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Einfach anders sein

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Pressekonferenz in Wiener Neustadt: Vorgestellt wird ein Fastenkalender. Bei den gegenwärtig in der Kirche stattfindenden Debatten über Ereignisse, die die Gemüter so sehr bewegen wie die holländische Bischofssynode oder der Fall Küng, ein scheinbar unbedeutendes Ereignis. Zahlt es sich überhaupt aus, heute noch über Fasten zu sprechen, darüber in den Medien zu berichten?

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Pressekonferenz in Wiener Neustadt: Vorgestellt wird ein Fastenkalender. Bei den gegenwärtig in der Kirche stattfindenden Debatten über Ereignisse, die die Gemüter so sehr bewegen wie die holländische Bischofssynode oder der Fall Küng, ein scheinbar unbedeutendes Ereignis. Zahlt es sich überhaupt aus, heute noch über Fasten zu sprechen, darüber in den Medien zu berichten?

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Und dennoch. Gerade weil hier Kleines und Unscheinbares ernst genommen wird, erscheint es mir wichtig, auf diesen Fastenkalender hinzuweisen. „Einfach anders sein" ist sein Motto. Seine beiden Vorgänger waren unter die Devise „Einfach anders leben" gestellt worden. Und diese geringfügige Änderung in der Ausrichtung ist von Bedeutung. Sie entspringt der Einsicht, daß ein anderes Leben nur dann geführt werden kann, wenn der Mensch in seinem Inneren anders wird, wenn es ihm gelingt, sich nicht nur in den Äußerlichkeiten umzustellen, sondern wenn er den Schritt zu einer tiefgreifenden Wandlung seiner Persönlichkeit wagt.

Typisch dafür, daß diese Einsicht nicht Ausfluß eines gezielten „Brain-stormings", sondern einer Grundhaltung der Schöpfer des Kalenders ist, ist die Erzählung, wie dieses Motto geboren wurde: Es entstand anläßlich einer Radtour, die

Weihbischof Kuntner mit seinem Sekretär Ferstl und dem Textautor des Kalenders Giglinger im Vikariat Süd unternahm. Anders leben, anders sein, wird von der Gruppe ernst genommen.

Gerade das ist es auch, was das Besondere an diesem Kalender ausmacht. Man spürt, daß dahinter Menschen stehen, die das, was sie den Menschen unserer Zeit als Anregungen für ein sinnvolles Fasten bieten, auch für sich selbst gelten lassen. Und der Erfolg - soweit sich dieser überhaupt in Zahlen messen läßt -gibt ihnen recht: Die Auflage des ersten Kalenders betrug noch 7000, der zweite wurde schon in 12.000 Exemplaren gedruckt und heuer rechnet man damit, daß rund 30.000 Exemplare Abnehmer finden werden.

Den Autoren geht es aber durchaus nicht um zahlenmäßigen Erfolg. Das zeigt schon der Umstand, daß der Kalender nicht verkauft, sondern auf Anforderung verschickt wird. Und dennoch kommen die Kosten der Herstellung bei weitem wieder durch Spenden herein.

Hier wird wieder einmal deutlich, daß nicht jene Dinge erfolgreich sind, die um der Erzielung eines bestimmten Erfolgs willen getan werden. Es stellt sich vielmehr heraus, daß jene Aktivitäten, die im Hinblick auf ein größeres Anliegen geschehen, die erfolgreichsten sind.

Und das größere Anliegen, um das rufen, die zu einer umfassenden Erneuerung des christlichen Lebens in der Welt beiträgt: Eine Erneuerung, die den Menschen in den Ländern der Dritten Welt ebenso zugute kommen soll wie uns selbst, eine Erneuerung, die die Verantwortung für den Nächsten ebenso ernst nimmt wie die eigene Besinnung, eine Erneuerung, die davon ausgeht, daß man die Probleme des anderen vor allem auch dadurch löst, daß man sich selbst ändert.

Und dazu liefert dieser Fastenkalender eine Fülle von Anregungen. Jeder Fastentag wird unter ein Motto gestellt, das sich nicht darauf beschränkt mit erhobenem Zeigefinger festzustellen: „Du darfst nur wenig essen, keinen Alkohol trinken und keine bösen Gedanken haben." Die Leitsätze geben uns vielmehr Gelegenheit, den Gedanken der Umkehr in unserer Zeit lebbar zu machen: „Fasten - zur Gemeinschaft bereit sein, Fasten - Teufelskreise sprengen, Fasten - Nachdenken über sich, Fasten - zum Maß des Menschen zurückkehren, Fasten - Mut zur Freude haben, Fasten - teilen", sind Beispiele für solche Tagesdevisen.

Gerade der Gedanke des Teilens ist ein Hauptanliegen der Beteiligten -und beteiligt sind nicht nur die oben genannten Personen, sondern auch eine Reihe von freiwilligen Helfern, die durch ihr selbstloses Engagement die Durchführung dieser Aktion erst ermöglichen. Teilen entwickelt sich immer mehr zu einer Devise, die die Welt in Bewegung versetzt, ob sie nun von Wiener Neustadt oder von Taize ausgeht. Denn Teilen bringt uns zu Bewußtsein, daß wir füreinander Verantwortung tragen und daß wir in der Gemeinschaft voneinander lernen können.

Der Fastenkalender 1980 wäre ein Weg, sich für diesen - für die Zukunft so hoffhungsträchtigen - Gedanken zu öffnen.

Bestellungen des Fastenkalenders an:

Arbeitskreis „Dritte Welt" Neuklostergasse 1 2700 Wiener Neustadt

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