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Einfach unmoralisd

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Die Fremdenverkehrswirtschaft meldet neue Nächti-gungsrekorde, die Landwirtschaft gewinnt im Zuge der grünen Welle an Sozialprestige, ja man spricht da und dort von einer Renaissance der Landwirtschaft. Branchen, deren Leistungen offenbar so hoch im Kurs stehen, müssen auch einen entsprechenden Ertrag abwerfen, sollte man meinen.

Just von diesen beiden Wirtschaftszweigen kommt aber die Meldung, daß die Einkommen zurückgegangen sind. Wobei vor allem die Zahlen aus der Landwirtschaft besorgniserregend sind, handelt es sich bei den dort Beschäftigten doch ohnehin um Stiefkinder des Wohlstandes: Das landwirtschaftliche Einkommen betrug 1979 einschließlich aller staatlichen Zuschüsse mit 7023 Schilling pro Kopf nur rund die Hälfte der Bruttogehälter in der Industrie.

Während 42,8 Prozent aller Österreicher einen Farbfernseher besitzen, sind es bei den Bauern nur 27 Prozent. Jeder vierte Österreicher hat eine Stereoanlage, aber nur jeder zehnte Bauer.

Wie erstrebenswert oder von wie zweifelhaftem Wert der Besitz dieser Konsumgüter nun auch sein möge - diese Zahlen lassen sich schwerer wegdiskutieren als persönliche Eindrücke vom Leben am Lande.

Angesichts eines Rückganges der Realeinkommen der Bauern 1979 um mehr als neun Prozent sind Rechtfertigungsversuche des niedrigen Agrar-einkommens, wie sie etwa die Arbeiterkammer mit dem Hinweis unternimmt, daß die Landwirte ja zum Teil von den eigenen Erzeugnissen leben können und keine Miete zahlen brauchen, unsittlich zu nennen.

Da mir bislang kein Vorwurf zu Ohren gekommen ist, die Landwirtschaft sei an ihrem Wohlfahrtsrückstand selbst schuld, weil sie in ihrer Organisation und bei ihren Produktionsmethoden hoffnungslos rückständig sei, werden sich die zuständigen Politiker Zweifel an den von ihnen der Landwirtschaft auferlegten Rahmenbedingungen gefallen lassen müssen. Möglicherweise wird man auch die Vertreter der Landwirtschaft selbst fragen müssen, ob sie ihren Mitgliedern in der Vergangenheit immer den richtigen Rat gegeben haben.

Es muß schließlich zu denken geben, daß wir uns nun auch auf dem Agrarsektor mit einem steigenden Importüberschuß herumschlagen müssen, Produktionsüberschüsse der heimischen Landwirtschaft aber meist nur nach vorheriger staatlicher Preisstützung vermarktet werden können. Es wird also des guten Willens auf allen Seiten bedürfen, um die durch die gesellschaftliche Entwicklung sich abzeichnende Chance für eine auch wirtschaftliche Renaissance der Landwirtschaft zu nützen.

Beim derzeitigen Einkommensniveau in der Landwirtschaft erscheint mir eine Marktregulierung mittels massiven Drucks auf das Einkommen der Bauern einfach unmoralisch.

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