6984177-1986_20_01.jpg

Einer Katastrophe zuvorkommen

19451960198020002020

Wir haben die Lehren aus Tschrnobyl gezogen, aber sind diese Lehren nachhaltig?

19451960198020002020

Wir haben die Lehren aus Tschrnobyl gezogen, aber sind diese Lehren nachhaltig?

Werbung
Werbung
Werbung

Der Schock sitzt tief. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat den Glauben an das technisch Machbare erschüttert.

Schnell und wendig sagen viele, die Zwentendorf lieber noch gestern als heute aufgesperrt hätten, den Atomkraftwerksbau im Tullnerfeld tot. Vergessen ist, daß sie bereitwillig Sicherheitsgarantien abzugeben bereit waren. Vergessen erst recht, daß die Umzingelung Österreichs mit Kernkraftwerken als Argument für Zwentendorf ins Treffen geführt wurde. Wenn alle anderen, warum nicht auch wir?

Man darf klüger werden. Aber mußte erst etwas passieren, bis etwas passiert? Mußte das Unwahrscheinliche eintreten, um die Wahrscheinlichkeit der Risken faßbar zu machen?

Noch klingt im Ohr, daß - unter Berufung auf Fachleute - alle Sicherheitsprobleme beim Betrieb von Kernkraftwerken „technisch gelöst“ wären. Bis hin zur Endlagerung des Atommülls. Die Katastrophe vor Augen, schockiert von den Folgen, sieht die Situation anders aus. Die technische Lösung des Energieproblems durch Kernkraft hat ein Umweltproblem von ungeheuerlichem Ausmaß geschaffen.

Nicht, daß es an warnenden Stimmen gemangelt hätte. Doch die Risken wurden nicht hoch genug bewertet. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Auf unserem Weg in die Zukunft sind Risken und Unsicherheiten unvermeidlich. Wissenschaftler und Techniker sind damit ebenso konfrontiert wie Politiker. Nur tragen diese eine Verantwortung, die sie nicht an die Wissenschaft und Technik weiterverweisen können.

Kein Experte kann dem Politiker die Verantwortung abnehmen, Gegebenheiten und Zusammenhänge, die Chancen und die offensichtlichen Risken zu bewerten. Im Zweifel sollte die Entscheidung gegen das evidente Risiko fallen: bevor es zur Katastrophe kommt.

Heute ist es die Kerntechnik. Und morgen?

Neue Technologien, die die Welt unserer Werte zu verändern vermögen, kündigen sich an. Gentechnologien können sicherlich Segen stiften, etwa therapeutisch wirksame Enzyme oder Hormone produzieren. Aber es drohen auch unabschätzbare Risken. Schon zeichnet sich die Möglichkeit ab, durch Genmanipulationen genetisch identische Individuen zu produzieren, den Menschen seiner einzigartigen Identität zu berauben.

Mit einer Rahmengesetzgebung zuwarten? Der weiteren Entwicklung—wie im Bereich der künstlichen Befruchtung — (noch) nicht vorgreifen wollen? Die Verantwortung der Wissenschaft zuweisen? Wenn es erst wieder eines Schockes bedarf, haben wir keine Lehren aus Tschernobyl gezogen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung