all das, wovon der Text mit keinem Wort spricht:

□ von den guten Erfahrungen, die Österreich in seiner Geschichte mit den Ausländern und ihren Nachkommen bis heute gemacht hat;

□ von ihren Leistungen für Österreich und seinen Wohlstand;

□ von den unangenehmen Arbeiten, die in Österreich fast ausschließlich von Ausländern besorgt werden;

□ von den böhmischen Großmüttern, den ungarischen Vorfahren und den kroatischen Verwandten, auf die so viele Österreicher sogar mit Stolz verweisen können.

Wenn man über „die Ausländer” redet, müßte man vor allem auch reden

□ von den Nöten, den Ängsten und den Erwartungen dieser Menschen;

□ von der Art und Weise, wie in Österreich ein Asylverfahren abgehandelt wird;

□ von den skandalösen Unterkünften, in denen viele Ausländer wohnen müssen, ausgebeutet von üblen Kapitalisten, die meist „brave” Österreicher sind;

□ von der Sirmhaftigkeit einer Gewerkschaft für Ausländer in Österreich, damit das Gespräch nicht nur über die Ausländer stattfindet, sondern mit ihnen geführt werden kann;

„Gefährlicher Geist”

Das FP-Begehren atmet insgesamt einen gefährlichen Geist, weit ab von einem für die heutige Welt so wichtigen solidarischen Standpunkt. Am deutlichsten kommt dies vielleicht dort zum Ausdruck, wo von der „optimalen Bevölkerungsdichte” des Landes gesprochen wird, die „leider” überschritten worden sei. Daraus ergibt sich mit zwingender Logik, daß einige Leute in Österreich „zuviel” sind. Da sich die Verfasser wohl kaum selbst gemeint haben, wird man fragen müssen: Wen halten sie nun wirklich für „zuviel” und „überflüssig”? Wie recht hat Caritas-Direktor Helmut Schüller mit seiner Bemerkung: Wer gegen die Ausländer ist, ist auch gegen Inländer. Denn Menschenrechte sind unteilbar!

Vielleicht sollte man auch folgendes Beispiel in diesem Licht sehen: Im Anhang wird die ehemalige SPÖ-Abgeordnete Gabrielle Traxler mit der ebenso gerechten wir vernünftigen Forderung zitiert: „Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer nach Österreich geholt wird, dann muß er auch seine Familie mitnehmen können.” Aber diese eigentlich selbstver-s t ä n d 1 i c h e , menschliche Forderung wird als Argumentation „gegen” die Österreicher qualifiziert.

Alles in allem: Was am Volksbegehren berechtigt erscheint, bedarf keines Volksbegehrens; was aber darüber hinausgeht, ist von einem Geist durchdrungen, der, fernab von „belastbarer Solidarität” (Paul Zulehner), jenem Nationalismus verhaftet zu sein scheint, der schon so viel Unheil angerichtet hat.

Die Korrektur bestünde in einer grundsätzlich anderen Sicht: Der Ausländer ist ein Mensch mit der gleichen Würde, den gleichen Rechten und den gleichen Pflichten wie wir. Er soll „genauso am Festmahl des Lebens teilnehmen” wir wir (Johannes Paul II.) - und dann, wenn das wirklich klar ist, dann laßt uns über die Probleme reden - über unsere mit den Ausländern und ihre mit uns Österreichern! Der Autor ist Professor für Moraltheologie an der philosophisch-theologischen Hochschule Heiligenkreuz und Geistlicher Assistent des Katholischen Familienverbandes Österreichs.

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