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Einer, der ein Land veränderte
Der einzelne Mensch als Gestalter der Verhältnisse, als Beweger, der Geschichte, hat in unsrem auf Produktionsmittel und Klassenkämpfe eingeengten Geschichtsbild wenig zu bestellen. Für ihn gibt es da keinen Platz mehr, es sei denn die undankbare Rolle dessen, der sich dem entpersonifizierten Fortschritt in den Weg stellt.
Daß sich neuerdings nicht nur gestandene Konservative wie Hans Magenschab, sondern auch ein Autor namens Günther Nen-ning für den vor 200 Jahren geborenen Erzherzog Johann interessieren und Bücher über ihn schreiben, kann, auch, als Zeichen dafür verstanden werden, daß da ein Manko wahrgenommen wurde.
Wenn es nämlich überhaupt eine Persönlichkeit gibt, deren Biographie sich zum Beweis dafür eignet, daß ein einzelner ge-schichtsträchtig wirken, das Gesicht einer ganzen Region verändern kann und dies obendrein noch „von oben”, dann heißt dieser einzelne in Österreich zweifellos Erzherzog Johann.
Wäre dieses dreizehnte von den 16 Kindern des Großherzogs Leopold von Toskana nicht geboren worden, hätte dieser nach der Thronbesteigung seines Vaters im Alter von acht Jahren zum kaiserlichen Prinzen avancierte Knabe nicht innere Widerstände gegen seine höfische Umgebung aufgebaut, wäre da nicht eine Persönlichkeitsstruktur • herangereift, die sich von der seiner meisten Verwandten gründlich unterschied, könnte die Steiermark heute wirtschaftlich und sozial ganz anders dastehen.
So gesehen, kann die Steiermark das Jahr, in dem sich sein Geburtstag zum zweihundertsten Male jährt, gar nicht genug wichtig nehmen.
Dadurch wird wohl vielen jungen Menschen zum ersten Mal bewußt werden, wie entscheidend Johanns Wirken für die heutige Steiermark ist - und was ein einzelner, wenn er günstige Voraussetzungen vorfindet, in Bewegung zu setzen vermag.
Der Prinz setzte nur einige von vielen weit über seine Zeit hinausweisenden Signalen, als er mit 37 Jahren beschloß, die Postmeisterstochter Anna Plochl zu heiraten — und dies in einer zehnjährigen Auseinandersetzung mit seinem Bruder durchsetzte. Als er sich sehr bewußt für einen bürgerlich-bescheidenen Lebensstil entschied. Und als er sich zuletzt, als Bürgermeister von Stainz, um feuerpolizeiliche Maßnahmen, um die Gänse auf dem Hauptplatz und um die Entfernung von Straßenschmutz kümmerte.
Entscheidender für das heutige
Gesicht der Steiermark wurde freilich seine Tätigkeit als Förderer von Handel und Industrie (er war alles andere als ein „Grüner” im heutigen Sinn), wurde die Vielzahl seiner Anregungen und Gründungen, von der „Steiermär-kischen Sparkasse” bis zur JBrandschadenversicherung” (als Vorläufer der heutigen „Wechselseitigen”), vom Versuchsgut „Brandhof” bis zur Montanistischen Hochschule, von seinem Eintreten für den Bahnbau (er betrieb ja den Bau der Semmering-bahn!) bis zu seinem Engagement für den steirischen Wein.
Er war dabei freilich alles andere als ein Umstürzer. Er war einer der wenigen im Hause Habsburg, die erkannten, wie die Monarchie in die neue Zeit hinübergerettet hätte werden können. Die Verwandten an den Schalthebeln hörten nicht auf sie.
Johann glückte für die Steiermark manches, was sein Onkel Joseph II. für ganz Osterreich gewollt hatte.
Alle Facetten dieser starken Persönlichkeit werden sichtbar in der großen Landesausstellung in Stainz (50.000 Besucher im ersten Monat!), in Vordernberg (Johann, der Industriespion!), in der Grazer Universität („EJ” und die Naturwissenschaft), in der Grazer Neuen Galerie (Porträts), in Bad Aussee (sein Leben in den Bergen) und im niederösterreichischen Ternberg, wo es ebenfalls eine Ausstellung gibt.
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